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Der Kindergeldanspruch kann von einem inländischen Wohnsitz abhängen. Aber welche Folgen haben Auslandsaufenthalte?
Nach dem BFH richtet sich die Annahme eines inländischen Wohnsitzes nach den Grundsätzen des § 8 AO. Ob objektiv erkennbare Umstände auf die Beibehaltung und Nutzung einer Wohnung schließen lassen, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten und der Beurteilung des Finanzgerichts ab.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem aktuellen Urteil vom 12.11.2020 (III R 6/20) im Rahmen eines Revisionsverfahrens seine Grundsätze für die Beurteilung der Kindergeldberechtigung bei einem ausländischen Wohnsitz bestätigt.
A, der jordanischer Herkunft und deutscher Staatsangehöriger ist, ist mit einer jordanischen Staatsangehörigen verheiratet. Beide haben einen Sohn B und bewohnen eine Dreizimmerwohnung im Inland gemeinsam mit dem Sohn C aus erster Ehe des A.
Nachdem B zunächst in Deutschland zur Schule gegangen ist, besucht er voraussichtlich bis zur Ablegung des jordanischen Abiturs eine Schule in Jordanien. Mit dem Eintritt in den Ruhestand zog die Familie nach Jordanien und behielt die Wohnung im Inland bei.
Die Schulferien im Sommer verbrachte B in Deutschland in der inländischen Wohnung. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung auf. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte Erfolg. Der BFH sah dies teilweise anders.
Anspruch auf Kindergeld hat, wer im Inland einen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (gem. § 8 AO) im Inland hat, sind im Wesentlichen geklärt. Gemäß § 8 AO, welcher auch im Rahmen der Prüfung der Kindergeldberechtigung Anwendung findet, hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung „unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird“.
Dabei knüpft der Wohnsitzbegriff ausschließlich an die tatsächliche Gestaltung und nicht an subjektive Vorstellungen an. Ein Wohnsitz gem. § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumen das Innehaben der Wohnung in dem Sinn voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich jederzeit (wann immer er es wünscht) über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufsucht.
Der Wohnsitzbegriff setzt weder voraus, dass die Wohnung im Inland den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet, noch, dass es eine Mindestaufenthaltszeit gibt. Erforderlich ist allerdings eine Nutzung, welche über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte und das Aufsuchen der Wohnung zu Verwaltungszwecken hinausgeht.
Die Beurteilung, ob objektiv erkennbare Umstände auf eine Beibehaltung und Nutzung der Wohnung im Inland schließen lassen, liegt dabei weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Sie obliegt im Wesentlichen dem Finanzgericht (FG) und kann vom BFH nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze hin überprüft werden.
Die tatrichterlichen Feststellungen gestatten nach Ansicht des BFH keine Entscheidung darüber, ob der Sohn B seinen vorher im Inland begründeten Wohnsitz während seines Auslandsaufenthalts beibehalten oder aufgegeben hat.
Denn das FG-Urteil enthält keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes des B oder einer Behandlung gem. § 1 Abs. 2 oder § 1 Abs. 3 EStG.
Selbst wenn in der Würdigung, dass das Kind seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern nicht verloren hat, eine konkludente Annahme eines inländischen Wohnsitzes des Vaters A zu sehen wäre, reichen die Feststellungen zum inländischen Wohnsitz des Kindes nicht aus, um auch dem A die Anspruchsberechtigung zu vermitteln.
Das FG hat keine objektiv erkennbaren Umstände festgestellt, die dafür sprechen, dass A die bis zu seinem Ruhestand genutzte inländische Wohnung für Zwecke des eigenen Wohnens beibehalten hat, nachdem er mit seiner Frau und dem minderjährigen Kind C nach Jordanien verzogen ist.
Denn bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten kann der inländische Wohnsitz auch dann aufgegeben werden, wenn der Steuerpflichtige seine Wohnung beibehält, diese aber nur für kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken nutzt.
Nicht genügend ist daher, dass sich jemand, der dauernd oder langfristig im Ausland wohnt, nur gelegentlich oder zu Besuchszwecken in einer Wohnung oder Räumen aufhält, welche ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Diese Grundsätze gelten auch, wenn es nicht um die Begründung eines inländischen Wohnsitzes, sondern um dessen Beibehaltung geht. Fehlende Feststellungen des FG Das FG-Urteil enthält keine Ausführungen zu der vorrangig festzustellenden Kindergeldberechtigung des A und damit auch keine Feststellungen zu dessen inländischen Wohnsitz.
Insbesondere bleibt demnach unklar, ob A immer zusammen mit dem Kind die Wohnung in den Sommermonaten genutzt hat.
Es fehlen zudem jegliche Feststellungen, ob A die inländische Wohnung jederzeit für seine eigenen Wohnzwecke nutzen konnte, ob er sie überhaupt und für welche Zeiträume genutzt hat, und ob es sich letztlich um eine Familienwohnung oder um eine allein für den erwachsenen Sohn B bestimmte Wohnung handelte.
Weiterhin bleibt unklar, ob und welche Rechte A an der Wohnung hat, ob es sich um eine Eigentumswohnung oder eine Mietwohnung handelt, wer ggf. Eigentümer oder Mieter ist, und wer deren Kosten getragen hat.
Der Umstand, dass der erwachsene Sohn den Eltern und dem Bruder bei Inlandsaufenthalten einen Teil seiner Wohnung zur Verfügung stellt, lässt für sich nicht den Schluss zu, A habe die Wohnung in einem Umfang genutzt, der über einen bloßen Besuchscharakter hinausgeht.
Insoweit fehlen insbesondere Feststellungen dazu, inwieweit der Zugriff auf die Wohnung durch die möglicherweise überwiegende Nutzung durch den erwachsenen Sohn begrenzt war.
Für die Frage des Wohnsitzes ist auch von Bedeutung, ob eine Person selbst eine eigene Wohnung im Inland bereithält, oder ob sie lediglich eine Wohnmöglichkeit bei einem Angehörigen hat.
Auch die Umstände, dass A sich mit seiner Ehefrau und dem minderjährigen Kind über mehrere Jahre weit überwiegend in Jordanien aufhält, dort eine eigene Wohnung zur alleinigen Nutzung angemietet hat, während in der inländischen Wohnung nur eine Schlafcouch im Wohnzimmer zur Verfügung steht, sind zu berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund ist für den BFH die Sache nicht spruchreif und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurückzuverweisen.
Praxishinweis: Der BFH hat seine bisherigen Grundsätze erneut bestätigt: Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen inländischen Wohnsitz gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hat, sind geklärt und richten sich nach § 8 AO. Die Beurteilung, ob objektiv erkennbare Umstände auf die Beibehaltung und Nutzung einer Wohnung schließen lassen, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet und obliegt im Wesentlichen dem FG. Da das FG diese Grundsätze nicht ausreichend beachtet hat, muss es in diesem Fall die erforderlichen Feststellungen nachholen.
BFH, Urt. v. 12.11.2020 - III R 6/20
RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
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