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Sind noch nicht verbrauchte Erhaltungsaufwendungen komplett beim Erblasser abziehbar? Oder wird die Verteilung beim Erben fortgeführt?
Nach dem BFH gilt: Wenn größere Erhaltungsaufwendungen auf mehrere Jahre verteilt worden sind, ist bei einem Erbfall innerhalb des Verteilungszeitraums der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Todesjahr als Werbungskosten abzusetzen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem aktuellen Urteil vom 10.11.2020 (IX R 31/19) dazu Stellung genommen, ob ein nicht verbrauchter Vortrag an Erhaltungsaufwand beim Tod des Steuerpflichtigen untergeht.
Der verstorbene Ehemann der A war Eigentümer eines mit einem Zweifamilienhaus (ZFH) bebauten Grundstücks. Aus diesem erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
In den letzten vier Jahren vor seinem Tod leistete der verstorbene Ehemann erhebliche Erhaltungsaufwendungen, für die der Verstorbene jeweils eine Verteilung auf fünf Jahre gem. § 82b EStDV gewählt hatte.
Im Streitjahr waren noch erhebliche Erhaltungsaufwendungen vorhanden. Das ZFH ging auf die Erbengemeinschaft L über, an der A beteiligt war. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Erbengemeinschaft für das Streitjahr wurden keine Abzugsbeträge gem. § 82b EStDV berücksichtigt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr zog A für ihren verstorbenen Ehemann bei den Einkünften aus dem ZFH den zum Zeitpunkt des Todes noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen ab. Das Finanzamt (FA) folgte dem nicht.
Der Einspruch der A blieb erfolglos, jedoch hatte die Klage vor dem Finanzgericht Erfolg. Der BFH folgte dem.
Grundsätzlich sind Werbungskosten in dem Veranlagungszeitraum abzuziehen, in dem sie geleistet worden sind. Gemäß § 82b Abs. 1 Satz 1 EStDV kann der Steuerpflichtige größere Aufwendungen für die Erhaltung von Gebäuden, welche im Zeitpunkt der Leistung des Erhaltungsaufwands nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und überwiegend Wohnzwecken dienen, abweichend von § 11 Abs. 2 EStG auf zwei bis fünf Jahre gleichmäßig verteilen.
Wird das Gebäude während des Verteilungszeitraums veräußert, ist der noch nicht berücksichtigte Teil des Erhaltungsaufwands im Jahr der Veräußerung als Werbungskosten abzusetzen. Das Gleiche gilt, wenn ein Gebäude in ein Betriebsvermögen eingebracht oder nicht mehr zur Erzielung von Einkünften genutzt wird.
§ 82b Abs. 1 EStDV hat den Zweck, dem Steuerpflichtigen eine bessere Ausnutzung seiner Tarifprogression zu ermöglichen, indem er seine Erhaltungsaufwendungen interperiodisch besser verteilen kann.
Die Regelung geht ins Leere, wenn infolge des Todes des Steuerpflichtigen eine weitere Ausnutzung seiner Tarifprogression nicht möglich ist. Mit dem Tod des Steuerpflichtigen endet die auf ihn als natürliche Person und Steuersubjekt bezogene Einkünfteerzielung.
Bei der Einkommensteuer ist nur der Steuerpflichtige, der die Aufwendungen getragen hat, Zurechnungssubjekt der von ihm erzielten Einkünfte. Der bislang nicht berücksichtigte Teil der Aufwendungen kann daher nur im Veranlagungszeitraum des Todes berücksichtigt werden.
Ansonsten kann die beim Steuerpflichtigen mit dem Abfluss der Aufwendungen erfolgte Minderung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht im Rahmen der ihn betreffenden Steuerveranlagungen abgebildet werden.
Verstirbt der Steuerpflichtige innerhalb des Verteilungszeitraums gem.§ 82b EStDV, ist daher der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungszeitraum seines Versterbens als Werbungskosten abzusetzen.
Die steuerliche Situation im Todesfall ist vergleichbar mit den übrigen ausdrücklich in § 82b Abs. 2 EStDV genannten Fällen: die Veräußerung des Gebäudes, seine Einbringung in ein Betriebsvermögen oder die Beendigung der Nutzung zur Einkunftserzielung (z.B. wegen Selbstnutzung).
In § 82 Abs. 2 EStDV wird nach Ansicht des BFH davon ausgegangen, dass ab dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung, der Einbringung in ein Betriebsvermögen oder des Wegfalls der Nutzung des Gebäudes zur Einkunftserzielung die weitere Berücksichtigung der gem. § 82b Abs. 1 EStDV verteilten und noch nicht berücksichtigten Aufwendungen nicht mehr möglich ist.
Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass eine Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch den Steuerpflichtigen ab dann nicht mehr möglich ist.
Mit dem Tod des Ehemanns der A endete bei diesem die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und die Erben traten als Gesamtrechtsnachfolger anstelle des Verstorbenen als Vermieter in die sich aus den Mietverhältnissen ergebenden Rechte und Pflichten ein – einschließlich der Einkunftserzielung.
Die vom verstorbenen Ehemann getragenen Erhaltungsaufwendungen haben dessen persönliche Leistungsfähigkeit sofort gemindert und sind daher spätestens im Veranlagungszeitraum des Versterbens als Werbungskosten abziehbar.
Für den vom FA geltend gemachten Übergang des nicht berücksichtigten Teils der vom verstorbenen Ehemann getragenen Erhaltungsaufwendungen auf die Erbengemeinschaft besteht nach Meinung des BFH keine gesetzliche Grundlage.
Eine ausdrückliche Regelung für die Überleitung von Erhaltungsaufwendungen i.S.d. § 82b Abs. 1 EStDV vom Erblasser auf die Erben existiert nicht. Auch eine analoge Anwendung anderer Vorschriften wie z.B. § 11d EStDV scheidet aus. Die vom FA angenommene Übertragung des Werbungskostenabzugs ergibt sich insbesondere nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich des Vermietungsobjekts.
Erblasser und Erbe sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils für sich zur Einkommensteuer herangezogen, deren Einkünfte getrennt ermittelt und dem jeweiligen Einkommensteuerrechtssubjekt zugerechnet werden.
Daraus ergibt sich, dass die bei dem verstorbenen Ehemann bis zu seinem Tod nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen nicht auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen und von diesen nicht als Werbungskosten von den selbst erzielten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen sind.
Auch die entsprechende Regelung R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR 2012 stellt keine solche Rechtsgrundlage dar. Denn zum einen hat die Richtlinie als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift nicht den Rang eines Gesetzes oder einer Verordnung und bindet die Gerichte nicht.
Zum anderen fehlt es auch an einer gesetzlichen Grundlage für eine Verwaltungsvorschrift, die einen solchen Übergang der vom verstorbenen Ehemann getragenen Aufwendungen auf die Erben ermöglichen würde.
Im Wege von Verwaltungserlassen dürfen die Finanzbehörden keine Ausnahmen von der gesetzlich vorgesehenen Besteuerung zulassen. Zudem hält der BFH diese Regelung aufgrund seiner geänderten Rechtsprechung zum Verlustvortrag im Erbfall für überholt.
Praxishinweis: Der BFH hat mit dieser Entscheidung für Klarheit gesorgt: Hat der Steuerpflichtige größere Erhaltungsaufwendungen gem. § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und verstirbt er innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen im Veranlagungsjahr des Todes komplett als Werbungskosten im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen. Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu der Regelung R 21.1 Abs. 6 Satz 2 und 3 EStR 2012. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung der überzeugenden Argumentation folgt und diese Regelung aufhebt. Der Praxis ist zu empfehlen, in vergleichbaren Fällen diese Rechtsprechung des BFH anzuwenden.
BFH, Urt. v. 10.11.2020 - IX R 31/19
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