In deutschen Familienunternehmen steht nach wie vor der Generationswechsel an. Noch nie zuvor in der Geschichte der BRD wird so viel Vermögen übertragen wie derzeit; für das Jahr 2015 wird mit einem Vermögensübergang von 274 Mrd. € gerechnet.
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Zum großen Teil handelt es sich hierbei um betriebliches Vermögen. Das BVerfG hat mit Urteil vom 17.12.2014 wesentliche Punkte der Verschonungsregelungen von Betriebsvermögen im ErbStG als unvereinbar mit der Verfassung erklärt.
Das BMF tritt nun mit ersten Eckpunkten für mögliche, verfassungskonforme Neuregelungen auf den Plan. Diese können in Teilen zu erheblichen Verschärfungen führen.
Im folgenden Artikel informieren wir Sie über die BMF-Planungen, die auf scharfe Kritik in der Wirtschaft stoßen, und legen bestehende Gegenargumente zu den Eckpunkten dar. Da die Neuregelungen nach Plan des BMF noch in diesem Jahr verabschiedet werden sollen, steht sicherlich eine spannende zweite Jahreshälfte bevor.
BMF-Vorschläge gehen über die Vorgaben des BVerfG hinaus!
Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) einen Großteil der Regelungen des ErbStG zur Verschonung von Betriebsvermögen als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgetragen, die beanstandeten Regelungen der §§ 13a, 13b ErbStG bis zum 30.06.2016 verfassungskonform auszugestalten. Bis dahin gelten die entsprechenden Regelungen grundsätzlich weiter.
Zwischenzeitlich wurden in der Fachwelt einige Vorschläge für eine Reform unterbreitet. Mit Spannung wurden erste Verlautbarungen von Seiten der Politik erwartet. Jetzt hat das BMF erste vorläufige Eckpunkte zu möglichen Neuregelungen bekanntgegeben.
Diese gehen aber teilweise über die Vorgaben des BVerfG hinaus, wogegen sich bereits einige Verbände kritisch geäußert haben.
Neudefinition des begünstigten betrieblichen Vermögens
Nach den bisherigen Regelungen des § 13 Abs. 1, Abs. 2 ErbStG ist Betriebsvermögen nur durch den 85 %- bzw. 100 %- Verschonungsabschlag begünstigt, wenn es sich nicht um Verwaltungsvermögen handelt. Als schädliches Verwaltungsvermögen gelten insbesondere:
- Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und ähnliche Rechte (regelmäßig Vermietungen, Ausnahmen bei sog. Betriebsaufspaltung),
- Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital 25 % oder weniger beträgt oder bei höherer Beteiligung die Verwaltungsvermögensquote über 50 % liegt, insoweit entsprechendes gilt für Anteile an Personengesellschaften,
- Wertpapiere oder vergleichbare Forderungen sowie z.B. Kunstgegenstände, wenn der Handel mit den Objekten nicht Hauptzweck eines Gewerbebetriebs ist.
Unschädlich ist eine Quote von Verwaltungsvermögen im Betriebsvermögen von bis zu 50 % bei der Regelverschonung (85 % Steuerbefreiung) und von bis zu 10 % bei der Optionsverschonung (100 % Steuerbefreiung).
Künftig soll nun rechtsformneutral für alle Unternehmensformen lediglich auf „betriebsnotwendiges Vermögen“ abgestellt werden. Danach sollen lediglich Wirtschaftsgüter begünstigt werden, die zu mehr als 50 % betrieblichen Zwecken dienen. Lediglich 10 % des Verwaltungsvermögens sollen nicht besteuert werden. Außerdem sollen betriebliche Schulden im Rahmen einer sog. konsolidierten Nettobetrachtung anteilig den begünstigten und nicht begünstigten Vermögenteilen zugeordnet werden.
Kritik an der Neudefinition kommt hier von verschiedenen Verbänden, insbesondere vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW). Hiernach sollte die bisherige Definition des Verwaltungsvermögens beibehalten werden, da sich das Konzept in der Praxis inzwischen eingespielt hat. Außerdem werden erhebliche Abgrenzungsprobleme befürchtet. So stellt sich z.B. die Frage, wie festgestellt werden soll, ob Geldvermögen überwiegend dem Hauptzweck der unternehmerischen Tätigkeit dient.
Erwerbsfreigrenze von 20 Mio. €
Laut dem Urteil des BVerfG ist die Begünstigung von mittelständischen Unternehmen grundsätzlich verfassungskonform und auch gewollt. Allerdings begünstigen die bisherigen Verschonungsregelungen unabhängig davon auch Großunternehmen, die eben keine mittelständische Prägung mehr aufweisen. Die bisherige Ausgestaltung der Begünstigung ohne weitere Prüfung sah das BVerfG kritisch und gab dem Gesetzgeber den Auftrag zur Korrektur.
Vor diesem Hintergrund eröffnete Wolfgang Schäuble: „Ich habe nichts gegen große Privatvermögen: Wenn aber jemand einen Betrieb von mindestens 20 Mio. € vermacht bekommt, dann halte ich es für zumutbar, dass die Hälfte des Privatvermögens herangezogen wird, um die Steuerschuld zu begleichen. Wer einen gutgehenden Betrieb erbt, kann auch einen Kredit aufnehmen, um die Erbschaftsteuern zu bezahlen. Wer das nicht will, kann die Erbschaft ausschlagen.“
Dementsprechend soll nach den Vorstellungen des BMF nun für die Inanspruchnahme der Verschonungsregelungen eine erwerbsbezogene Freigrenze von 20 Mio. € gelten. Die Grenze bezieht sich dabei nicht auf das Gesamtvermögen, sondern nur auf den begünstigten Teil.
Soweit der Erwerb oberhalb dieser Freigrenze liegt, ist die Inanspruchnahme der Verschonung grundsätzlich nicht mehr möglich (siehe aber untenstehend zur Bedürfnisprüfung). Die Freigrenze soll alle zehn Jahre in Anspruch genommen werden können. Aufgrund der erwerberbezogenen Ausgestaltung kann die Freigrenze jedoch von jedem einzelnen Erwerber genutzt werden.
Laut IDW ist die Freigrenze zu niedrig angesetzt. Nach früheren Vorschlägen des BVerfG aus dem Jahr 2005 hätte eine solche Grenze bei 100 Mio. € liegen sollen. Nach Ansicht des IDW müsste der Grenzwert nach heutigen Verhältnissen sogar auf 130 bis 140 Mio. € angehoben werden. Außerdem sollte nach Ansicht des IDW die Begünstigungsgrenze eher als Freibetrag wirken.
Auch das Land Baden-Württemberg fordert eine Erhöhung der Freigrenze auf 100 Mio. €; verschiedene Wirtschaftsverbände fordern sogar 300 Mio. €. Das BMF begründet die vergleichsweise niedrige Freigrenze aber damit, dass 98 % der Erwerbe unter der 20-Mio.-€-Grenze liegen würden.
Bedürfnisprüfung bei Überschreiten der Freigrenze
Bei Überschreiten der Freigrenze soll eine individuelle Bedürfnisprüfung vorgenommen werden. Im Rahmen dieser Prüfung muss der Erwerber den Nachweis antreten, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld sofort zu begleichen. Für die Begleichung der Steuer sollen sowohl das Privatvermögen des Erwerbers als auch das bei der Erbschaft oder Schenkung übergangene Privatvermögen eingesetzt werden. Insgesamt soll jedoch die Einbeziehung des vorhandenen und des erworbenen Privatvermögens auf 50 % der Gesamtsumme gedeckelt werden.
Eine Stundung der Steuer soll dann möglich sein, wenn das Privatvermögen erst noch liquidiert werden muss. Sofern das Vermögen nur teilweise ausreicht, die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerschuld zu tilgen, kann der Restbetrag unter Beachtung der bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen erlassen werden.
Hier wird kritisiert, dass es zu einer Doppelbelastung des Vermögens kommen kann, da ein Erbe eventuell auf erworbenes Privatvermögen bereits Erbschaft- oder Schenkungsteuer bezahlt hat. Auch müsste das Privatvermögen noch zusätzlich bewertet werden, was weitere Kosten bedeutet. Da es je nach Privatvermögen des jeweiligen Erben zu ganz unterschiedlichen effektiven Steuerbelastungen kommen kann, wird auch befürchtet, dass hieraus ein neuerlicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz resultiert.
Neuerungen bei der Lohnsummenregelung
Nach der Lohnsummenregelung in § 13a Abs. 1 ErbStG dürfen im Rahmen der Regelverschonung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschritten werden. Ausgangslohnsumme ist hierbei die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Jahr der Entstehung der Steuer. Die Vergünstigung fällt bei Verstoß prozentual zum bereits abgelaufenen Fünf-Jahreszeitraum weg. Bei der Optionsverschonung gelten eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren sowie eine Lohnsumme von 700 %.
Bisher wurde die Lohnsummenregelung erst bei mehr als 20 Arbeitnehmern angewandt; diese Vergünstigung wurde vom BVerfG als verfassungswidrig eingestuft und soll nun auch entfallen. Stattdessen soll auf die Prüfung der Lohnsummenregelung bei Unternehmen mit einem Unternehmenswert von unter 1 Mio. € verzichtet werden. Die Regelungen zu den Haltefristen sollen jedoch auch bei diesen Unternehmen zu beachten sein.
Hier bemängelt der IDW, dass bei der 1-Mio.-€-Grenze insoweit der Zusammenhang mit der Anzahl der schutzwürdigen Arbeitsplätze fehle.
FAZIT: Derzeitige Reformpläne mehr als ein „minimal-invasiver Eingriff“
Die derzeitigen Planungen des BMF gehen über einen „minimal-invasiven Eingriff“ in die Gesetzgebung, wie ursprünglich von Finanzminister Wolfgang Schäuble angekündigt, hinaus. Insbesondere die Grenze von 20 Mio. € für die Anwendung der aufwendig ausgestalteten Bedürfnisprüfung liegt deutlich unter dem Vorschlag des BVerfG. Allerdings dürfte die breite Masse der Unternehmen nicht von der Regelung betroffen sein, sollte sie entsprechend umgesetzt werden. Dem Vernehmen nach stellen die Eckpunkte jedoch nur eine Diskussionsgrundlage dar, das Endergebnis kann sich also noch ändern. Noch offen ist darüber hinaus, inwieweit die Neuregelungen auch eine Rückwirkung entfalten. Das BVerfG lässt diese bei einer „exzessiven“ Ausnutzung der derzeit noch geltenden Regelungen ausdrücklich zu. Somit besteht also für Übertragungen nach den derzeit ggf. noch günstigeren Regelungen grundsätzlich Unsicherheit.
Thorsten Wagemann, Steuerberater, Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)
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