Stellen Kosten für eine Bankbürgschaft (sog. Avalkredit) Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG dar? Nach dem BFH zählen zu den Schuldzinsen auch Provisionen und Gebühren für eine Bürgschaft, wenn damit die Rückzahlung eines betrieblichen Darlehens gesichert wird. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung um eine Vergütung für die Überlassung von Kapital handelt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 31.08.2022 (X R 15/21) entschieden, dass für eine Bürgschaft gezahlte Provisionen und Gebühren auch zu den Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG zählen, wenn die Bürgschaft der Absicherung eines betrieblich genutzten Darlehens dient.
Als Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG gelten demnach alle Kosten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger führte als Einzelunternehmer eine Tankstelle, die er von einem Mineralölunternehmen gepachtet hatte. Das Mineralölunternehmen verpflichtete den Kläger, zur Sicherung aller Forderungen aus der Geschäftsverbindung eine Bankbürgschaft zu stellen.
Der Kläger schloss daraufhin mit einer Bank einen „Kreditvertrag für Avalkredite“ in der geforderten Höhe ab. Zur Absicherung einer etwaigen Rückgriffforderung musste der Kläger noch eine Ausfallbürgschaft eines weiteren Kreditinstituts stellen.
Sowohl für den Avalkredit als auch für die Ausfallbürgschaft fielen Provisionen und Gebühren an, die der Kläger gewinnmindernd als Betriebsausgaben erfasste. In den Streitjahren tätigte der Kläger jeweils Überentnahmen, eine Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG nahm er jedoch nicht vor.
Nach zunächst erklärungsgemäßer Veranlagung änderte das Finanzamt später die Bescheide und erhöhte den Gewinn aufgrund von nicht abziehbaren Schuldzinsen gem. § 4 Abs. 4a EStG. Diese bestünden zum einen aus Zinsaufwendungen für kurzfristige Verbindlichkeiten sowie zum anderen aus den Provisionen und Gebühren für den Avalkredit und die Ausfallbürgschaft.
Der gegen die Änderungsbescheide eingelegte Einspruch sowie die später vor dem Finanzgericht (FG) eingelegte Klage blieben ohne Erfolg. Der BFH sah die Revision jedoch als begründet an und wies die Sache für weitere Tatsachenfeststellungen an das FG zurück.
Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG
Gemäß § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Als Überentnahmen werden Entnahmen definiert, die die Summe des Gewinns sowie die Einlagen des jeweiligen Wirtschaftsjahrs übersteigen.
Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden dabei typisiert mit 6 % der Überentnahmen des Wirtschaftsjahrs zzgl. der Überentnahmen der vorhergehenden Wirtschaftsjahre und abzgl. der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt.
Dieser so ermittelte Hinzurechnungsbetrag wird jedoch maximal auf die tatsächlich angefallenen Schuldzinsen vermindert und auf 2.050 € begrenzt. Die Vorschrift soll somit übermäßige Betriebsausgabenabzüge von Schuldzinsen verhindern, die mittelbar der Finanzierung von außerbetrieblichen Vorgängen gedient haben.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Als Schuldzinsen gelten alle Leistungen in Geld oder in Geldwert, die ein Schuldner für die Überlassung von Kapital aufwendet. Zudem gelten auch Kosten als Schuldzinsen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können und die der Erlangung oder Sicherung des Kredits dienen.
Grundsätzlich sind auch Provisionen und Gebühren, die für die Gewährung einer Bürgschaft gezahlt werden, unter diesen Begriff zu subsummieren, wenn durch die Bürgschaft die Rückzahlung von Fremdkapital gesichert wird.
Der BFH wies die Sache dennoch an das FG zurück, da die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichend seien, um die Qualifikation der Provisionen und Gebühren als Schuldzinsen zu rechtfertigen. Das FG muss daher nochmals prüfen, ob die Bürgschaft tatsächlich der Überlassung von Fremdkapital gedient hat.
Praxishinweis: Der Begriff der Schuldzinsen wird seitens der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung sehr weit ausgelegt. Bei Provisionen und Gebühren im Zusammenhang mit einer Bürgschaft ist jedoch zu unterscheiden, ob diese tatsächlich der Erlangung von Fremdkapital gedient hat, oder ob die Bürgschaft vielmehr zur Absicherung der fristgerechten Zahlung für eine Ware (wie im Streitfall das Mineralöl) diente.
BFH, Urt. v. 31.08.2022 - X R 15/21
Erstellt von Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)