Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 18.10.2024 in 2./3. Lesung das Jahressteuergesetz (JStG) 2024 beschlossen (auf der Grundlage der Empfehlungen des Finanzausschusses, BT-Drucks. 20/13419). Gegenüber dem Gesetzentwurf enthält der Beschluss fast 60 Änderungen. Die abschließende Befassung des Bundesrats ist für November 2024 vorgesehen.
Mit dem JStG 2024 sollen Anpassungen in verschiedenen Bereichen des Steuerrechts umgesetzt werden. Enthalten ist eine Vielzahl thematisch nicht oder nur teilweise miteinander verbundener Einzelmaßnahmen.
Auch im Gesetzesbeschluss (weitgehend) unverändert enthalten sind insbesondere folgende Regelungen des Gesetzentwurfs (vgl. hier unseren Beitrag zum Regierungsentwurf des JStG 2024):
- Photovoltaikanlagen (§ 3 Nr. 72 Satz 1 EStG): Erhöhung der zulässigen Bruttoleistung von 15 kW (peak) auf 30 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit für ab 2025 angeschaffte Anlagen
- Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG)
- gesetzliche Verstetigung der 150-€-Vereinfachungsregelung für Bonusleistungen für gesundheitsbewusstes Verhalten (§ 10 Abs. 2b EStG)
- Konzernklausel beim Steueraufschub für Vermögensbeteiligungen von Arbeitnehmern (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG)
- Anpassungen im Bereich der Kleinunternehmerbesteuerung ab dem 01.01.2025 (§§ 19, 19a UStG)
- Abschaffung der Sonderregelungen für einbringungsgeborene Anteile mit Wirkung zum 01.01.2025 (§ 27 Abs. 3 UmwStG)
Änderungen im Rahmen des Beschlusses des Bundestags
Auf folgende Änderungen und Ergänzungen im Gesetzesbeschluss ist insbesondere hinzuweisen:
1. Lohn-/Einkommensteuer
Streichung Mobilitätsbudget/Pauschalierung
Statt der Einführung eines Mobilitätsbudgets wird die Bundesregierung gebeten, Vorschläge über ganzheitlich steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vereinfachungen bei Sachbezügen sowie weitere Typisierungen und Pauschalierungen bei Arbeitnehmereinkünften zu erarbeiten.
Verluste aus Termingeschäften und Forderungsausfällen
§ 20 Abs. 6 Satz 5 und 6 EStG und die darin enthaltenen Verlustausgleichsbeschränkungen werden für alle offenen Fälle aufgehoben. Mit der Streichung des gesonderten Verlustverrechnungskreises für Termingeschäfte und der betragsmäßigen Beschränkung (20.000 €) der Verrechenbarkeit von Verlusten aus Forderungsausfällen soll dem Vereinfachungsaspekt der Abgeltungsteuer wieder mehr Bedeutung zukommen. Gleichzeitig soll den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verlustverrechnungsbeschränkung damit Rechnung getragen werden, vgl. BFH, Beschluss v. 07.06.2024 - VIII B 113/23 (AdV).
Grundstücksspekulation
Der BFH hat mit Urteil vom 26.09.2023 - IX R 13/22 den entgeltlichen Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft nicht als anteilige Anschaffung eines zur Gesamthand einer Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks gewertet. Damit ist der BFH sowohl von seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 20.04.2004 - IX R 5/02, BStBl II 2004, 987) als auch von der Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben v. 14.03.2006 - IV B 2 - S 2242 - 7/06, BStBl I 2006, 253, Rdnr. 43) abgewichen. Zur Verhinderung von Gestaltungen wird die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG klarstellend auf die Anschaffung und Veräußerung von Anteilen an Gesamthandsgemeinschaften, und damit insbesondere von Anteilen an Erbengemeinschaften, ausgedehnt. Die Regelung gilt in allen offenen Fällen.
Rentenbesteuerung
Rentenzahlungen aus Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht wurden bisher nicht den Kapitalerträgen zugeordnet, sondern mit dem sog. Ertragsanteil (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) versteuert. Der BFH interpretiert § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG nach der bisher nicht im BStBl veröffentlichten Entscheidung vom 01.07.2021 - VIII R 4/18 jedoch dahingehend, dass Rentenzahlungen aus einem vor dem 01.01.2005 abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung zuzuordnen sind. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung ist künftig ausdrücklich für Leistungen aus Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht nur insoweit weiterhin anzuwenden, als die Kapitalauszahlung gewählt wird. Die Übergangsregelung in § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG wird insoweit konkretisiert.
Kinderbetreuungskosten
Nach der bisherigen Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG können zwei Drittel der Aufwendungen für Kinderbetreuung, höchstens 4.000 € je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Als familienpolitische Maßnahme werden ab dem Veranlagungszeitraum 2025 die Begrenzung auf 80 % der Aufwendungen und der Höchstbetrag auf 4.800 € je Kind erhöht.
Unterhaltsleistungen
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, wird auf Antrag die Einkommensteuer nach § 33a Abs. 1 EStG dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zur Höhe des Grundfreibetrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Derzeit wird der Abzug der Unterhaltsaufwendungen neben der Zahlung per Überweisung auch bei anderen Zahlungswegen (z.B. bei Mitnahme von Bargeld bei Familienheimfahrten oder in Einzelfällen bei Geldtransfer durch eine Mittelsperson) zugelassen. Mit der Einfügung von Satz 12 in § 33a Abs. 1 EStG soll ein Abzug von Unterhaltsleistungen nur bei Zahlung durch Banküberweisung anerkannt werden.
Haushaltsnahe Dienstleistungen
Die Vorschrift des § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG wird dahingehend geändert, dass für die Inanspruchnahme aller in § 35a Abs. 2 und 3 EStG genannten Steuerermäßigungen der Erhalt einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ist. Die gesetzliche Anpassung erfolgt angesichts des BFH-Urteils vom 12.04.2022 - VI R 2/20 in Bezug auf Pflege- und Betreuungsleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG, da hiernach für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung weder Voraussetzung sei, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten habe, noch in den Zahlungsvorgang ein Kreditinstitut eingebunden gewesen sei.
Nachweis einer Behinderung
Der Nachweis einer Behinderung ist bislang durch Vorlage eines Feststellungsbescheids der nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde oder durch Vorlage des Ausweises nach dem Sozialgesetzbuch IX in Papierform zu erbringen (§ 65 Abs. 1 und 2 EStDV). Ab dem 01.01.2026 setzt die Gewährung des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b Abs. 3 EStG) bei Neufeststellungen zwingend eine elektronische Datenübermittlung der für die Feststellung einer Behinderung zuständigen Stelle (Versorgungsverwaltung) an die zuständige Finanzbehörde voraus. Dies gilt auch, wenn die Feststellung einer Behinderung geändert wird. Vor diesem Zeitpunkt bereits ausgestellte und noch gültige Ausweise/Bescheinigungen oder Bescheide in Papierform werden jedoch weiter berücksichtigt, es sei denn, die Feststellungen ändern sich vor Ablauf der Gültigkeit.
2. Umsatzsteuer
Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen
Die ursprünglich im Entwurf vorgesehene Reform der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen fällt deutlich kleiner aus. Durch die nun vorgesehenen Änderungen wird § 4 Nr. 21 UStG an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG gilt für "die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen". Anders als ursprünglich vorgesehen bleibt das Bescheinigungsverfahren erhalten. Die zuständige Landesbehörde muss bescheinigen, dass die vorgenannten Einrichtungen "Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen".
Darüber hinaus wird der Umfang der begünstigten Leistungen von derzeit "Leistungen, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten" auf "Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen" ausgedehnt.
Ferner erfolgt ergänzend in § 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. c UStG eine Befreiung des "von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht[s]" von der Mehrwertsteuer. Der Begriff des Privatlehrers umfasst nur natürliche Personen.
Die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen bleiben unverändert umsatzsteuerfrei.
Streichung der Umsatzsteuerbefreiung für Sport
Es erfolgt eine weitere fachliche Prüfung der Erweiterung der Befreiung im Sportbereich. Etwaige notwendige Anpassungen der geltenden Rechtslage werden für ein anderes geeignetes Gesetzgebungsverfahren vorgesehen.
Verschiebung der Änderung des Vorsteuerabzugs bei Ist-Versteuerern
Die Änderungen zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung eines Ist-Versteuerers sollen erst zum 01.01.2028 in Kraft treten. Der Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug von einem Istversteuerer (§ 20 UStG) soll künftig erst dann möglich sein, wenn (und soweit) eine Zahlung auf die ausgeführte Leistung geleistet worden ist.
3. Sonstige Rechtsgebiete
Wirtschafts-Identifikationsnummer
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme im Hinblick auf die stufenweise Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c AO um Prüfung gebeten, ob § 93c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und d AO angepasst werden sollte. Nach § 93c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d AO entfällt die Steuernummer als Pflichtangabe bei der Datenübermittlung, sobald eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c AO vergeben wurde.
Nach dem Gesetzesbeschluss ist es erforderlich, angesichts der stufenweisen Einführung und Mitteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer jede nach der Abgabenordnung oder anderen steuerlichen wie auch außersteuerlichen Gesetzen gebotene Erhebung, Aufzeichnung und Mitteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer so lange auszusetzen, bis ein maschinelles Anfrageverfahren zur Wirtschafts-Identifikationsnummer zum Einsatz kommt (§ 15 EGAO).
Niedrigerer Grundsteuerwert
Durch einen neuen § 220 Abs. 2 BewG wird eine Nachweismöglichkeit eines niedrigeren gemeinen Werts für Zwecke der Grundsteuer eingeführt, wen der ermittelte Grundsteuerwert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit zum Feststellungszeitpunkt abweicht. Davon ist auszugehen, wenn der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt.
Mit Beschlüssen vom 27.05.2024 - II B 78/23 (AdV), BStBl II 2024, 543, und II B 79/23 (AdV), BStBl II 2024, 546, hat der BFH in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Aussetzung der Vollziehung) im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Regelungen des Bewertungsgesetzes entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen.
Erbfallkostenpauschale
Aufgrund der allgemeinen Kostensteigerungen deckt der zuletzt im Jahr 1996 angepasste Erbfallkostenpauschbetrag in der Mehrzahl der Fälle die von den Erben tatsächlich zu tragenden Beerdigungskosten nicht mehr ab. Mit der Erhöhung des Erbfallkostenpauschbetrags auf 15.000 € kann ein individueller Kostennachweis in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden, ohne dabei die Grenzen der Typisierung zu überschreiten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG).
Hinweis: Ebenso beschlossen hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 und dabei den Gesetzentwurf (BT-Drucks. 20/12783) in unveränderter Form angenommen. Mit den geplanten Änderungen soll die steuerliche Freistellung des Existenzminimums für das Jahr 2024 rückwirkend und endgültig sichergestellt werden. Die zeitnahe Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetz ist zu erwarten, so dass sich Beschäftigte im Dezember 2024 auf eine kleine Lohnsteuerentlastung freuen können. Bereits zugestimmt hat der Bundesrat dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz, das u.a. eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen enthält (BR-Drucks. 474/24).