Juni 2024: Regierungsentwurf für das Jahressteuergesetz 2024 beschlossen

Nur wenige Wochen nach dem Referentenentwurf hat das Bundeskabinett am 05.06.2024 den Regierungsentwurf für das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) beschlossen, der nun in Bundestag und Bundesrat eingebracht wird.

Mit dem Gesetz sollen Anpassungen in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts umgesetzt werden. Dies betrifft insbesondere die Anpassung an EU-Recht und EuGH-Rechtsprechung sowie Reaktionen auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH.

Enthalten ist eine Vielzahl thematisch nicht oder nur teilweise miteinander verbundener Einzelmaßnahmen. Einige Änderungen gegenüber dem Vorentwurf hat die Bundesregierung vorgenommen, u.a. ist die Verlängerung der Tarifermäßigung für die Land- und Forstwirtschaft gestrichen worden.

Aus unserer Sicht ist aus der Vielzahl der im endgültigen Entwurf enthaltenen Maßnahmen aktuell insbesondere auf folgende steuerliche Regelungen bzw. Regelungsbereiche hinzuweisen:

Einkommensteuer

  • Photovoltaikanlagen (§ 3 Nr. 72 Satz 1 EStG-E): Geplant ist eine Erhöhung der zulässigen Bruttoleistung von 15 kW (peak) auf 30 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit für ab 2025 angeschaffte Anlagen. Zudem soll klargestellt werden, dass es sich bei der Steuerbefreiung um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag handelt.
  • Ausgleichsposten bei Entstrickung (§ 4g Abs. 1 Satz 4 EStG-E): Durch die Änderung sollen die Regelungen zur Bildung und Auflösung eines Ausgleichspostens in allen offenen Fällen entsprechend anzuwenden sein, wenn es aufgrund einer Umwandlung zu einer Aufdeckung stiller Reserven infolge der Beschränkung oder des Ausschlusses des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland kommt.
  • Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG-E): Als Reaktion auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 28.11.2023 - 2 BvL 8/13) ist eine Ergänzung vorgesehen, dass der Buchwert auch anzusetzen ist, wenn ein Wirtschaftsgut "unentgeltlich zwischen den Gesamthandvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften derselben, identisch beteiligten Mitunternehmer" übertragen wird. Das soll in allen offenen Fällen gelten.
  • Gebäudeabschreibung (§ 7a Abs. 9 EStG-E): Die Regelung wird an den durch das Wachstumschancengesetz neu eingefügten § 7 Abs. 5a EStG und die dort geregelte Wiedereinführung der degressiven Gebäudeabschreibung (5%) angepasst. Nach Ablauf des maßgebenden Begünstigungszeitraums einer Sonderabschreibung (wie z.B. der Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG) kann sich die weitere AfA auch nach § 7 Abs. 5a EStG (Restwert und dem nach § 7 Absatz 5a EStG maßgebenden Prozentsatz) bemessen.
  • Gesetzliche Verstetigung der 150-EUR-Vereinfachungsregelung für Bonusleistungen für gesundheitsbewusstes Verhalten (§ 10 Abs. 2b EStG-E): Auf der Grundlage von § 65a SGB V erbrachte Bonusleistungen sollen dauerhaft bis zu einer Höhe von 150 EUR pro versicherte Person und Beitragsjahr nicht als Beitragserstattung gelten. Um eine administrativ komplexe Aufteilung insbesondere in Fällen pauschaler Ausgestaltung der Bonusmodelle bei gleichzeitig regelmäßig sehr geringer steuerlicher Auswirkung im Einzelfall zu vermeiden, war bereits entsprechend im Wege einer Verwaltungs­regelung (BMF-Schreiben vom 16.01.2021, BStBl I, 2022, 155 und vom 07.10.2022, BStBl I, 2022, 1437) eine bis zum 31.12.2024 gültige Vereinfachungsregelung geschaffen worden. Ergänzend soll der Steuerpflichtige zukünftig nachweisen können, dass Bonuszahlungen in Höhe des übersteigenden Betrages nicht als Beitragserstattung zu qualifizieren sind.

Lohnsteuer

  • Vermögensbeteiligungen von Arbeitnehmern (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG-E): Der Anwendungsbereich der Steuervergünstigung des § 19a EStG soll rückwirkend ab 2024 auch auf die Übertragung von Anteilen an Konzernunternehmen erweitert werden. Zukünftig sollen geldwerte Vorteile aus Vermögensbeteiligungen auch aufgeschoben besteuert werden können, wenn Anteile an verbundenen Unternehmen übertragen werden.

Tipp: Im jüngst veröffentlichten BMF-Schreiben zur Mitarbeiter­kapitalbeteiligung (BMF-Schreiben vom 01.06.2024, IV C 5 - S 2347/24/10001 :001 ist diese Möglichkeit noch nicht enthalten.

  • Lohnsteuerfreibeträge (§ 39a Abs. 2 EStG): Der Starttermin 01.10. für das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren des Folgejahres wurde noch für das Verfahren der Papierlohnsteuerkarte festgelegt und ist durch die Einführung der ELStAM nach Ansicht des Gesetzgebers überholt. Durch die Verschiebung des Starttermins auf den 01.11. soll zukünftig ein rechtzeitiger und qualitätsgesicherter Programmeinsatz gewährleistet werden.      
  • Pauschalbesteuerung von Mobilitätsbudgets (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG-E): Vorgesehen ist eine Pauschalierungsmöglichkeit, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Leistungen aus einem sog. Mobilitätsbudget zur Nutzung verschiedener Verkehrsmittel gewähren. Die Regelung soll ab Gesetzesverkündung gelten.
  • Inanspruchnahme Pauschalbesteuerung (§ 40 Abs. 4 EStG-E): Gleichzeitig mit der neuen Pauschalierungsmöglichkeit soll auch das Verfahren der Inanspruchnahme für alle Pauschalierungsvorschriften neu geregelt werden. Die Ausübung hat nunmehr grundsätzlich durch Übermittlung bzw. Abgabe einer entsprechenden Lohnsteuer-Anmeldung zu erfolgen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 01.09 2021 - VI R 38/19).

Körperschaftsteuer und Umwandlungssteuer

  • Übergang zum Halbeinkünfteverfahren (§ 34 Abs. 11, § 36 Abs. 4, Abs. 6 KStG-E): Nach Beschluss des BVerfG (vom 24.11.2022, 2 BvR 1424/15) war die bisherige Regelung verfassungswidrig, soweit sie zu einem Verlust von Körperschaft-steuerminderungspotential führt, weil sie den in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichneten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals - EK 04 - nicht in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge einbezieht. Durch die Änderung ist bei noch nicht bestandskräftigem Fällen in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge des EK 0 (EK 01 – EK 03) ein positiver Bestand von EK 04 einzubeziehen.
  • Einlagefiktion (§ 5 Abs. 2 UmwStG-E): Anteile an der übertragenden Körperschaft, die an dem steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zu einem Betriebsvermögen eines Gesellschafters der übernehmenden Personengesellschaft oder einer natürlichen Person gehören, gelten für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses als an diesem Stichtag in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers mit den Anschaffungskosten eingelegt.
  • Behandlung einbringungsgeborener (§ 27 Abs. 3 UmwStG-E und § 17 Abs. 6 EStG-E): § 27 Abs. 3 UmwStG regelt die Fortgeltung bestimmter Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes in der Fassung des StSenkG v. 23.10.2000 (BGBl. I S. 1433) für einbringungsgeborene Anteile. Diese Sonderregelungen werden mit Wirkung zum 01.01.2025 abgeschafft. Die ehemals einbringungsgeborenen Anteile werden in den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 6 EStG überführt. Bisher erfasst die Vorschrift in den Fällen der Sacheinlage nur Anteile unter 1%, die im zeitlichen Anwendungsbereich des SEStEG liegen, also aufgrund einer Sacheinlage nach dem 12.12.2006 entstanden sind. Zukünftig unterfallen – unabhängig vom Zeitpunkt der Einbringung – grundsätzlich alle Beteiligungen unter 1%, die im Zuge eines (steuerbegünstigten) Anteilstauschs oder einer (steuerbegünstigten) Sacheinlage nach den Vorschriften des UmwStG entstanden sind, dem Anwendungsbereich.

Umsatzsteuer

  • Neufassung der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG-E) ab dem 01.01.2025: Durch die Neufassung sollen die Vorgaben und die Terminologie der MwStSystRL in das nationale Umsatzsteuerrecht übernommen und die Vorschrift an die Rechtsprechung des EuGH angepasst werden. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung deutlich ausgeweitet. Das bisherige Bescheinigungsverfahren wird abgeschafft. Im Bereich der Fortbildung setzt die Steuerbefreiung voraus, dass keine systematische Gewinnerzielung angestrebt wird.
  • Umfassende Anpassungen im Bereich der Kleinunternehmerbesteuerung ab dem 01.01.2025 (§ 19a UStG-E): Die Neuregelung dient der Umsetzung der sog. Kleinunternehmer-Richtlinie (RL (EU) 2020/285). Sie ermöglicht es künftig auch im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern, die Kleinunternehmer­regelung in Deutschland anzuwenden. Damit im Inland ansässige Unternehmer die Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch nehmen können, wird mit § 19a UStG ein besonderes Meldeverfahren eingeführt. Der daran teilnehmende Unternehmer muss für jedes Kalendervierteljahr eine Umsatzmeldung abgeben und auf elektronischem Weg mittels amtlich vorgeschriebenem Datensatz an das BZSt übermitteln. Von inländischen Kleinunternehmern bewirkte Umsätze werden von der USt befreit, es wird also eine echte (den Vorsteuerabzug ausschließende) Steuerbefreiung eingeführt. Voraussetzung für die Befreiung ist, dass der inländische Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 EUR nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 EUR nicht überschreitet. Wird der untere inländische Grenzwert im laufenden Kalenderjahr überschritten, kommt im Folgejahr eine Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nicht mehr in Betracht.
  • Vorsteuerpauschale für Land- und Forstwirte (§ 24 UStG): Der Durchschnittssatz und die Vorsteuerpauschale für Land- und Forstwirte sollen noch für 2024 auf 8,4 % abgesenkt werden. Die Änderung war bereits im Entwurf des Wachstumschancen-gesetzes vorgesehen. Für das Jahr 2025 ist eine weitere Absenkung auf 7,8 % geplant.
  • Verlängerung der Übergangsfrist zur Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG für die Besteuerung der öffentlichen Hand (§ 27 Abs. 22a Satz 1 UStG-E): Sie wird (erneut) um 2 Jahre bis einschließlich 31.12.2026 verlängert.

Sonstiges

  • Behandlung von Nachlassverbindlichkeiten in Fällen der beschränkten Steuerpflicht zur Erbschaftsteuer (§ 10 Abs. 6 und 6b ErbStG-E): Nachdem der EuGH entschieden hat, dass die bisher geregelte Nichtabzugsfähigkeit von Pflichtteilsverbindlichkeiten bei beschränkter Steuerpflicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt (EuGH, Urteil v. 21.12.2021, Rs. C-394/20), soll mit dem Inkrafttreten des JStG eine anteilige Abzugsfähigkeit von Nachlassverbindlichkeiten in Fällen der beschränkten Steuerpflicht geregelt werden. Ein Abzug soll entsprechend dem Anteil, mit dem der Vermögensanfall der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt, möglich sein.
  • Vergünstigte Vermietung an hilfsbedürftige Personen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr 27 AO-E): In den Katalog der gemeinnützigen Zwecke soll die vergünstigte Wohnraumüberlassung an aufgenommen werden. Die Hilfebedürftigkeit der Mieter muss zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen. Die Miete muss dauerhaft unter der marktüblichen Miete angesetzt werden. Es reicht aus, wenn die jeweilige Wohnung zu einem Mietzins vermietet wird, der nur die tatsächlichen Aufwendungen einschließlich der regulären Absetzung für Abnutzung deckt und keinen Gewinnaufschlag enthält.

Tipp: Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist in der zweiten Jahreshälfte 2024 zu erwarten. Die in der Presse und vom Bundesfinanzminister thematisierten Steuerentlastungen beim Einkommensteuertarif sind nicht im Jahressteuergesetz enthalten, sondern sollen mit einem gesonderten Entwurf umgesetzt werden.

 

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