Geschäftsveräußerung im Ganzen und Organschaft

Wann liegt eine umsatzsteuerfreie Geschäftsveräußerung im Ganzen vor? Nach dem BFH reicht allein die Gesellschafterstellung in einer GmbH nicht aus, um eine für die Geschäftsveräußerung im Ganzen erforderliche selbständige wirtschaftliche Tätigkeit der Veräußerin fortführen zu können. Etwas anderes gilt, wenn die bisherige Organträgerin die Anteile an der GmbH an die neue Organträgerin überträgt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob eine Geschäftsveräußerung bereits dann besteht, wenn alle Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden oder die Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft in einen Konzern eingebunden wird.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Die klagende A GmbH & Co. KG (A) war alleinige Gesellschafterin der B-GmbH, an welche sie Betriebsgrundstücke steuerpflichtig vermietet hat. Kommanditist der A, Gesellschafter der Komplementärin der A und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A und der B-GmbH war W.

Darüber hinaus war A umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der B-GmbH. Des Weiteren verkaufte A, ohne zur Umsatzsteuer zu optieren, ihre Beteiligung an der B-GmbH überwiegend an eine D GmbH. Einen geringen Teil der Anteile brachte A im Wege der Sachkapitalerhöhung in die D GmbH ein, so dass sie seitdem zu 25,1 % an der D GmbH beteiligt ist.

Für dieses Geschäft hat A Beratungsleistungen in Anspruch genommen und setzte die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Mit dem Finanzamt entstand Streit über die Vorsteuerabzugsberechtigung. Einspruch und Klage blieben erfolglos, der BFH sah dies anders.

Berechtigung zum Vorsteuerabzug

Einleitend stellt der BFH klar, dass A in Bezug auf die B-GmbH als geschäftsleitende Holding wirtschaftlich tätig ist; denn die nachhaltige und entgeltliche Vermietung eines Gebäudes durch eine Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaft stellt einen „Eingriff in die Verwaltung“ der Tochtergesellschaft dar, welcher als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist.

Als „Eingriffe einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft“ sind alle Umsätze anzusehen, welche eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden. Dies wäre auch ohne das Vorliegen einer Organschaft der Fall.

Zudem hat A als Organträgerin der B-GmbH bis zum Ende der Organschaft mit der B-GmbH durch Wegfall der finanziellen Eingliederung aufgrund der Anteilsübertragungen zusammen mit der B-GmbH als Organgesellschaft eine eigenunternehmerische Tätigkeit (Herstellung von Waren) ausgeübt, welche weder in der Vermietung des Betriebsgrundstücks noch im Halten der Beteiligung an der B-GmbH bestand.

Die Vermietung war damit ein nicht steuerbarer Innenumsatz. Ferner hat A die fraglichen Leistungen ebenfalls als Leistungsempfängerin bezogen. Allerdings konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, da die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht zur Beurteilung ausreichten, inwiefern die Veräußerung der Anteile an der B-GmbH an die D GmbH und die Einbringung der Anteile an der B-GmbH in die D GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einen steuerfreien Umsatz darstellt oder als Geschäftsveräußerung nicht steuerbar ist.

Steuerbefreiung für Anteilsübertragungen

Steuerfrei sind Umsätze mit Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen. Erfasst werden dabei insbesondere Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wie der B-GmbH, und die Einbringung (Sacheinlage) der Anteile in die D GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen.
Von dem grundsätzlich möglichen Verzicht auf die Steuerbefreiung wurde kein Gebrauch gemacht.

Nichtsteuerbarkeit als Geschäftsveräußerung im Ganzen

Im Gegensatz dazu unterliegen Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.

Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, welche als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann.

Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Inwiefern das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und inwieweit die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

Die Veräußerung sämtlicher Aktien an einer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sowie einer verbleibenden Beteiligung an einer beherrschten Gesellschaft, an der sie früher zu 100 % beteiligt war, kann eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens darstellen. Dies gilt auch, wenn sich die Aktienveräußerung in mehreren Schritten vollzieht.

Denn die Inhaberschaft von Anteilen an einem Unternehmen reicht im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieses Unternehmens nicht aus, um eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen zu können.

Eine Geschäftsveräußerung kann allerdings vorliegen, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung erworben worden ist, sofern die Eingriffe die Durchführung von Transaktionen einschließen, welche der Mehrwertsteuer unterliegen. Der Gesellschaftsanteil muss Teil einer eigenständigen Einheit sein, die eine selbständige wirtschaftliche Betätigung ermöglicht, und diese Tätigkeit muss vom Erwerber fortgeführt werden.

Allerdings hat nach Ansicht des BFH das FG nicht geprüft, ob zwischen der D GmbH und der B-GmbH eine Organschaft besteht. Denn für den Fall einer Organschaft wäre die Beteiligung an der B-GmbH ein Teilvermögen, dessen Übertragung zu einem nicht steuerbaren Vorgang führt und zum Vorsteuerabzug berechtigt. Daher wurde dieser Fall an das FG zurückverwiesen.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zur Geschäftsveräußerung im Ganzen weiter konkretisiert: Die Gesellschafterstellung in einer GmbH reicht im Gegensatz zur Inhaberschaft von Vermögenswerten dieser GmbH allein nicht aus, um eine für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen erforderliche selbständige wirtschaftliche Tätigkeit der Veräußerin fortführen zu können.

Falls hingegen die bisherige Organträgerin die Anteile an der GmbH an die neue Organträgerin überträgt, reicht dies für eine solche Fortführung der Tätigkeit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen aus. Künftig kommt damit der Begründung einer Organschaft für den Vorsteuerabzug eine größere Bedeutung zu.

BFH, Urt. v. 18.09.2019 - XI R 33/18

RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht

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