Steuerberaterhaftung wegen mangelhaften Jahresabschlusses

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Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird.

Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können.

Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln.

Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht.

Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist.

Der Fall: Steuerberater erstellte Jahresabschlüsse für insolvenzreife GmbH

Für eine GmbH erstellte ein Steuerberater den Jahresabschluss für das Jahr 2003 und weitere Folgejahre.

Die Jahresabschlüsse 2002 bis 2007 wiesen jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge auf. Als das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet wurde, verlangte der Insolvenzverwalter vom Steuerberater Schadenersatz wegen Insolvenzverschleppung, da die GmbH bereits bei Auftragsübernahme durch den Steuerberater insolvenzreif gewesen sei und über keine stillen Reserven verfügt hätte.

Das LG wies die Klage ab, die Berufung des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg, woraufhin er Revision einlegte.

BGH: Haftung, wenn mangelhaft erstellte Bilanzen ursächlich für Schaden

Laut BGH muss der Steuerberater Schadenersatz leisten, wenn die mangelhaft erstellten Bilanzen für den Schaden ursächlich waren und er es unterlassen hat, auf die sich aus dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ergebenden Risiken und die Möglichkeit eines Insolvenzgrunds hinzuweisen.

Der Steuerberater haftet für Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses. Der Inhalt eines erforderlichen Jahresabschlusses wird dabei weitgehend durch die gesetzlichen Anforderungen und die eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt.

Daher ist ein Jahresabschluss mangelhaft, wenn er angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Ein Steuerberater ist grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus die für die Fortführungsprognose erheblichen Tatsachen zu ermitteln.

Welche Informationen muss der Steuerberater beim Jahresabschluss beachten?

Vielmehr hat er den Jahresabschluss auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen.

Objektiv falsch ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Prognoseentscheidung feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums von einem Jahr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt werden wird.

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nach dem Gesetz der zunächst zu unterstellende Regelfall.

Eine Bewertung zu Liquidationswerten ist vorzunehmen, wenn feststeht, dass das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann.

Ist eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu erwarten?

Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, weil sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist, liegen regelmäßig tatsächliche Gegebenheiten i.S.d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, die der Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen.

Liegt ein Insolvenzgrund vor, ist für die handelsrechtliche Bilanzierung entscheidend, ob eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erwarten oder damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, bereits im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird.

Abzustellen ist darauf, ob die Unternehmenstätigkeit aufgrund der Insolvenzreife innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird.

Daher kann trotz eines Insolvenzgrunds eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird.

Wird in einem solchen Fall noch mit Fortführungswerten bilanziert, bedarf dies mithin der konkreten Begründung im Einzelfall.

Der Steuerberater darf dem von ihm erstellten Jahresabschluss keine Fortführungswerte zugrunde legen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entweder widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden.

Fehlende Fortführungsvermutung muss bei Jahresabschluss berücksichtigt werden

Steht bereits auf der Grundlage der dem Steuerberater für die Erstellung des Jahresabschlusses zur Verfügung gestellten Unterlagen und der ihm bekannten Umstände fest, dass die Fortführungsvermutung nicht mehr zutrifft, ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft.

Der Steuerberater muss bei pflichtgemäßem Verhalten aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die sichere Überzeugung gewinnen können, dass die Unternehmenstätigkeit - etwa aufgrund einer erkannten Insolvenzreife - nicht fortgeführt werden wird.

Die tatsächlichen Gegebenheiten, welche die Unternehmensfortführung verhindern können, sind hauptsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sobald Hinweise auf entsprechende Umstände vorliegen, ist die Fortführungsfähigkeit näher zu überprüfen.

Erkennt der Steuerberater Umstände, die geeignet sind, die implizite Fortbestehensprognose in Frage zu stellen, oder hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit solche Umstände erkennen müssen, ist die Stichhaltigkeit der Umstände zu prüfen, oder er muss dafür sorgen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt.

Übergibt die Gesellschaft dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Legt der Mandant nicht von sich aus ein Ergebnis einer Prüfung der Fortführungsaussichten vor, muss dies der Steuerberater anmahnen, wenn er das Risiko einer mangelhaften Bilanz ausschließen möchte.

Auch bei mangelfreiem Jahresabschluss können Hinweis- und Warnpflichten bestehen

Auch wenn der vom Steuerberater erstellte Jahresabschluss mangelfrei war, können ihn Hinweis- und Warnpflichten treffen. Diesen Vorgaben genügte der beklagte Steuerberater nicht.

Weil den bisherigen Feststellungen aber nicht zu entnehmen war, inwieweit ein etwaiger Schadenersatzanspruch des Insolvenzverwalters infolge eines Mitverschuldens des Geschäftsführers der Schuldnerin erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist, verwies der BGH den Rechtsstreit zurück ans Berufungsgericht.

Kommentar: Die Entscheidung des BGH ist für alle Steuerberater, Unternehmen und Insolvenzverwalter richtungsweisend, weil er die Grundsätze der Haftung für die Steuerberater wegen der Erstellung einer mangelhaften Bilanz im Insolvenzfall neu definiert. Damit sorgt der BGH für Rechtssicherheit.

RA FAfStR und HGesR StB Axel Scholz

 

Quelle: BGH vom 26.01.2017- IX ZR 285/14

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