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Abgeltungsteuer auf Erstattungszinsen?

Mit der Steuerpflicht von Erstattungszinsen als Kapitaleinnahmen im Rahmen der Abgeltungsteuer haben sich aktuell der BFH in drei Beschlüssen und das FG Niedersachsen in einem Urteil beschäftigt. Dem BFH liegen zu diesem Streitthema bereits drei Revisionen vor.

Hintergrund ist ein Urteil des BFH vom Juni 2010. Danach gehören Erstattungszinsen beim Empfänger unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung in den nichtsteuerbaren Bereich und daher nicht mehr zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Nach Auffassung des BFH unterliegen Erstattungszinsen nicht der Besteuerung, soweit sie auf Steuern entfallen, die selbst wie die Einkommensteuer nicht abziehbar sind. Sie sollen daher in denjenigen Fällen dem nichtsteuerbaren Bereich zugeordnet und somit steuerlich unbeachtlich sein, in denen die zugrundeliegende Steuer dem Abzugsverbot unterliegt und die Zinsen als steuerliche Nebenleistungen das Schicksal der Hauptforderung teilen. Doch diese Rechtsprechung wurde durch das Jahressteuergesetz 2010 wieder ausgehebelt: In allen Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, handelt es sich nach der neuen gesetzlichen Vorgabe - wie bei herkömmlichen Zinsen aus einer Anleihe - um sonstige Kapitalerträge.

Das FG Münster und das FG Schleswig-Holstein halten die durch das Jahressteuergesetz 2010 rückwirkend angeordnete Besteuerung von Zinsen, die der Fiskus auf Steuererstattungen zahlt, für verfassungsgemäß, auch wenn diese Zinsen auf Steuern entfallen, die nicht abziehbar sind. Es besteht nach Ansicht der Gerichte keine gesetzgeberische Pflicht zur Herstellung eines korrespondierenden Sonderausgabenabzugs für Nachzahlungszinsen. Darüber hinaus hatte der Gesetzgeber lediglich auf die geänderte Rechtsprechung des BFH reagiert, die dieser erst in einer Entscheidung aus dem Jahre 2010 aufgegeben hatte. Die Änderung stellt die vormals geltende Rechtslage wieder her und sorgt für Klarstellung. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Besteuerung unter der Abgeltungsteuer eine gegenüber dem Abzugsverbot für Aufwendungen im Privatbereich vorrangige Spezialregelung, die nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot verstößt.

Mittlerweile sind hierzu drei verschiedene Revisionen anhängig. Einsprüche, die auf die Revisionsverfahren gestützt werden, ruhen daher kraft Gesetzes. Betroffene Steuerzahler können ihre Fälle hierüber offenhalten. Auf Antrag gewähren die Finanzämter sogar die Aussetzung der Vollziehung. Zuvor müssen aber Erstattungszinsen in der Erklärung vollständig über die Anlage KAP angegeben werden.

Praxishinweis

Es ist eher wahrscheinlich, dass der BFH seine Rechtsprechungsänderung in den neu anhängigen Revisionsverfahren erneut bestätigen wird, dieses Mal unter Berücksichtigung der gesetzlichen Klarstellung. Zu entscheiden ist dabei, ob die Zinsen grundsätzlich besteuert werden dürfen, weil Nachzahlungszinsen weiterhin nicht abzugsfähig sind, und ob die Erfassung in allen offenen Fällen gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.

Erste Bedenken in dieser Richtung hat der BFH zumindest in zwei aktuellen Beschlüssen geäußert. Hiernach bestehen ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit der Gesetzesänderung zur Besteuerung von Erstattungszinsen, die rechtsprechungsbrechend und rückwirkend wirksam geworden ist. Der BFH verweist darauf, dass die Frage, ob zugeflossene Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen sind, in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten ist. Gegen die durch das Jahressteuergesetz 2010 eingefügte Neufassung des Gesetzes, die in allen Fällen anzuwenden ist, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, werden in Rechtsprechung und Literatur sowohl einfachrechtliche als auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Der BFH wiederholt in diesen - eher kurz gehaltenen Entscheidungen - seine bisherige Rechtsauffassung und betont, dass aus der gesetzlich geregelten Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen auch die Steuerfreiheit von Erstattungszinsen folgen muss. Allerdings bedarf es nach Ansicht des BFH hinsichtlich dieser umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht endgültig geklärten Fragen weiterer eingehender Prüfungen. Die abschließende Beurteilung bleibt daher den Hauptsacheverfahren vorbehalten - basierend auf den mittlerweile anhängigen Revisionsverfahren.

BFH, Beschl. v. 09.01.2012 - VIII B 95/11
BFH, Beschl. v. 22.12.2011 - VIII B 146/11
BFH, Beschl. v. 22.12.2011 - VIII B 190/11
BFH, Urt. v. 15.06.2010 - VIII R 33/07, BStBl 2011 II 503
FG Niedersachsen, Urt. v. 21.09.2011 - 5 K 332/06, Revision unter VIII R 48/11
FG Münster, Urt. v. 16.12.2010 - 5 K 3626/03 E, Revision unter VIII R 1/11
FG Baden-Württemberg, Urt. v. 29.01.2010 - 10 K 2720/09, Revision unter VIII R 36/10
FG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 01.06.2011 - 2 V 35/11

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 28.02.12