Wann kann das Wahlrecht zur Pauschalisierung der Lohnsteuer für geldwerte Vorteile bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausgeübt werden? Der BFH hat im Fall eines Jobtickets für Mitarbeiter geklärt, wann die Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG greift. Demnach ist ein nachträglicher Antrag des Arbeitgebers zur Ausübung des Wahlrechts im gerichtlichen Verfahren nicht mehr möglich.
Sachverhalt im Streitfall
Ein Arbeitgeber hatte mit mehreren Verkehrsbetrieben ein Rahmenabkommen geschlossen, durch das die Mitarbeiter ein nicht übertragbares Jahresjobticket erwerben konnten. Aufgrund dieses Abkommens zahlte der Arbeitgeber an die Verkehrsunternehmen für jeden Mitarbeiter einen Grundbetrag. Jeder Mitarbeiter, der das Jobticket nutzen wollte, zahlte für das Ticket einen monatlichen Eigenanteil. Lohnsteuer auf die Grundbeträge führte der Arbeitgeber nicht ab.
Das Finanzamt hielt diese Vorgehensweise für unzutreffend: Der geldwerte Vorteil für die Jobtickets ist nicht monatlich zugeflossen, sondern im Zeitpunkt der Überlassung der Karte – also einmal im Jahr. Daher ging das Finanzamt davon aus, dass die monatliche 44-€-Freigrenze, bis zu der geldwerte Vorteile lohnsteuerfrei bleiben, nicht mehr anwendbar war – der gesamte Betrag des jährlichen geldwerten Vorteils überstieg die 44-€-Freigrenze des Zahlungsmonats deutlich.
Das Finanzamt erließ daraufhin gegen den Arbeitgeber einen Haftungsbescheid und verlangte von diesem die nicht abgeführte Lohnsteuer. Der Arbeitgeber beantragte erstmals im Rechtsstreit vor dem Finanzgericht und damit nach Übertragung der jeweiligen Lohnsteueranmeldung die Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit 15 %. Das Finanzamt, das Finanzgericht und letztlich auch der BFH lehnten die Pauschalierung ab.
Voraussetzungen für das Pauschalierungswahlrecht
Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 15 % für Sachbezüge in Form der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erheben, soweit diese Bezüge den Betrag nicht übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als Werbungskosten geltend machen könnte, wenn die Bezüge nicht pauschal besteuert würden. Für diese Pauschalierung ist weder ein Antrag des Arbeitgebers noch eine Genehmigung durch das Finanzamt erforderlich: Das Wahlrecht wird durch die Anmeldung der Lohnsteuer ausgeübt, die mit einem Pauschsteuersatz erhoben wird.
Ausübung des Wahlrechts im Besprechungsfall
Nach Auffassung des BFH kann auf die kostenlose oder verbilligte Abgabe von Fahrkarten des öffentlichen Personennahverkehrs (Jobticket) grundsätzlich § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG angewendet werden. Allerdings hat der Arbeitgeber für den geldwerten Vorteil aus der verbilligten Überlassung der Jobtickets in keiner Lohnsteuer-Anmeldung pauschale Lohnsteuer angemeldet und abgeführt.
Vielmehr hat er den Antrag auf Lohnsteuerpauschalierung erstmals im Verfahren vor dem Finanzgericht gestellt. Diese Vorgehensweise berechtigt aber nicht zur Pauschalierung, weil ein solcher Antrag nicht in § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG vorgesehen ist. Diesen Antrag würdigt der BFH als eine bloße Absichtserklärung. Diese allein ist nicht dazu geeignet, die – nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG erforderliche – Erhebung der pauschalen Lohnsteuer im Rahmen der Lohnsteuer-Anmeldung zu ersetzen oder das Pauschalierungsverfahren nach § 40 Abs. 2 EStG zu beginnen.
Weil der Arbeitgeber das ihm grundsätzlich zustehende Wahlrecht nicht wirksam ausgeübt hatte, musste der BFH nicht entscheiden, ob ein erstmals im Klageverfahren ausgeübtes Pauschalierungswahlrecht gegenüber einem Haftungsbescheid geltend gemacht werden kann. Der BFH äußert in diesem Zusammenhang Zweifel, da eine andere zeitliche Begrenzung vorzunehmen sein könnte.
Diese Einschätzung begründet der BFH damit, dass für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung maßgeblich ist. Damit ist nicht auf die jeweilige Lohnsteueranmeldung abzustellen. Weil der Arbeitgeber im Besprechungsfall den Antrag jedoch auch nach diesem Zeitpunkt gestellt hatte, kam es auf diese Rechtsfrage nicht an, und der BFH ließ sie offen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BFH ist konsequent: Das vom Arbeitgeber geltend gemachte Antragsrecht ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, so dass der BFH den Antrag folgerichtig zurückgewiesen hat. Gleichwohl hat der BFH in diesem Zusammenhang angedeutet, dass er sich als entscheidenden Zeitpunkt für die Ausübung des Pauschalierungswahlrechts statt der Übertragung der Lohnsteueranmeldung auch den der Einspruchsentscheidung vorstellen könnte. Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern ein Jobticket zur Verfügung stellen wollen, sollten also bei Streitfragen künftig vorsorglich im Einspruchsverfahren einen Antrag auf Pauschalierung stellen, um dieses Wahlrecht nicht im Laufe des Gerichtsverfahrens zu verlieren.
BFH, Urt. v. 24.09.2015 - VI R 69/14
Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz