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BFH modifiziert Rechtsprechung bei Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung

Unterhaltsaufwendungen sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar, wenn die unterhaltene Person gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Allerdings setzt die Unterhaltsberechtigung insoweit zivilrechtlich die Unterhaltsbedürftigkeit der unterhaltenen Person voraus. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH konnte im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise die Bedürftigkeit der unterstützten Person dem Grunde nach unterstellt werden. Diese Rechtsprechung hat der BFH inzwischen aufgegeben.

  1. Voraussetzung für die Annahme einer gesetzlichen Unterhaltsberechtigung i.S.d. § 33a Abs. 1 EStG ist die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers i.S.d. § 1602 BGB. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise kann die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht typisierend unterstellt werden (Änderung der Rechtsprechung, BFH-Urt. v. 18.05.2006 - III R 26/05, BStBl II 2007, 108).
  2. Die konkrete Betrachtungsweise führt dazu, dass die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs (§§ 1601 bis 1603 BGB) vorliegen müssen und die Unterhaltskonkurrenzen (§§ 1606, 1608 BGB) zu beachten sind.
  3. Bei landwirtschaftlich tätigen Angehörigen greift die widerlegbare Vermutung, dass diese nicht unterhaltsbedürftig sind, soweit der landwirtschaftliche Betrieb in einem nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates üblichen Umfang und Rahmen betrieben wird (BFH, Urt. v. 05.05.2010 - VI R 29/09: Bestätigung des BFH-Urt. v. 13.03.1987 - III R 206/82, BStBl II 1987, 599).

Bei als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Unterhaltszahlungen an die im Ausland lebende Ehefrau sind im Rahmen einer bestehenden Ehegemeinschaft weder die Bedürftigkeit noch die sog. Erwerbsobliegenheit der Ehefrau zu prüfen (BFH, Urt. v. 05.05.2010 - VI R 5/09).

Mit den vorstehenden Urteilen hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Verwandte/Ehegatten modifiziert.

Unterhaltsaufwendungen sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar, wenn die unterhaltene Person gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind die Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem Zivilrecht unterhaltsverpflichtet ist. Dies sind u.a. Verwandte in gerader Linie (Kinder, Enkel, Eltern). Allerdings setzt die Unterhaltsberechtigung insoweit zivilrechtlich die Unterhaltsbedürftigkeit der unterhaltenen Person voraus (§ 1602 BGB). Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH konnte im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise die Bedürftigkeit der unterstützten Person dem Grunde nach unterstellt werden (sog. abstrakte Betrachtungsweise).

Diese Rechtsprechung hat der BFH im Urteil VI R 29/09 aufgegeben und entschieden, dass die Bedürftigkeit der unterhaltenen Person jeweils konkret zu bestimmen ist und nicht unterstellt werden kann. Bei der danach erforderlichen konkreten Betrachtungsweise sei auch zu berücksichtigen, dass für volljährige Kinder eine generelle Erwerbsobliegenheit bestehe. Mögliche Einkünfte aus einer unterlassenen Erwerbstätigkeit könnten deshalb der Bedürftigkeit entgegenstehen, falls eine Erwerbstätigkeit zumutbar sei. Im Streitfall ging es um den Abzug von Unterhaltsaufwendungen an in der Türkei lebende erwachsene Kinder des Steuerpflichtigen.

Mit dem Urteil VI R 5/09 hat der BFH entschieden, dass bei als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Unterhaltszahlungen an die im Ausland lebende Ehefrau weder die Bedürftigkeit noch die Erwerbsobliegenheit der Ehefrau zu prüfen seien. Anders als der Verwandtenunterhalt werde der Ehegattenunterhalt zivilrechtlich auch jenseits der Bedürftigkeit geschuldet. Der haushaltsführende Ehegatte sei nicht verpflichtet, zunächst seine Arbeitskraft zu verwerten. Im zugrundeliegenden Fall unterstützte der Steuerpflichtige seine nichtberufstätige Ehefrau, die mit den in Ausbildung befindlichen Kindern in Bosnien-Herzegowina lebte.

Hinweis: Erst vor kurzem hat sich das BMF mit Schreiben vom 07.06.2010 (BStBl I 2010, 588) mit den Grundsätzen zum Abzug von Unterhaltszahlungen befasst. Mit Blick auf die vorliegende Rechtsprechung ist dazu Folgendes anzumerken:

Die Verwaltung geht bisher davon aus, dass das Einbringen der eigenen Arbeitsleistung dann nicht zu prüfen ist, wenn die unterstützte Person unbeschränkt steuerpflichtig ist (vgl. auch R 33a.1 Abs. 2 EStR). Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen wird die Abziehbarkeit der Unterhaltsaufwendungen innerhalb der Höchstbeträge des § 33a Abs. 1 EStG steuerrechtlich nur begrenzt durch die Berücksichtigung von eigenem Vermögen und die Anrechnung von eigenen Einkünften und Bezügen. Obwohl das vorliegende Urteil VI R 29/09 zu einem Auslandssachverhalt ergangen ist, ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, dass die Erwerbsobliegenheit auch dann zu prüfen ist, wenn der Unterhaltsempfänger unbeschränkt steuerpflichtig ist. Insoweit besteht insbesondere für volljährige Kinder eine generelle Erwerbsobliegenheit, es sei denn, dieser kann aufgrund besonderer Umstände wie z.B. Krankheit, Behinderung oder Arbeitslosigkeit, trotz ordnungsgemäßer Bemühung um eine Beschäftigung, nicht Folge geleistet werden.

Ist die unterstützte Person dagegen nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, kommt es laut Verwaltung generell darauf an, ob die Unterhaltsleistungen notwendig und angemessen sind. Bei Personen im erwerbsfähigen Alter im Ausland ist davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Für diesen Personenkreis sind daher grundsätzlich keine Unterhaltsaufwendungen anzuerkennen (Rdnr. 8 des BMF-Schreibens v. 07.06.2010, BStBl I 2010, 588). Nach Rdnr. 9 des o.g. BMF-Schreibens darf der Einsatz der eigenen Arbeitskraft nicht gefordert werden, wenn die unterhaltsberechtigte Person "aus gewichtigen Gründen" keiner oder nur in geringem Umfang einer Beschäftigung gegen Entgelt nachgehen kann. Als
Gründe werden beispielsweise Alter, Behinderung, schlechter Gesundheitszustand, die Erziehung oder Betreuung von Kindern unter sechs Jahren, die Pflege behinderter Angehöriger, ein ernsthaft und nachhaltig betriebenes Studium oder eine Berufsausbildung genannt.

Auch der Abzug von Unterstützungsleistungen an die im Ausland lebende, nicht mitarbeitende Ehefrau ist nach Verwaltungsmeinung nur bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen möglich. Dies hat der BFH jedoch mit dem Urteil VI R 5/09 abgelehnt; in diesen Fällen ist die Erwerbsobliegenheit somit nicht zu prüfen.

BFH, Urt. v. 05.05.2010 - VI R 29/09, BFH, Urt. v. 05.05.2010 - VI R 5/09

Quelle: Redaktion Steuern - vom 15.09.10