Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Entfernungspauschale: Subjektive Unzumutbarkeit rechtfertigt nicht die Benutzung einer längeren Strecke

Zur Berechnung der Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeits- bzw. Betriebsstätte maßgebend. Eine längere Strecke kann jedoch geltend gemacht werden, wenn sie verkehrsgünstiger ist und regelmäßig genutzt wird. Hierüber muss der Selbstständige oder der Arbeitnehmer Büro oder Werkstatt - trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen - in der Regel schneller und pünktlicher erreichen. Dabei wird allgemein in der Rechtsprechung eine tägliche Zeitersparnis von rund 30 Minuten als offensichtlich verkehrsgünstiger eingeordnet.

Nach dem Sinn und Zweck der Entfernungspauschale ist nämlich darauf abzustellen, welche Straßenverbindung im Rahmen des Zumutbaren für den Berufspendler benutzbar ist. Die allgemeinen Verkehrsverhältnisse und die städtebaulichen Planungen zur Vermeidung von innerstädtischen Verkehrsstauungen müssen bei der Beurteilung berücksichtigt werden.

Das FG Rheinland-Pfalz kommt jetzt zu der Auffassung, dass für die Berechnung der Entfernungspauschale die kürzeste Straßenverbindung auch dann zugrunde zu legen ist, wenn sie nicht die kostengünstigste ist. Grundsätzlich kann eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer oder Selbstständigen regelmäßig für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- oder Betriebsstätte benutzt wird.

Was ist aber unter „offensichtlich verkehrsgünstiger" zu verstehen? Bei der Beurteilung einer Umwegstrecke ist darauf abzustellen, welche Straßenverbindung für den Steuerpflichtigen benutzbar ist. Dabei ist die Zumutbarkeit ein Maß dafür, welche kilometermäßig kürzere, aber zeitlich längere oder andere Nachteile aufweisende Fahrtstrecke noch für die Berechnung der Entfernungspauschale zugrunde zu legen ist. Hierbei sind die allgemeinen Verkehrsverhältnisse und städtebaulichen Planungen zur Vermeidung innerstädtischer Verkehrsstauungen von Bedeutung. Auch die bei Benutzung der längeren Wegstrecke eingesparte Zeit pro Fahrt kann einen Anhaltspunkt für die Einordnung unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten bieten. Dass eine bestimmte Umwegstrecke als komfortabler oder stressfreier empfunden wird, muss bei der Betrachtung außen vor bleiben, da hierdurch die Benutzung der kürzeren Strecke nicht objektiv unzumutbar wird.

Im entschiedenen Urteilsfall beträgt die kürzeste Strecke mit Benutzung der Fähre 25,30 km bei einer Fahrzeit von 51 Minuten. Über die Autobahn beträgt die durchschnittliche Fahrzeit 42 Minuten. Die durchschnittliche tägliche Zeitersparnis von neun Minuten rechtfertigt den Umweg nicht. Eine solche geringe Zeitersparnis für die einfache Wegstrecke ist nicht als ausreichend anzusehen, um das Merkmal „offensichtlich verkehrsgünstiger" als gegeben anzusehen. Es reicht nicht aus, dass der Berufspendler die Benutzung der kürzesten Straßenverbindung aufgrund der Verkehrsumstände (Verkehrsdichte, Verkehrsfluss, Ampeln) als nicht zumutbar und lästig empfindet. Es kann objektiv für den Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben nicht darauf ankommen, ob ein Steuerpflichtiger die Benutzung einer Straßenverbindung subjektiv für unzumutbar hält, so der resümierende Tenor.

Praxishinweis

Vom Grundsatz her ist für die Bestimmung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die auf volle Kilometer abgerundete kürzeste Straßenverbindung maßgebend. Dies gilt unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel, also auch bei Fahrten mit Zug oder Bahn. Auch die zusätzlichen Abholfahrten von Kollegen im Rahmen einer Fahrgemeinschaft zählen nicht separat.

Alternativ darf die offensichtlich verkehrsgünstigere und regelmäßig genutzte Umwegstrecke geltend gemacht werden. Diese Regelung ist nachteilig, wenn der Pendler eine Fährverbindung nutzt, um einen größeren Umweg zu ersparen. Dann ist nur die kürzeste Strecke ohne die Wasserentfernung plus der Fahrkarte für die Fähre absetzbar. Hierzu zwei Beispiele:

  1. Die Fahrt zur Arbeit mit der Bahn geht über 15 km, die kürzeste Straßenverbindung beträgt 10 km. Anzusetzen sind 10 km.
  2. Die Fahrt zur Arbeit über die nächstgelegene Brücke beträgt 60 km, bei Benutzung der Autofähre 20 km. Hierbei beträgt die Schiffsstrecke 1,3 km. Die Entfernungspauschale ist für 18 km (20 km abzüglich 1,3 km) anzusetzen. Hinzu kommen die Fährkosten.

Zwar kann eine längere Strecke zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist. Diese abweichende Bestimmung gilt aber nur, wenn Umwege auf der Straße und nicht über die Schiene genommen werden. Denn zu der gesetzlichen Ausnahme einer längeren Strecke kommt es erst gar nicht, wenn statt des Pkw öffentliche Verkehrsmittel wie Zug oder Straßenbahn genutzt werden. Im Umkehrschluss kommt es daher bei Nutzung einer kürzeren Fahrstrecke mit schienengebundenen öffentlichen Verkehrsmitteln auch nicht zu einem geminderten Werbungskostenabzug. Hier dürfen Berufspendler die - im Vergleich zur Schiene - längere Straßenverbindung ansetzen, die sie mit dem Pkw fahren würden.

FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.05.2011 - 1 K 2732/09
BMF-Schreiben v. 31.08.2009 - IV C 5 - S-2351/09/10002, BStBl 2009 I 891
FG München, Urt. v. 14.07.2009 - 13 K 55/08
FG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.03.2009 - 4 K 5374/04
BFH, Beschl. v. 10.04.2007 - VI B 134/06

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 20.12.11