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Kindergeld: Berufsausbildung endet nicht automatisch mit Exmatrikulation!

Ein Kind wird im Zeitraum zwischen seiner Exmatrikulation und der letzten Prüfung oder der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses noch für einen Beruf ausgebildet und damit bei den Eltern berücksichtigt. Der BFH hat jetzt einige maßgebliche Grundsätze für den Fall aufgestellt, dass sich ein volljähriges Kind bereits exmatrikuliert hat, vollzeitbeschäftigt arbeitet und das Examen später ablegt. Besonderes Augenmerk muss dabei auf die Frage gelegt werden, ob und inwieweit die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes den zeitanteiligen Grenzbetrag überschreiten.

Der BFH hat dazu acht Grundregeln aufgestellt:

  • Schließt die Berufsausbildung mit einer Prüfung ab, ist das Berufsziel erst mit dem Bestehen der Prüfung, spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erreicht. Ein Universitätsstudium endet daher in der Regel mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, frühestens mit der letzten Prüfungshandlung, außer wenn es vorher abgebrochen oder nicht mehr ernsthaft weiterbetrieben wird.
  • Eine Vollzeiterwerbstätigkeit schließt die Berücksichtigung als Kind in der Berufsausbildung oder in einer Warte- oder Übergangszeit nicht aus.
  • Eine Ausbildung erfordert keine organisatorische Eingliederung in eine Ausbildungsinstitution. Das gilt etwa für Nichtschüler, die sich auf das Abitur vorbereiten, oder für die Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ohne Berufsschulbesuch. Die Exmatrikulation eines Studierenden kann daher nicht zwingend als Beendigung der Ausbildung angesehen werden.
  • Wenn sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbständig auf Prüfungen vorbereitet, werden an die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung und deren Nachweis strenge Anforderungen gestellt. Bei bestandenen Prüfungen kann aber in der Regel unterstellt werden, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig vorbereitet hat.
  • Einkünfte und Bezüge des Kindes bleiben außer Ansatz, die auf Monate entfallen, in denen die Voraussetzungen einer Berücksichtigung an keinem Tag vorliegen. Insoweit ermäßigt sich der Jahresgrenzbetrag von derzeit 8.004 €.
  • Darüber hinaus bleiben Einkünfte und Bezüge außer Ansatz, soweit sie auf den Teil eines Kalendermonats entfallen, in dem das Kind noch nicht oder nicht mehr zu berücksichtigen ist (sog. Wechselmonat). Befindet sich ein Kind nach seiner Exmatrikulation weiter in der Berufsausbildung, sind daher auch die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte anzusetzen.
  • Eltern haben Anspruch auf Kindergeld auch für vollzeitbeschäftigte Kinder, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und deren Einkünfte und Bezüge den (anteiligen) Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen. Insoweit ist es irrelevant, ob es in den Monaten seiner Vollzeiterwerbstätigkeit an einer verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern fehlt, die eine Entlastung durch Kindergeld rechtfertigt.
  • Eine Berücksichtigung als Kind entfällt, wenn die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag überschreiten. Das BVerfG hatte jüngst festgestellt, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, wenn das sog. Fallbeilprinzip greift, wenn das Kind auch nur einen Euro im Jahr zu viel verdient.

Praxishinweis

Ab 2012 soll die Einkommensgrenze für volljährige Kinder wegfallen. Im Gegenzug werden die Voraussetzungen zur Berücksichtigung von Kindern neu gefasst. Zukünftig soll eine Erwerbstätigkeit nur noch bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung eines Kindes außer Betracht bleiben. Der Besuch einer allgemeinbildenden Schule gilt dabei nicht bereits als erstmalige Berufsausbildung.

In drei Fällen kann das volljährige Kind jedoch einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgehen:

  1. nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung,
  2. in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder
  3. wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann.

Unschädlich ist aber, wenn

  1. die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt,
  2. ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (400-€-Job) ausgeübt wird oder
  3. ein sog. 1-€-Job vorliegt.

Die Regelungen zur Berücksichtigung von behinderten Kindern werden nicht verändert.

BFH, Beschl. v. 26.04.2011 - III B 191/10
BVerfG, Beschl. v. 27.07.2010 - 2 BvR 2122/09

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 07.06.11