Andreas Klein © fotolia.de

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Neue BFH-Rechtsprechung zum häuslichen Arbeitszimmer

In drei in der vergangenen Woche veröffentlichten Urteilen hat der BFH erstmals zur Neuregelung der Abzugsbeschränkung bei häuslichen Arbeitszimmern entschieden. Für Hochschullehrer, Richter und auch bei Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit bildet danach das Arbeitszimmer (wie auch nach dem Rechtsstand 2006) nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung. Das hat zur Folge, dass Steuerpflichtige dieser Berufsgruppen die Aufwendungen für das heimische Büro in der Wohnung auch nach neuem Recht ab 2007 nicht als Werbungskosten abziehen können.

Nachdem das BVerfG das frühere Gesetz gekippt hatte, hatte der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2010 eine Neuregelung geschaffen, die rückwirkend ab 2007 anwendbar war. Danach können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten oder Betriebsausgaben

  • begrenzt auf 1.250 € im Jahr abgezogen werden, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (diese Erweiterung hatte das BVerfG gefordert), oder 
  • wie bisher in voller und angemessener Höhe abgezogen werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen oder betrieblichen Betätigung bildet.

In anderen Fällen kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht abziehen.

Hochschullehrer

Bei einem nichtselbständig tätigen Hochschullehrer stellt das häusliche Arbeitszimmer grundsätzlich nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dar. Das gilt auch dann, wenn dieser im Arbeitszimmer Handlungen und Leistungen erbringt, die seiner Auffassung nach für seinen Beruf wesentlich und prägend sind, und er sowohl den quantitativen als auch den qualitativen Schwerpunkt seiner Arbeit im heimischen Büro sieht.

Der BFH ist der Auffassung, dass der prägende Tätigkeitsschwerpunkt bei einem Hochschullehrer zumindest immer dann außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers liegt, wenn dieser einer Lehrverpflichtung nachkommt. Denn das Wesensmäßige der Hochschullehrertätigkeit, nämlich die Lehre, muss in der Universität stattfinden. Die Vorlesung in der Universität ist prägend für den Beruf, und diese Tätigkeit kann nicht im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet werden. Unerheblich ist dabei, wie viele Stunden der Hochschullehrer im häuslichen Arbeitszimmer zubringt.

Ein Abzug wegen fehlenden Arbeitsplatzes kommt nicht in Betracht, weil der Hochschullehrer einen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz nutzen kann. Aber auch der Mittelpunkt der gesamten Betätigung liegt nicht in der Wohnung; dieser ist qualitativ und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit ausübt.

Der Mittelpunkt bestimmt sich stets danach, ob ein Arbeitnehmer oder Selbständiger im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf qualitativ wesentlich und prägend sind. Das gilt auch bei einer zeitlich weit überwiegenden Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers, weil dieser Umstand weder eine Verlagerung noch eine andere Beurteilung des Mittelpunkts bewirken kann. Aufgrund der berufstypischen Betrachtung erübrigen sich konkrete Beurteilungen zum jeweiligen zeitlichen Umfang der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des heimischen Büros. Der zeitlichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers wird keine Bedeutung beigemessen.

Hinweis: Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung bestehen nicht. Denn nach Auffassung des BVerfG sind ein steuerliches Abzugsverbot und eine Beschränkung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmers trotz des beruflich veranlassten Charakters dieser Kosten verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der BFH stellt klar, dass er an seinen der alten Rechtslage zugrundeliegenden Grundsätzen festhält. Auch nach dem Wegfall der Abzugsmöglichkeit bei einer beruflichen Nutzung von mehr als 50 % ab 2007 besteht in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer oder Selbständige lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit teilweise zu Hause ausübt, keine Notwendigkeit, den zuvor bereits aufgestellten qualitativen Mittelpunktbegriff grundlegend neu zu bestimmen.

Richter

Mit den gleichen Argumenten lehnt der BFH den Abzug der Aufwendungen für das heimische Büro eines Richters nach neuem Recht ab. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige wie im aktuellen Urteilsfall lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit ausübt. Danach ist für den Beruf des Richters die Ausübung der rechtsprechenden Tätigkeit im Gericht prägend, weil die eigentliche richterliche Tätigkeit im Gericht ausgeübt wird und sich in Sitzungen und mündlichen Verhandlungen manifestiert. Diese Tätigkeit kann nicht im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet werden.

Denn bei einem Richter liegt der prägende Tätigkeitsschwerpunkt zumindest immer dann außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers, wenn er in einem Richterverhältnis (im Dienst eines Landes oder des Bundes) steht und in Ausübung dieses öffentlichen Amtes Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt wahrnimmt.

Erwerbslosigkeit

Nutzt ein Steuerpflichtiger ein häusliches Arbeitszimmer während einer Phase der Erwerbslosigkeit zur Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit, so kann er die Aufwendungen für das Arbeitszimmer regelmäßig nur geltend machen, wenn und soweit ihm der Werbungskostenabzug auch unter den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit zustehen würde. Zum Vollabzug müssen sich daher tatsächliche Konstellationen ergeben, dass eine künftig angestrebte Berufstätigkeit ihren Mittelpunkt dort haben wird. Dies ist anhand der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen und nachzuweisen.

Praxishinweis

Der Begriff "Mittelpunkt der gesamten Betätigung" ist gesetzlich nicht näher definiert. Nach der bisher ergangenen Rechtsprechung des BFH bestimmt sich bei einem Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausübt, der Mittelpunkt dieser Tätigkeit danach, ob er im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (ständige Rechtsprechung). Die für den Beruf wesentlichen und prägenden Leistungen werden auch mit dem Begriff des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen umschrieben. Maßgebend ist danach, ob - unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung - das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. So ist bei einem Richter das häusliche Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der richterlichen Tätigkeit. Entsprechendes gilt für den Lehrer und auch den Hochschullehrer.

Aufgrund der berufstypischen bzw. typisierenden Betrachtung erübrigen sich Feststellungen zum zeitlichen Umfang der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers. Auf diese Weise kann nach Auffassung des BFH dem Prinzip eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs Rechnung getragen werden.

Tipp: Bei Schreibtisch, Bücherregal oder PC handelt es sich nicht um zur Ausstattung des Arbeitszimmers gehörende Arbeitsmittel. Diese Aufwendungen sind daher bei betrieblicher/beruflicher Veranlassung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten unabhängig davon zu berücksichtigen, ob das heimische Büro steuerlich anerkannt ist oder nicht.

BFH, Beschl. v. 13.12.2011 - VIII B 39/11
BFH, Urt. v. 08.12.2011 - VI R 13/11
BFH, Urt. v. 27.10.2011 - VI R 71/10
BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 - 2 BvL 13/09
BFH, Urt. v. 15.03.2007 - VI R 65/05
BFH, Urt. v. 23.05.2006 - VI R 21/03, BStBl 2006 II 600
BFH, Urt. v. 02.12.2005 - VI R 63/03, BStBl 2006 II 329
BFH, Urt. v. 09.11.2005 - VI R 19/04, BStBl 2006 II 328
BVerfG, Urt. v. 07.12.1999 - 2 BvR 301/98, BStBl 2000 II 162
BMF-Schreiben v. 06.07.2010 - IV C 3 - S-2227/07/10003 :002, BStBl 2010 I 614

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 31.01.12