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Steuerfrei zu stellendes Existenzminimum wird angehoben

Das Bundeskabinett hat am 07.11.2012 den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern beschlossen. Bürger können ab 2013 mit geringen Steuerentlastungen rechnen. Der Grundfreibetrag wird in zwei Stufen bis 2014 um insgesamt 348 € angehoben. Für einen Alleinverdiener bedeutet dies eine Steuerentlastung von etwa 70 € im Jahr. Spätestens 2014 ist auch eine Erhöhung des steuerlichen Kinderfreibetrags erforderlich.

In den kommenden beiden Jahren 2013 und 2014 soll der bestehende Grundfreibetrag von 8.004 € pro Person in zwei Stufen um insgesamt 348 € angehoben werden. Dies gilt unabhängig vom Inkrafttreten des umstrittenen Gesetzes zum Abbau der kalten Progression, das sich schon seit einigen Monaten in der Warteschleife im Vermittlungsausschuss befindet.

Das Bundeskabinett hat am 07.11.2012 den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern beschlossen. Der Bericht ergeht vor dem Hintergrund, dass Erwerbseinkommen, soweit es zum Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich ist, in Deutschland nicht besteuert werden darf. Dies hatte das BVerfG bereits 1992 angeordnet. Um die Einhaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe exakt zu überprüfen, legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei Jahre einen Bericht vor, in dem die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern auf der Basis statistischer Daten ermittelt wird.

Hiernach reicht der bestehende Grundfreibetrag von derzeit 8.004 € nicht mehr aus, um das Existenzminimum von Erwachsenen im Jahr 2013 steuerfrei zu halten. Die Unterdeckung beim Grundfreibetrag beträgt im Jahr

  • 2013: 120 €,
  • 2014: 348 €.

Bereits der letzte Existenzminimumbericht hatte gezeigt, dass der bestehende Grundfreibetrag mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreichen würde, um das Existenzminimum von Erwachsenen im Jahr 2013 steuerfrei zu halten.

Im Hinblick auf den Kinderfreibetrag zeigt der Bericht, dass bis einschließlich 2013 kein Erhöhungsbedarf besteht. Erst ab 2014 weist der Kinderfreibetrag eine leichte Unterdeckung von 72 € auf, so dass erst künftig eine Erhöhung erforderlich wird. Dies will die Bundesregierung nicht jetzt, sondern noch rechtzeitig in der Zukunft gesetzgeberisch auf den Weg bringen.

Das Gesetz zum Abbau der kalten Progression sieht ebenfalls eine Erhöhung des Grundfreibetrags vor. Die dort geplanten Anpassungen sind hinreichend groß, dass keine weiteren Maßnahmen nötig werden, sollte das Gesetz in der derzeitigen Entwurfsfassung im BGBl verkündet werden.

Praxishinweis

Der Existenzminimumbericht wird nun dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet. Das Gesetz zum Abbau der kalten Progression befindet sich im Vermittlungsausschuss. Dieser soll am 21.11.2012 erneut tagen.

Das Gesetz soll verhindern, dass lediglich die Inflation ausgleichende Lohnerhöhungen aufgrund des Systems des progressiv gestalteten Einkommensteuertarifs nicht zu einem stärkeren Durchschnittssteuersatz führen. Derzeit profitiert der Staat von systembedingten Steuereinnahmen, die über den Effekt der kalten Progression entstehen. Hierzu ist eine stufenweise Anhebung des Tarifs in zwei Schritten jeweils zum 01.01.2013/2014 wie folgt vorgesehen:

  • Grundfreibetrag 2013: von 8.004 € auf 8.130 € (+ 126 € = 1,6 %)
  • Grundfreibetrag 2014: von 8.130 € auf 8.354 € (+ 224 € = 2,8 %)
  • 2013/14: In beiden Jahren ergibt sich insgesamt ein Plus von 350 € (8.004 € auf 8.354 €).
  • In einem zweiten Schritt soll der Tarifverlauf im Bereich der Progressionszonen bis zum Erreichen des Höchststeuersatzes von 42 % prozentual - wie der Grundfreibetrag - um 4,4 % angepasst werden, damit es nicht durch die alleinige Anhebung des Grundfreibetrags bei konstantem Eingangssteuersatz zu einer nicht gewollten Stauchung des Tarifs innerhalb der ersten Progressionszone und damit zu einem Anstieg der Progression kommt.
  • Der Höchststeuersatz von 42 % steigt 2013 auf 53.728 € und ab 2014 auf 55.209 € (derzeit 52.882 €).
  • Die Reichensteuer von 45 % ist davon ausgenommen; sie soll ab 2013 bereits ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.000 € je Person (bisher: 250.730 €) gelten.
  • Aufgrund der Tarifanpassungen kommt es zu Folgeänderungen bei der Lohnsteuerberechnung.

Die Bundesregierung legt seit 1995 alle zwei Jahre einen Bericht vor, in dem die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern auf der Basis statistischer Daten ermittelt wird. Künftig wird sie in diesem Zusammenhang auch alle zwei Jahre einen Bericht zum Umfang der kalten Progression vorlegen.

Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem Mindestbedarf ab, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch staatliche Leistungen zu decken hat. Dieser Betrag darf das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum nicht unterschreiten. Hierzu gehört nach der Rechtsprechung des BVerfG neben dem sozialhilferechtlichen Sachbedarf auch der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall, insbesondere entsprechende Versicherungsbeiträge. Diese Vorgaben des BVerfG gelten sinngemäß auch für die Ermittlung des Existenzminimums und den Sachbedarf eines Kindes. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung kindbezogener Vorsorgeaufwendungen zu einer Kranken- und Pflegeversicherung. Die steuerliche Leistungsfähigkeit von Eltern wird generell durch den Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes gemindert. Daher ist dieser Bedarf im Steuerrecht zusätzlich als Bestandteil des Kinderexistenzminimums von der Einkommensteuer zu verschonen.

Eine Grundlage der Bemessung des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums ist nach den Vorgaben des BVerfG der sozialhilferechtliche Mindestbedarf. Die sozialhilferechtlichen Regelsätze basieren auf bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, die sich aus der bundesweiten Auswertung der Ergebnisse einer bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ergeben. Die Regelbedarfsstufe 1 gilt für Alleinstehende. Daraus abgeleitet wird die Regelbedarfsstufe 2, die für Paare jeweils einen Anteilssatz von 90 % vorsieht. Für 2011 wurde von einem Regelsatz von 364 €/Monat für Alleinstehende und von 656 €/Monat für Ehepaare ausgegangen. Der Jahresbetrag des Mindestbedarfs von 7.872 € liegt unter dem aktuellen Grundfreibetrag von 8.004 €. Der notwendige Lebensunterhalt setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen:

  • Leistungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege,
  • Hausrat, Haushaltsenergie,
  • für Kinder Bildungs- und Teilhabeleistungen, sofern sie typische Bedarfspositionen abdecken, die für den überwiegenden Teil der Kinder von Bedeutung sind,
  • Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete und vergleichbare Aufwendungen für Haus- oder Wohnungseigentum),
  • Heizkosten (einschließlich der Kosten für Warmwasserbereitung),
  • Erwerb eines Versicherungsschutzes für den Krankheits- und Pflegefall auf sozialhilferechtlich gewährtem Leistungsniveau.

Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 (Neunter Existenzminimumbericht) v. 07.11.2012, BT-Drs. 17/11425
Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht) v. 30.05.2011, BT-Drs. 17/5550
Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression, Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 15.02.2012, BT-Drs. 17/8683
Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression, Beschlussempfehlung und Bericht v. 28.03.2012, BT-Drs.17/9201
Gesetz zum Abbau der kalten Progression, Unterrichtung durch den Bundesrat, Zustimmungsversagung v. 14.05.2012, BT-Drs. 17/9644
Gesetz zum Abbau der kalten Progression, Anrufung des Vermittlungsausschusses v. 16.05.2012, BT-Drs. 17/9672
BVerfG, Beschl. v. 25.09.1992 - 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BStBl 1993 II 413

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 13.11.12