Die Höhe der Umsatzsteuer bei der Abgabe von Speisen und Getränken richtet sich nach der Abgrenzung zwischen „Lieferungen" und „sonstigen Leistungen". Der BFH hat jetzt für die alte Rechtslage entschieden: Wenn mehr als nur Standardspeisen zubereitet wurden, kann schon ohne weitere Dienstleistungselemente von einer „Dienstleistung" ausgegangen werden. Im entschiedenen Fall ging der BFH daraufhin von der Anwendbarkeit des Regelsteuersatzes aus.
Bei der Umsatzbesteuerung im Bereich der Abgabe von Speisen und Getränken in diesem Fall (Streitjahre 2000 und 2001) verweist der BFH auf die EuGH-Rechtsprechung aus dem Jahre 2011. Im BFH-Fall ging es um die Abgrenzung zwischen „Lieferungen" und „sonstigen Leistungen" bei dem Angebot eines Partyservice- bzw. Catering-Unternehmens. Nach den BFH-Grundsätzen hat das Angebot eines solchen Unternehmens regelmäßig Dienstleistungscharakter. Eine umsatzsteuerliche Einordnung als „Lieferung" scheidet somit meistens aus.
Ausnahmen gibt es unter folgenden Umständen:
- Es werden lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement geliefert.
- Besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist.
Im aktuellen Urteilsfall betrieben der Ehemann eine Metzgerei und einen Partyservice und seine Ehefrau eine Gaststätte. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Leistungen des Partyservices dem Regelsteuersatz unterlagen, weil den Kunden Leihgeschirr und -besteck zur Verfügung gestellt wurden.
Grundsätzlich gilt: Das Angebot eines Partyservices kann die bloße Zubereitung und Lieferung von Speisen, aber auch weitergehende Leistungen umfassen. Dazu können die Bereitstellung von Geschirr und Mobiliar, spezielle Darreichungsformen, Dekorationen oder die Bereitstellung von Servicepersonal gehören.
Eine Dienstleistung liegt vor, wenn keine bloße Standardzubereitung erfolgt, sondern ein größerer Dienstleistungsanteil sowie eine aufwendigere und fachkundige Zubereitung gegeben sind.
Die Abgrenzung erfolgt unter mehreren Gesichtspunkten:
- Welche Qualität haben die Gerichte?
- Mit welcher Kreativität und in welcher Darreichungsform werden die Speisen zubereitet und abgegeben?
- Werden Speisen in verschlossenen Warmhalteschalen angeliefert oder durch den Unternehmer aufgewärmt?
- Ist für den Kunden wichtig, dass die Speisen genau zu dem von ihm festgelegten Zeitpunkt geliefert werden?
Werden also nicht lediglich Standardspeisen als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge (wie z.B. bei einem Imbissstand) zubereitet und diese zu vereinbarten Zeitpunkten in Warmhaltebehältern angeliefert, liegt keine „Lieferung", sondern eine „sonstige Leistung" vor. Eine „Lieferung" liegt demgegenüber nur dann vor, wenn Standardspeisen ohne zusätzliche Dienstleistungselemente geliefert werden oder die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist.
Damit ist auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung davon auszugehen, dass Partyservice-Unternehmen im Regelfall „sonstige Leistungen" erbringen, die dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen.
Verzehrvorrichtungen dürfen dabei nur als Dienstleistungselement berücksichtigt werden, wenn sie vom Leistenden als Teil einer einheitlichen Leistung zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt auch für die Überlassung von Geschirr und Besteck. Voraussetzung für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung (anstelle mehrerer selbständiger Leistungen) ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass es sich um Tätigkeiten desselben Unternehmers handelt.
Entgeltliche Leistungen verschiedener, eigenständiger Unternehmer sind auch dann umsatzsteuerrechtlich eigenständig, wenn sie gegenüber demselben Leistungsempfänger erbracht werden und die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung erfüllt wären.
So war die Bereitstellung von Geschirr und Besteck durch die Gaststätte der Ehefrau des Klägers nach BFH-Ansicht für die Abgrenzung von „Lieferungen" und „sonstigen Leistungen" grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
Eine hiervon abweichende Würdigung kann sich allerdings unter den Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) ergeben. Im Umsatzsteuerrecht müssen dafür aber bestimmte Voraussetzungen vorliegen:
- Die fraglichen Umsätze haben einen Steuervorteil zum Ergebnis, der dem Ziel der Mehrwertsteuer-Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts zuwiderläuft.
- Aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ist ersichtlich, dass mit den Umsätzen im Wesentlichen nur ein Steuervorteil bezweckt wird.
- Es kommt insbesondere darauf an, ob es sich um Umsätze zwischen zwei Parteien handelt, zwischen denen keine rechtliche Verbindung besteht, und ob Umsätze vorliegen, die im normalen Handelsverkehr getätigt werden.
Nach diesen Maßstäben ging der BFH im Urteilsfall bei der Prüfung eines Gestaltungsmissbrauchs davon aus, dass der Kläger und seine Ehefrau zwar einander nahestehende Personen sind; wegen fehlender rechtlicher oder familiärer Beziehungen sei aber kein Näheverhältnis zwischen dem jeweils Leistenden und den jeweiligen Kunden anzunehmen. Die Leistungen des Klägers seien zudem als „im normalen Handelsverkehr erbracht" anzusehen. Ein Gestaltungsmissbrauch könnte sich aber daraus ergeben, dass der Kläger die Kosten getragen hat, die für die Überlassung von Geschirr und Besteck durch seine Ehefrau anfielen. Die Überlassung von Geschirr und Besteck könne aber nur im Fall der Überlassung durch den Kläger selbst als Dienstleistungsanteil berücksichtigt werden, so der BFH.
Praxishinweis
Dieser Fall hat nach Auskunft des BMF keine Auswirkung auf die aktuelle Besteuerungspraxis der Finanzämter. Die im BMF-Schreiben vom 20.03.2013 - IV D 2 - S 7100/07/10050-06 skizzierten Grundsätze haben weiterhin Gültigkeit. Das BMF-Schreiben geht unter anderem auf Artikel 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 zurück. Danach ist die Komplexität der Speisenzubereitung bei der Abgrenzung nicht zu berücksichtigen. Die Durchführungsverordnung ist am 01.07.2011 in Kraft getreten.
Nach Aussage des BMF werden die Grundsätze des BMF-Schreibens auch künftig von der Finanzverwaltung angewandt werden. Eine rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils ist aus Gründen des Vertrauensschutzes ebenfalls nicht vorgesehen.
Für die alte Rechtslage gilt jedoch: Leistungen eines Partyservices können nach dem BFH somit nur dann keine sonstigen Leistungen darstellen, wenn lediglich Standardspeisen ohne zusätzliche Dienstleistungselemente geliefert werden oder besondere Umstände belegen, dass die Lieferung der Speisen der dominierende Bestandteil des Umsatzes ist. Wenn die Speisen aber nicht (mehr) als Standardspeisen einzuordnen sind, kann auch ohne zusätzliches Dienstleistungselement, wie z.B. Abräumen und Endreinigen von Tischen und Geschirr, eine Dienstleistung angenommen werden.
BFH, Urt. v. 11.04.2013 - V R 28/12
BMF-Schreiben v. 20.03.2013 - IV D2-S 7100/07/10050-06
BFH, Urt. v. 12.10.2011 - V R 66/09, BStBl 2013 II 250
BFH, Urt. v. 23.11.2011 - XI R 6/08, BStBl 2013 II 253
BFH, Urt. v. 30.06.2011 - V R 18/10
EuGH, Urt. v. 10.03.2011, C-497/09, C-499/09, C-501/09, C-502/09
Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 10.09.13