Der BFH hat mit drei zeitgleich veröffentlichten für Grundeigentümer positiven Urteilen entschieden, dass Aufwendungen für die Sanierung eines selbstgenutzten Wohngebäudes als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein können.
Das beinhaltet die folgenden Aufwendungen für Sanierungsmaßnahmen an einem Gebäude:
- Behebung konkreter Gesundheitsgefährdungen, etwa bei einem asbestgedeckten Dach,
- Beseitigung von Brand-, Hochwasser- oder ähnlich unausweichlichen Schäden, beispielsweise durch den Befall eines Gebäudes mit Echtem Hausschwamm,
- Behebung vom Gebäude ausgehender unzumutbarer Beeinträchtigungen, z.B. Geruchsbelästigungen.
Einschränkend weist das Gericht jedoch darauf hin, dass dies für die folgenden Umstände nicht gilt:
- Der Grund für die Sanierung war beim Erwerb des Grundstücks erkennbar.
- Der Schaden wurde vom Eigentümer selbst verschuldet.
- Realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte decken die Kosten.
- Der Abschluss einer allgemein zugänglichen und üblichen Versicherung wurde unterlassen.
- Es handelt sich um Kosten für übliche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen (dem gewöhnlichen Wertverzehr geschuldete Baumaßnahmen).
- Es handelt sich um die Beseitigung von nicht unüblichen Baumängeln (kein ungewöhnliches Ereignis).
- Der Besitzer hat Vorteile aus einer Erneuerung des Gebäudes.
Nachfolgend werden weitere Einzelheiten zu den einzelnen Sanierungsarbeiten dargestellt.
Mit Hausschwamm befallenes Gebäude
Aufwendungen zur Sanierung eines mit Echtem Hausschwamm befallenen Gebäudes können im Einzelfall ein unabwendbares Ereignis sein, wenn
- der Befall unentdeckt bleibt,
- die konkrete Gefahr der Unbewohnbarkeit eines Gebäudes droht und
- aus der Notlage heraus wegen der Schäden eine aufwendige Sanierung folgt.
Nach der Rechtsprechung des BFH können auch Kosten zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Gebäudes, das durch ein vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt wurde, eine außergewöhnliche Belastung sein (etwa ein Wasserschaden durch Rückstau in einer Drainage). Voraussetzung hierfür ist, dass der Vermögensgegenstand eine existentiell wichtige Bedeutung hat und die zerstörten oder beschädigten Vermögensgegenstände in Größe und Ausstattung nicht erheblich über das Notwendige und Übliche hinausgehen.
Hinweis: Tauscht der Hausbesitzer gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Allerdings ist der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil anzurechnen („Neu für Alt"). Hierzu muss der Vorteilsausgleich ermittelt werden.
Asbestsanierung eines Wohnhauses
Ob Sanierungsarbeiten an Asbestprodukten nötig sind, ist nicht anhand der abstrakten Gefährlichkeit von Asbestfasern zu beurteilen. Erforderlich sind vielmehr zumindest von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende konkrete Gesundheitsgefährdungen. Sind Gefährdungen auf einen Dritten zurückzuführen und unterlässt der Steuerpflichtige die Durchsetzung realisierbarer zivilrechtlicher Abwehransprüche, sind die Aufwendungen nicht abziehbar. Vor Durchführung dieser Maßnahmen ist kein amtliches technisches Gutachten erforderlich. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte.
Die Aufwendungen dürfen nicht der Beseitigung von Baumängeln dienen: Diese sind keineswegs unüblich und mit ungewöhnlichen Ereignissen wie etwa Hochwasserschäden nicht vergleichbar.
Hinweis: Dass ein amtliches Gutachten nicht benötigt wird, hatte der BFH ähnlich bereits für Krankheitskosten entschieden. Entsprechendes gilt auch für solche Aufwendungen, die durch die Beseitigung konkreter von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren veranlasst sind. Denn auch hier ergeben sich gesteigerte Nachweispflichten nicht aus dem Gesetz, sie widersprechen dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 geänderten Anforderungen an den Nachweis außergewöhnlicher Belastungen.
Unzumutbare Beeinträchtigungen
Die Beseitigung unzumutbarer Beeinträchtigungen, die von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehen, kann aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Sie ist deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Dies betrifft etwa den Austausch mit Formaldehyd verseuchter Möbel oder die medizinisch indizierte Anschaffung von Schlafzimmermöbeln und einer Couchgarnitur. Die Unzumutbarkeit ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Handelt es sich etwa um Geruchsbelästigungen, ist das Überschreiten von objektiv feststellbaren Geruchsschwellen erforderlich, um nur die den Umständen nach notwendigen und angemessenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zuzulassen. Eine Veranlassung der Aufwendungen durch das subjektive Empfinden genügt nicht.
Liegt kein amtliches technisches Gutachten vor, so steht dies dem Abzug der Aufwendungen auch hier nicht entgegen.
Hinweis: Es handelt sich auch dann um die Beseitigung konkreter Gesundheitsgefährdungen, wenn diese der Familie drohten. Dies betrifft etwa den Fall, dass die Sanierung erforderlich gewesen sein könnte, weil Holzschutzmittel für die Atemwegserkrankung eines Kindes des Hauseigentümers ursächlich waren. Eines Nachweises bedarf es dazu nicht. Bei der Sanierung des Gebäudes handelt es sich nicht um Aufwendungen im Krankheitsfall.
Praxishinweis
Gehen von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs konkrete Gesundheitsgefährdungen aus, entstehen die Aufwendungen zur Beseitigung dieser Gefährdung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen und sind deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Baumängel sind hingegen keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Ereignissen vergleichbar. War der Einsatz mittlerweile verbotener schadstoffhaltiger Materialien zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes erlaubt, liegt für das Jahr der Errichtung des Gebäudes kein Baumangel vor - auch dann nicht, wenn ein solches Gebäude nach einem Verbot der Materialien veräußert wird. Denn das Verkaufsgeschäft hat die tatsächliche Beschaffenheit des Hauses nicht verändert.
Die tatsächliche Zwangsläufigkeit von Aufwendungen zur Beseitigung von Asbest ist nicht anhand der abstrakten Gefährlichkeit von Asbestfasern zu beurteilen; erforderlich sind zumindest konkret zu befürchtende Gesundheitsgefährdungen. Denn die Notwendigkeit einer Asbestsanierung hängt wesentlich von der verwendeten Asbestart und den baulichen Gegebenheiten ab. So haben Asbestzementprodukte einen vergleichsweise hohen Anteil an mineralischen Bindemitteln, weshalb die Asbestfasern relativ fest gebunden sind. Bei schwach gebundenen Asbestprodukten wie Spritzasbest ist die Gefahr einer Freisetzung aufgrund äußerer Einflüsse wie Erschütterungen und Alterung der Produkte hingegen höher.
An seiner bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung in diesem Bereich hält der BFH fest.
Tipp: Von einer Sanierung Betroffene sollten ferner den zumutbaren Eigenanteil bei den außergewöhnlichen Belastungen im Auge haben. Der jährliche Eigenanteil beläuft sich auf immerhin 1 % bis 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte und richtet sich nach Familienstand und Anzahl der Kinder. Daher sollten auch alle weiteren außergewöhnlichen Belastungen (z.B. Kosten für Zahnersatz, die neue Brille, eine Scheidung oder Arzt- und Apothekerrechnungen) möglichst in einem Jahr geballt bezahlt und dann gesammelt in der Steuererklärung angesetzt werden.
BFH, Urt. v. 29.03.2012 - VI R 21/11
BFH, Urt. v. 11.11.2010 - VI R 16/09, BStBl 2011 II 966
BFH, Urt. v. 29.03.2012 - VI R 70/10
BFH, Urt. v. 21.04.2010 - VI R 62/08, BStBl 2010 II 965
BFH, Urt. v. 29.03.2012 - VI R 47/10
BFH, Urt. v. 11.02.2009 - VI B 140/08
Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011, BGBl 2011 I 2131
Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 19.06.12