Der BFH hat unlängst entschieden, dass erwachsene, berufstätige und wirtschaftlich eigenständige Kinder, die zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten dann geltend machen können, wenn ihnen die Zweitwohnung am Beschäftigungsort lediglich als Schlafstätte dient. Das Urteil hat nicht nur Auswirkungen für Arbeitnehmer, sondern auch für Unternehmer und Freiberufler beim Betriebsausgabenabzug.
Das Urteil ist aus zwei Gründen relevant:
- Nach der bisherigen Rechtsprechung unterhielt keinen eigenen Hausstand, wer in den Haushalt der Eltern eingegliedert war, ohne die Haushaltsführung wesentlich mitzubestimmen. Das betraf insbesondere junge Arbeitnehmer, die nach Beendigung ihrer Ausbildung weiterhin im Haushalt der Eltern ein Zimmer bewohnten, auch wenn das gegen Kostenbeteiligung erfolgte. Nunmehr stellt der BFH klar, dass - anders als bei jungen Arbeitnehmern - bei einem erwachsenen und wirtschaftlich eigenständigen Kind grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dieser Nachwuchs die gemeinsame Haushaltsführung zusammen mit den Eltern oder einem Elternteil wesentlich mitbestimmt. Positive Folge: Das Kind kann im elterlichen Haushalt auch einen eigenen Hausstand unterhalten und damit steuerlich eine doppelte Haushaltsführung begründen. Das Finanzamt wird aber feststellen, ob das der Fall war oder eher nicht.
- Die Entscheidung hat über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung für den Alltag. Der BFH geht nämlich ausführlich auf Steuergrundregeln bei Arbeitsplatz und Domizil fern der Heimat ein und stellt dabei die Sachlage bei unverheirateten Berufstätigen dar.
Grundsatz: Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer: Auch er kann laut ständiger Rechtsprechung des BFH einen doppelten Haushalt führen. Hausstand ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in diesem Haushalt - im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit - aufhält.
Kein Unterhalten eines Hausstands liegt vor,
- wenn eine Wohnung allein für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte vorgehalten wird,
- wenn der unverheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist,
- wenn junge Arbeitnehmer nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen; die elterliche Wohnung ist zwar wie bisher der Mittelpunkt der Lebensinteressen, gilt aber nicht als ein von jungen Kindern unterhaltener eigener Hausstand.
Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als eigener zugerechnet werden kann. Diese Vermutung gilt insbesondere, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort dem Arbeitnehmer im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient. Denn dort ist regelmäßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der Lebensinteressen. Entspricht die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung oder übertrifft sie diese, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensführung nicht an den Beschäftigungsort verlegt wurde, sondern der Haupthausstand am Heimatort fortgeführt wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige dort sein Privatleben führt, weil zum Heimatort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen, beispielsweise wegen - mit steigender Lebenserwartung immer häufiger - alter, betreuungs- oder sogar pflegebedürftiger Eltern.
Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort nicht über eine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dieser Vermutung nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH können die durch das Leben am Beschäftigungsort zusätzlich entstehenden notwendigen Aufwendungen grundsätzlich auch dann zu Werbungskosten führen, wenn die Wohnverhältnisse am Ort des Lebensmittelpunktes vergleichsweise einfach oder beengt sein sollten. So ist auch unerheblich, dass sich der Arbeitnehmer in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtung mit Geschwistern teilen muss, wenn ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichen. Deshalb kann ein eigener Hausstand auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird.
Praxishinweis
Für den gemeinsamen Hausstand von Eltern und Kind bedarf es keiner Übernahme besonderer finanzieller Verantwortung durch die gleichmäßige Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten. Denn eine finanzielle Beteiligung, aus der auf eine gemeinsame Haushaltsführung von Eltern und Kindern zu schließen wäre, kann auch vorliegen, wenn etwa eine Aufteilung nach laufenden und einmaligen Kosten oder nach gewöhnlichem und außergewöhnlichem Aufwand vorgenommen wird. Die Entgeltlichkeit ist keine unerlässliche Voraussetzung einer steuerlich wirksamen doppelten Haushaltsführung. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung; es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein Alleinstehender auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn Dritte für diese Kosten aufkommen.
Eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt. Umgekehrt ist aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen.
Im Urteilsfall handelte es sich um einen 43 Jahre alten promovierten Diplomchemiker. Hier kann regelmäßig vermutet werden, dass er nicht als Gast in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist, sondern die gemeinsame Haushaltsführung wesentlich mitbestimmt, wenn er dort (lediglich unterbrochen durch Arbeits- und Urlaubsaufenthalte) gemeinsam mit den Eltern wohnt und deshalb dort den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat.
Dabei sind die Wohnsituationen am Heimat- wie am Beschäftigungsort gegeneinander abzuwägen und es sind entsprechende weitere Feststellungen zu einem Haupthausstand und insbesondere zu den Wohnsituationen am Heimat- und am Beschäftigungsort zu treffen.
Für eine kleine, bescheidene Unterkunft (Schlafstätte) am Beschäftigungsort sprechen Unterkunftskosten von weniger als 200 € monatlich, während am Heimatort zwei Zimmer und ein Badezimmer allein genutzt werden. Hier liegt es nahe, aufgrund des Alters und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Steuerpflichtigen vom Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung auszugehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kind sich an den laufenden Haushaltskosten (beispielsweise für Wasser, Strom und Gas) beteiligt.
BFH, Urt. v. 16.01.2013 - VI R 46/12
BFH, Urt. v. 26.07.2012 - VI R 10/12
BFH, Urt. v. 28.03.2012 - VI R 87/10, BStBl 2012 II 800
BFH, Urt. v. 21.04.2010 - VI R 26/09, BStBl 2012 II 618
BFH, Urt. v. 05.10.1994 - VI R 62/90, BStBl 1995 II 180
BFH, Urt. v. 09.08.2007 - VI R 10/06, BStBl 2007 II 820
BFH, Urt. v. 14.10.2004 - VI R 82/02, BStBl 2005 II 98
BFH, Urt. v. 15.12.2005 - III R 27/05, BStBl 2006 II 561
BFH, Urt. v. 30.07.2009 - VI R 13/08
FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.02.2012 - 3 K 2338/09
Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 07.05.13