Bei von den nominellen Beteiligungsanteilen an Kapitalgesellschaften abweichenden Gewinnausschüttungen legte die Finanzverwaltung bislang einen strengeren Maßstab an als die Rechtsprechung. Das BMF hat jetzt zu der steuerlichen Anerkennung solcher „inkongruenter Gewinnausschüttungen" Stellung genommen und sein Schreiben vom 07.12.2000 aufgehoben. Nach der neuen Verwaltungspraxis ist nun insbesondere entscheidend, ob die inkongruente Ausschüttung zivilrechtlich wirksam erfolgt ist. Liegt zudem kein Missbrauch von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor, ist die inkongruente Gewinnausschüttung anzuerkennen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommene inkongruente Gewinnausschüttung grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen. Der BFH hatte bereits mit Urteil vom 19.08.1999 ausdrücklich festgestellt, dass eine inkongruente Gewinnausschüttung grundsätzlich keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO darstellt; und zwar auch dann, wenn andere als steuerliche Gründe für solche Maßnahmen nicht erkennbar sind.
So erkannte der BFH die disquotalen Gewinnausschüttungen und die Verpflichtung zur Wiedereinlage als steuerlich zulässige Gestaltungsmöglichkeit an. Nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), stellt zugleich eine inkongruente Ausschüttung dar. Nach BFH-Ansicht gibt es keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln.
Mit BMF-Schreiben vom 07.12.2000 verfügte die Finanzverwaltung allerdings, dass die Grundsätze des beschriebenen BFH-Urteils über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sind (sog. Nichtanwendungserlass). So wurden von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Ausschüttungen und inkongruente Wiedereinlagen steuerrechtlich nur dann anerkannt, wenn hierfür außersteuerliche Gründe vorgebracht wurden.
Dies galt bislang auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag der Kapitalgesellschaft eine inkongruente Ausschüttung an die Gesellschafter vorsah oder diese durch eine entsprechende Öffnungsklausel ermöglicht wurde.
(Beteiligungs-)inkongruente Ausschüttungen, die zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen waren, wurden von der Finanzverwaltung steuerlich nur dann anerkannt, wenn für eine vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung besondere Leistungen eines oder mehrerer Gesellschafter für die Gesellschaft ursächlich waren.
Dabei mussten die für die abweichende Gewinnverteilung sprechenden Gründe sich aus dem Verhältnis zwischen der den Gewinn ausschüttenden Kapitalgesellschaft und den begünstigten Gesellschaftern ergeben.
Derartige für eine inkongruente Gewinnausschüttung beachtliche Gründe konnten insbesondere dann angenommen werden, wenn einem Gesellschafter im Hinblick auf zusätzliche Beiträge zum Gesellschaftszweck eine Mehrbeteiligung am Gewinn der Kapitalgesellschaft eingeräumt wurde.
Dies war z.B. der Fall, wenn ein Gesellschafter der Kapitalgesellschaft Grundstücke unentgeltlich zur Nutzung überließ oder wenn er unentgeltlich die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft übernahm.
Entscheidend war also, welche konkreten außersteuerlichen Sachverhalte für eine vom Stammkapital abweichende Gewinnverteilung anerkannt werden konnten. Diese mussten ihre Ursache im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und dem überproportional mit Gewinn bedachten Gesellschafter haben.
Zwischen den einzelnen Gesellschaftern begründete Leistungen konnten - nach Auffassung der Finanzverwaltung - aber nicht für eine anzuerkennende inkongruente Gewinnausschüttung entscheidend sein. Die Gesellschafter mussten also bislang darlegen, dass die überproportionale Ausschüttung eine zusätzliche Leistung des Gesellschafters zugunsten der Kapitalgesellschaft abgelten sollte.
Trotz der BFH-Rechtsprechung hielt die Finanzverwaltung bislang an dem Erlass vom 07.12.2000 fest. Nun wurde aber überraschend der Nichtanwendungserlass mit dem aktuellen BMF-Schreiben aufgehoben.
Der BFH-Rechtsprechung folgend ist daher zunächst zu prüfen, ob die inkongruente Ausschüttung zivilrechtlich wirksam erfolgt ist. Liegt zudem kein Missbrauch von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor, ist die inkongruente Gewinnausschüttung anzuerkennen.
Demnach ist von einem Missbrauch nicht auszugehen, wenn für die vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung „beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe" nachgewiesen werden.
Die Prüfung ist unter Zugrundelegung der besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Wenn die Gewinnverteilungsabrede allerdings nur kurzzeitig gilt oder wiederholt geändert wird, kann dies als Indiz für eine unangemessene Gestaltung gewertet werden.
Praxishinweis
Bei der Vereinbarung inkongruenter Gewinnausschüttungen sind die zivilrechtlichen Vorschriften zu beachten. Zudem sollten „beachtliche wirtschaftlich vernünftige außersteuerliche Gründe" für eine inkongruente Gewinnverteilung vorgehalten werden. Bei einer Nichtanerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung sollte (vor dem Hintergrund der positiven Rechtsprechung der Finanzgerichte) jedoch auch der Klageweg nicht gescheut werden.
BMF, Schreiben v. 17.12.2013 - IV C 2 - S-2750-a/11/10001
BMF, Schreiben v. 07.12.2000 - IV A 2 - S-2810-4/00, BStBl 2001 I 47
BFH, Urt. v. 19.08.1999 - I R 77/96, BFH/NV 2000, 112
Quelle: Deubner Verlag - vom 14.01.14