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Abziehbarkeit der Kosten für die Erstausbildung

Über das EU-Beitreibungsgesetz wurde gegen die aktuelle BFH-Rechtsprechung rückwirkend ab 2004 gesetzlich „klargestellt", dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium nach Abschluss der allgemeinen Schulausbildung oder des Abiturs vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen sind und Sonderausgaben bleiben. Als kleinen Trost gab es dafür einen ab 2012 von 4.000 € auf 6.000 € angehobenen jährlichen Höchstbetrag.

Das FG Münster bezweifelt weder die Verfassungsmäßigkeit noch die Zulässigkeit der Rückwirkung, weil

  • kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts mehr besteht,
  • das geltende Recht, das durch die Norm mit Rückwirkung verändert wurde, unklar und verworren war,
  • der Gesetzgeber mit Rückwirkung etwas anordnen darf, indem er die Rechtslage rückwirkend festschreibt, wie sie bis zur Änderung der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis entsprach,
  • Aufwendungen für ein Erststudium gemischt veranlasst sind und nicht zwangsläufig dem objektiven Nettoprinzip unterfallen,
  • der Gesetzgeber diese Aufwendungen nicht zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zulassen muss,
  • es sich um gemischte Kosten mit Bezug zur privaten Lebensführung handelt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entfaltet eine Rechtsnorm eine echte Rückwirkung, wenn sie die Geltung für Zeiträume anordnet, die vor Verkündung liegen und abgeschlossen sind. Es sind auch Fallgruppen anerkannt, in denen das Rückwirkungsverbot durchbrochen ist, etwa wenn ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts nicht oder nicht mehr bestehen konnte oder wenn das zuvor geltende Recht unklar und verworren war. Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt sein mag, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält. Er durfte mit Rückwirkung ab 2004 anordnen, dass Aufwendungen für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine (vorweggenommenen) Betriebsausgaben bei Selbständigen und Werbungskosten bei Arbeitnehmern sind.

Aufwendungen für ein Erststudium sind gemischt veranlasst, so dass sie nicht zwangsläufig dem objektiven Nettoprinzip unterliegen und der Gesetzgeber sie nicht zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zulassen muss. Sie sind nicht zwangsläufig beruflich veranlasst, weil ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt des Studiums an eine spätere Berufstätigkeit fehlt. So können bei den getätigten Aufwendungen auch private Interessen im Vordergrund stehen, der Student übt den angestrebten Beruf möglicherweise nicht aus oder für die spätere berufliche Tätigkeit wären die getätigten Aufwendungen in dem erfolgten Umfang nicht notwendig gewesen.

Praxishinweis

Auch das FG Düsseldorf ist von der Verfassungsmäßigkeit überzeugt. Es setzt daher Verfahren nicht aus und holt auch keine Entscheidung in Karlsruhe ein. Beim BFH sind jedoch Revisionen (unter den Aktenzeichen VI R 8/12 und VI R 2/12) anhängig, so dass Einsprüche ruhen können. Da das Gericht vermutlich kaum zu einem anderen Ergebnis als vor kurzer Zeit kommen wird, sind die Erfolgsaussichten von Studenten und Auszubildenden hoch, später doch noch zu höherem Abzugspotential zu kommen.

Die Abgrenzung zwischen Fort- und Ausbildung wurde im Jahre 2004 in § 12 Nr. 5 EStG neu definiert. Hierdurch stellen Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten dar, sofern die Bildungsmaßnahme nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Insoweit können sie nur begrenzt und nicht jahresübergreifend nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden. Ohne entsprechend hohe Einkünfte im selben Veranlagungszeitraum verpuffen die Sonderausgaben wirkungslos, während Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Wege des § 10d EStG vorgetragen werden können.

Weiterhin als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig sind (trotz der rückwirkenden Gesetzesänderung) die Kosten für eine beruflich veranlasste zweite Ausbildung (Berufsausbildung oder Studium), sofern ein hinreichender Zusammenhang mit späteren im Inland steuerpflichtigen Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit besteht. Dadurch kann jede berufliche Umschulung (also auch eine berufliche Neuorientierung) zum Abzug der hierfür geleisteten Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben führen.

FG Münster, Urt. v. 18.04.2012 - 10 K 4400/09 F
FG Münster, Urt. v. 20.12.2011 - 5 K 3975/09 F (Rev. unter VI R 8/12)
FG Düsseldorf, Urt. v. 14.12.2011 - 14 K 4407/10 F (Rev. unter VI R 2/12)
BFH, Urt. v. 28.07.2011 - VI R 7/10
BFH, Urt. v. 28.07.2011 - VI R 38/10
BFH, Urt. v. 17.04.1996 - VI R 94/04, BStBl 1996 II 450
Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz - BeitrRLUmsG) v. 07.12.2011, BGBl 2011 I 2592

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 26.06.12