Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Aktuelle Rechtsprechung zum Einkommen volljähriger Kinder

Das Einkommen volljähriger Kinder spielt zwar seit 2012 für Kindergeld und Steuervergünstigungen keine Rolle mehr. Doch streiten derzeit viele Eltern noch für die Zeit davor mit dem Finanzamt, was der Sprössling über 18 verdienen durfte. Zwei aktuelle Entscheidungen zeigen neue Aspekte.

Vorrangiger Zweck der steuerlichen Berücksichtigung eines Kindes im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ist die Freistellung des Existenzminimums bei der Einkommensbesteuerung seiner Eltern. Dies erfolgt entweder durch den Ansatz der beiden Freibeträge (Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) oder durch das Kindergeld. Das Kindergeld wird als Steuervergütung monatlich i.d.R. an die Eltern ausgezahlt. Dabei gilt, dass die Eltern eines Kindes, das selbst in der Lage ist, seinen Unterhalt zu erwirtschaften, also keinen Unterhalt von seinen Eltern benötigt, nicht durch Kindergeld oder Freibeträge für Kinder entlastet werden. Bei minderjährigen Kindern wird die Unterhaltsbedürftigkeit gesetzlich pauschal unterstellt; bei volljährigen Kindern erfolgte die Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit bisher anhand der Einkünfte- und Bezügegrenze von 8.004 € im Jahr. Zwei aktuelle Entscheidungen zeigen neue Aspekte dieses Grundsatzes auf.

Kindergeldanspruch im Hinblick auf ein durch ein Stipendium gefördertes Auslands-Promotionsstudium

Nach Ansicht des BFH stehen Aufwendungen für das Promotionsstudium eines Kindes im Ausland (im Urteilsfall in Großbritannien) weder in einem Veranlassungszusammenhang zu gegenwärtigen noch zu künftigen Einkünften. Ein Stipendium ist insoweit bei der Berechnung der Bezüge unberücksichtigt zu lassen, auch wenn es für besondere Ausbildungszwecke bestimmt ist. Die Aufwendungen mindern die Einkünfte und Bezüge nämlich nur dann, wenn sie als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu berücksichtigen wären, falls sie im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses angefallen wären.

Im Urteilsfall hatte der Sohn ein Promotionsstudium an einer Universität in Großbritannien aufgenommen. Die Uni bewilligte dem 23-Jährigen ein Stipendium von umgerechnet rund 20.000 €, was (entsprechend der englischen Steuergesetzgebung) steuerfrei ausgezahlt wurde. Die Familienkasse war der Ansicht, dass Einkünfte und Bezüge des Sohnes den Grenzbetrag überschreiten und dass Kosten für Unterkunft und Verpflegung nicht als besondere Ausbildungskosten berücksichtigt werden können.

Laut BFH entspricht der Begriff der Einkünfte dem gesetzlich definierten Begriff. Dieser ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen. Das bedingt bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person nach dem Welteinkommensprinzip zwar, dass auch im Ausland erzielte Einkünfte zu erfassen sind; dies gilt jedoch nur, wenn ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) das Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte einem anderen Staat zuweist.

  • Erhält ein Nachkomme von der ausländischen Universität ein Stipendium, das zu Einkünften führt, für die Großbritannien das Besteuerungsrecht zusteht, ist bei der Berechnung der für den Kindergeldanspruch maßgeblichen Einkünfte und Bezüge nur der Saldo aus den in Großbritannien erzielten Einnahmen und den damit in Zusammenhang stehenden Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei den Bezügen anzusetzen.
  • Stehen die Aufwendungen für das Promotionsstudium in keinem Veranlassungszusammenhang mit Einkünften, für die Großbritannien das Besteuerungsrecht zusteht, können sie als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn sie in einem Veranlassungszusammenhang mit einer künftigen Berufstätigkeit des Kindes im Inland stehen.
  • Stehen die Aufwendungen für das Promotionsstudium weder in einem Veranlassungszusammenhang zu gegenwärtigen noch zu künftigen Einkünften, ist das Stipendium insoweit unberücksichtigt zu lassen, als es für besondere Ausbildungszwecke bestimmt ist.

Die Aufwendungen mindern die Einkünfte und Bezüge dann und insoweit, als sie als Werbungskosten zu berücksichtigen wären, falls sie im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses angefallen wären. Infolgedessen muss zunächst festgestellt werden, ob

  • die unbeschränkte Steuerpflicht des Kindes in Deutschland fortbestanden hat,
  • Einnahmen aus dem Stipendium zu Einkünften führen, für die das Besteuerungsrecht dem Aus- oder Inland zusteht.

Einkünfte des Ehegatten

Das FG Münster hat sich mit der Frage der Maßgeblichkeit der Einkünfte und Bezüge des Ehegatten eines volljährigen verheirateten Kindes beschäftigt. Die Tochter war verheiratet, verließ das Gymnasium und absolvierte eine Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung auf, weil sich das Einkommen des Ehemannes der Tochter erhöht hatte. Auch ab Januar 2012 lehnte die Familienkasse den Antrag auf Kindergeld mit dem Hinweis auf die Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes bei einem verheirateten Kind ab.

Hierzu urteilte das FG Münster, dass die Tochter die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres erfüllte, da sie sich in diesem Zeitraum in einer Berufsausbildung befand. Die Einschränkung ab 2012, wonach ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums nur dann berücksichtigt wird, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, greift nicht, da es sich um eine Erstausbildung handelt. Die Höhe der Ausbildungsvergütung der Tochter ist für den Kindergeldanspruch nicht maßgeblich, da die Einkünfte- und Bezügeregelung zum 01.01.2012 entfallen ist. Gleiches gilt für den zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Ehemann.

Der Kindergeldanspruch setzt nach neuerer Rechtsprechung keine typische Unterhaltssituation voraus. Denn eine typische Unterhaltssituation ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, und die Frage, ob ein Kind typischerweise nicht auf Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen ist, war erst im Rahmen der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zu prüfen. Daran hat sich mit dem Wegfall der Prüfung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes zum 01.01.2012 nichts geändert. Der Fiskus hat mit der Neuregelung die Ausweitung der Begünstigungsfälle bewusst in Kauf genommen.

Praxishinweis

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder im Familienleistungsausgleich wurden durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 ab 2012 neu geregelt. Der Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze erleichtert in vielen Fällen insbesondere die Beantragung von Kindergeld. Dafür ist nach Abschluss der ersten Berufsausbildung des Kindes jetzt die 20-Stunden-Grenze bei einer nebenbei ausgeübten Erwerbstätigkeit zu beachten.

Nunmehr gilt: Folgende Bedingungen müssen volljährige Kinder erfüllen:

  • ohne Beschäftigung,
  • in Ausbildung,
  • auf Ausbildung wartend,
  • in der Übergangszeit zwischen Ausbildungsabschnitten,
  • Freiwilligendienst,
  • behinderte Kinder,
  • Kinder, die zwar volljährig, aber nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

An diesen Grundsätzen der Berücksichtigung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs änderte sich 2012 nichts. Vorrangiger Zweck bleibt die Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei der Einkommensbesteuerung seiner Eltern durch den Ansatz von Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf oder durch das Kindergeld.

Eltern eines Kindes, das selbst in der Lage ist, seinen Unterhalt zu erwirtschaften, werden nach wie vor nicht durch Kindergeld oder Freibeträge für Kinder entlastet. Bei volljährigen Kindern erfolgte die Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit bisher anhand der Einkommensgrenze; jetzt wird die Unterhaltsbedürftigkeit bei Kindern unterstellt, die sich in einer Erstausbildung (oder gleichgestellter Tatbestand) befinden. Nach Abschluss der Erstausbildung erfolgt die Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit - und das ist nunmehr anders - anhand der 20-Stunden-Grenze für eine Erwerbstätigkeit.

BFH, Urt. v. 27.09.2012 - III R 13/12
BFH, Urt. v. 17.06.2010 - III R 34/09
FG Münster, Urt. v. 30.11.2012 - 4 K 1569/12 Kg
Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 01.11.2011, BGBl 2011 I 2131

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 22.01.13