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Auch der Kauf eines größeren Grundstücks kann behinderungsbedingter Mehraufwand sein

Grundsätzlich sind die Mehraufwendungen für den behindertengerechten Neubau eines Hauses als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Das gilt jedenfalls immer dann, wenn der Zusatzpreis unumgänglich ist, denn dann sind die Mehraufwendungen notwendig und zwangsläufig. Zu den steuerlich begünstigten Mehraufwendungen können auch die Extrakosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks gehören, wenn behinderungsbedingt ein ebenerdiger Bungalow (mit entsprechender Fläche) statt mehrgeschossigem Einfamilienhaus (mit kleinerem Grundstück) in Betracht kommt.

Der Sachverhalt: Das traf in einem jetzt entschiedenen Urteilsfall auf eine schwerbehinderte Frau zu, die unter Multipler Sklerose litt und gemeinsam mit ihrem Ehemann zu eigenen Wohnzwecken einen Bungalow errichtete. Der Bungalow musste eingeschossig sein, denn aufgrund der Gehbehinderung war der Ehefrau das Steigen von Treppen nicht möglich. Die eingeschossige Bauweise erforderte eine zusätzliche Grundfläche für das Gebäude von 50 qm gegenüber einem mehrgeschossigen Bau. Diese größere Grundstücksfläche musste gekauft werden, was Mehrkosten von rund 15.000 € für den Baugrund ergab. Neben den Treppen kam auch der Aspekt hinzu, dass sanitäre Einrichtungen großzügig ausgelegt sein mussten, um pflegerische und betreuende Unterstützung durch andere Personen zu ermöglichen. Also brauchte das Paar Platz für Wendeflächen für den Rollstuhl, breitere Türen und niedrigere Schwellen, Haltegriffe und eine barrierefreie Duschkabine mit Klappsitz. Das summierte sich auf die rund 50 qm größere Grundfläche des Bungalows gegenüber einem Haus mit Obergeschossen, das ohne Berücksichtigung der Behinderung hätte gebaut werden können.

Grundsatz: Erwachsen einem Betroffenen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang als außergewöhnliche Belastung ermäßigt. In diesem Rahmen abzugsfähig sind Mehraufwendungen, die durch die Behinderung veranlasst und zur behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds erforderlich sind.

Nach Ansicht des FG Niedersachsen fallen im Urteilsfall darunter auch die von den Eheleuten getätigten Mehrkosten für die Anschaffung eines deutlich größeren Grundstücks. Denn dieses wurde nur deshalb angeschafft, weil die krankheitsbedingt erforderliche eingeschossige Bauweise die Anschaffung eines größeren Grundstücks aufgrund der (nach den Bauvorschriften vorgegebenen) Grundflächenzahl erforderlich machte.

Sollte das Finanzamt bei den zusätzlichen Kosten kritisch sein, sind folgende Begründungen nicht stichhaltig:

  • Auf die Möglichkeit der Errichtung eines Flachbaus in einem anderen Baugebiet mit einer entsprechend kleineren Grundstücksfläche brauchen sich Behinderte nicht verweisen zu lassen.
  • Theoretisch kommt auch der Einbau eines Treppenlifts oder Fahrstuhls in Betracht. Diese Wahlmöglichkeit ist aber im Ergebnis nicht ausschlaggebend. Denn auf die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen kommt es nicht an, wenn Mehraufwendungen durch eine Behinderung veranlasst sind.
  • Die neuen Hausbesitzer schaffen sich auch keinen Gegenwert. Das gilt schon deshalb nicht, weil der Flachbau eine behinderungsbedingt notwendige Baumaßnahme darstellt. Diese beinhaltet keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert, vielmehr erwachsen die Kosten unausweichlich und zwangsläufig.

Praxishinweis

Werden etwa ein Treppenlift oder ein Fahrstuhl auch aus Kostengründen verworfen, ist es dennoch unerheblich, ob die eingeschossige Bungalowbauweise alternativlos war. Es muss sich nur um Mehraufwendungen handeln, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Umgestaltung seines individuellen Wohnumfelds erforderlich sind. Das bedingt, dass diese Umgestaltung nur in dem Umfang Wohnflächen vergrößernde Baumaßnahmen umsetzt, die behinderungsbedingt erforderlich sind, insbesondere für Bad und Flure. Zudem müssen sich diese notwendigen Wohnflächenvergrößerungen immer noch im Rahmen allgemein üblicher Wohnflächen befinden.

Der Abzug dieser zwangsläufigen Aufwendungen ist nicht durch einen Gegenwert gehindert. Behinderungsbedingter Mehraufwand steht immer so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass in Anbetracht der Gesamtumstände der Erhalt eines möglichen Gegenwerts in den Hintergrund tritt. Es handelt sich um eine aus tatsächlichen Gründen bestehende zwangsläufige Mehrbelastung des Steuerpflichtigen.

Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, die Krankheit sei nicht ursächlich für den Erwerb des größeren Grundstücks gewesen. Zumindest könnten erhebliche persönliche Motive (unabhängig von der Krankheit) nicht ausgeschlossen werden. Ferner sei in dem konkreten Fall der Frau zu berücksichtigen, dass weiterhin von der Gegenwerttheorie ausgegangen werden müsse. Dies gelte für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die keine speziell auf die Behinderung zugeschnittenen Eigenschaften ausweisen. Das Grundstück sei unabhängig von der Behinderung von bleibendem und andauerndem Nutzen und besitze eine erhöhte Marktfähigkeit. Außerdem sei unter Berücksichtigung der derzeitigen Wirtschaftslage zukünftig eher noch eine Wertsteigerung zu erwarten.

FG Niedersachsen, Urt. v. 17.01.2013 - 14 K 399/11
BFH, Urt. v. 24.02.2011 - VI R 16/10

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 21.05.13