Andreas Klein © fotolia.de

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Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

Beraterfehler: Falsche Gewinnermittlung führt nicht zur Steuerhinterziehung

Wer seinem Steuerberater die für die Steuererklärung erforderlichen Informationen richtig und vollständig bereitstellt, darf grundsätzlich auf die Korrektheit der vorbereiteten Steuererklärung vertrauen. Zumindest kann ihm ein leichtfertiger Fehler seines Beraters nicht ohne Weiteres zugerechnet werden. Der BFH hat vor diesem Hintergrund die Annahme einer Verlängerung der Festsetzungsfrist gem. § 169 AO bei einem fehlerhaften Steuerbescheid abgelehnt.

Im Regelfall darf der Steuerpflichtige darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet. Das gilt zumindest dann, wenn der Mandant die erforderlichen Informationen vollständig bereitgestellt hat. So ist der Steuerpflichtige auch nicht unbedingt verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen.

Vor diesem Hintergrund kann dem Steuerpflichtigen das leichtfertige Handeln des Steuerberaters weder nach straf- oder bußgeldrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden. So entschied jetzt der BFH im Fall einer Steuererklärung eines Selbstständigen und lehnte eine Verlängerung der Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abgabenordnung (AO) ab.

In dem vom BFH entschiedenen Fall setzte ein Steuerberater versehentlich in der Steuererklärung des Jahres 1996 einen Verlust doppelt an. Die Erklärung wurde im Anschluss antragsgemäß veranlagt. Im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung wurde der Fehler schließlich erkannt.

Daraufhin änderte das Finanzamt den Steuerbescheid für das Jahr 1996 zum Nachteil des Steuerpflichtigen. Dieser berief sich auf Festsetzungsverjährung, die ohne die Annahme einer leichtfertigen Steuerverkürzung eingetreten wäre.

Nach Auffassung des BFH lagen die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre gem. § 169 Abs. 2 S. 2 und S. 3 AO nicht vor, weil weder der Kläger noch sein Steuerberater oder dessen Steuerfachangestellte eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V.m. § 370 AO begangen haben.

Der BFH stellte insoweit klar: Hängt die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids von der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) und somit vom Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung ab, müssen zur Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 378 AO erfüllt sein.

Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Der Steuerberater kann aber nur eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn er den Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO vollständig erfüllt. Nach dieser Vorschrift muss der Täter gegenüber den Finanzbehörden bzgl. steuerlich erheblicher Tatsachen unrichtige Angaben machen. Bei der von dem Gesetzgeber intendierten engen Auslegung des Tatbestands begeht der Steuerberater aber keine Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO, wenn er die Steuererklärung seines Mandanten lediglich vorbereitet und diese vom Steuerpflichtigen unterzeichnet und eingereicht wird.

Denn insoweit fehlt es an eigenen Angaben des Steuerberaters gegenüber dem Finanzamt: Durch die Einreichung der Steuererklärung hat schließlich nicht der Steuerberater, sondern der Steuerpflichtige Angaben gegenüber dem Finanzamt gemacht. Für diese hat er durch seine Unterschrift die Verantwortung übernommen.

Dies gilt selbst im Fall eines sog. Mitwirkungsvermerks des Steuerberaters: Denn die Mitwirkung bei der Anfertigung der Steuererklärung beschränkt sich letztlich ebenfalls auf die Vorbereitung der Steuererklärung.

Auch eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in mittelbarer Täterschaft kam nicht in Betracht. Denn eine Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass eine vorsätzliche Tatbegehung vorliegt. Dafür gab es aber im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

Eine Verantwortung des Steuerberaters ergibt sich nach Ansicht des BFH auch nicht aus § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG. Denn der Umstand, dass der Kläger als Steuerpflichtiger die Steuererklärung unterschreibt und beim FA einreicht, ist kein persönliches Merkmal i.S.d. § 9 OWiG, sondern eine die Ordnungswidrigkeit begründende Handlung.

Zudem setzt § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG eine ausdrückliche Beauftragung durch den Betriebsinhaber zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten voraus. Hieran fehlt es, wenn der Steuerberater - wie vorliegend - lediglich mit der Gewinnermittlung und Vorbereitung der Steuererklärung beauftragt und nur im Innenverhältnis tätig ist.

Vor diesem Hintergrund waren die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht erfüllt.

Auch das Handeln des Steuerpflichtigen selbst führt nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, weil er nicht leichtfertig gehandelt hat.

Denn ein derartiger Verschuldensgrad liegt nur dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Zwar hat der BFH im Zusammenhang mit der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wiederholt entschieden, dass der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die von seinem steuerlichen Berater vorbereitete Erklärung darauf zu überprüfen, ob sie alle Angaben tatsächlicher Art enthält, und diesen Verschuldensmaßstab auch auf das Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO übertragen. Allerdings darf der Steuerpflichtige im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet. Dies gilt zumindestens dann, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuerklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat.

Demnach ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Der BFH hielt aber das Nichterkennen des fehlerhaften doppelten Abzugs des Verlustes durch den Steuerpflichtigen nach diesem Maßstab für nicht leichtfertig - während das leichtfertige Verhalten des Steuerberaters dem Steuerpflichtigen nicht zugerechnet werden konnte. Dementsprechend lagen auch die Voraussetzungen der verlängerten Festsetzungsverjährung gem. § 169 AO nicht vor.

Praxishinweis

Der BFH hat eine für die steuerliche Praxis wichtige Entscheidung getroffen: Fehler bei der Anfertigung der Steuererklärung, die ein Steuerberater begeht und die für den Steuerpflichtigen nicht ohne Weiteres erkennbar sind, stellen weder eine Steuerstraftat oder eine Steuerordnungswidrigkeit des Steuerberaters noch des Steuerpflichtigen dar. Auch eine Änderung des Steuerbescheids nach Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist scheidet aus. Diese Entscheidung ist also sowohl für die steuerberatenden Berufe als auch für die Mandanten rundum positiv zu werten.

BFH, Urt. v. 29.10.2013 - VIII R 27/10
BFH, Urt. v. 23.07.2013 - VIII R 32/11

Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz - vom 07.01.14