Thomas Jansa © Fotolia.de

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BFH äußert verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinsschranke

Der BFH hat verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinsschranke geäußert und aus diesem Grund einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) stattgegeben. Die Regelung wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 eingeführt und durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz 2009 geändert.

Die Regelung verhindert den vollständigen Abzug betrieblicher Zinsaufwendungen, um konzerninternen Fremdkapitalfinanzierungen mit dem Ziel der Gewinnverlagerung ins Ausland zu begegnen. Davon ausgehend gilt sie konsequenterweise grundsätzlich nicht, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört (sog. Stand-alone-Klausel). Es gibt jedoch eine Rückausnahme: Die Zinsschranke bleibt nur dann außen vor, wenn die finanzierende Bank keinen Rückgriff von maximal 10 % des Zinssaldos auf einen zu höchstens einem Viertel mittelbar Beteiligten nehmen kann. Gibt aber z.B. der mit höherer Quote beteiligte Gesellschafter Bürgschaften, scheidet die Stand-alone-Klausel aus.

Der BFH äußert nun verfassungsrechtliche Zweifel an der für Körperschaften geltenden Rückausnahme von der Stand-alone-Klausel, weil

  • durch die Rückausnahme nicht nur Umgehungsgestaltungen erfasst werden und 
  • sie bei Zinsaufwendungen für übliche, lediglich durch Bürgschaften gesicherte Bankdarlehen weiterhin gilt.

Hinweis: Dabei betont der BFH, dass der AdV-Antrag nicht schon wegen der Begründung und des Verweises auf das überwiegende öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung abzulehnen ist. Denn auf der anderen Seite kommt es allein durch die mit der Zinsschranke eintretende Steuerbelastung selbst ohne konkrete Existenzgefährdung zu einem Aussetzungsinteresse, welches gegenüber der öffentlichen Beachtung einer geordneten Haushaltsführung überwiegt. Im Rahmen dieser Abwägung kommt es maßgeblich an auf

  • die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und 
  • die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung.

Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist ernstlich zweifelhaft, ob das Finanzamt gezahlte Schuldzinsen unter Hinweis auf die Zinsschranke nur teilweise als Betriebsausgaben zum Abzug zulassen darf.

Dem Grunde nach führen die gesetzlichen Einschränkungen dazu, dass Zinsaufwendungen nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA (30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens) abziehbar sind. Nach Schritt 1 verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen.

Nach der Stand-alone-Klausel ist die Voraussetzung für die Anwendung der Zinsschranke nicht erfüllt, wenn der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört oder Vergütungen für Fremdkapital an einen höchstens zu einem Viertel am Kapital beteiligten Anteilseigner (inkl. mit diesem nahestehende Personen oder Dritte) anfallen. Können aber kreditgewährende Banken aufgrund von Bürgschaften zu mehr als 10 % Rückgriff nehmen, ist die Voraussetzung erfüllt. Dies löst beim BFH im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einschränkung aus, weil

  • das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit mangels besonderem sachlichen Grund nicht beachtet werden und
  • mit den Regelungen zur Zinsschranke von der Grundentscheidung abgewichen wird, dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Betrieb belasten.

Das BVerfG hat nun zu prüfen, ob es gerade im Bereich üblicher Fremdfinanzierungen zu unverhältnismäßigen Belastungswirkungen kommt, durch die sich insbesondere die Situation insolvenzbedrohter, finanz- und ertragsschwacher Unternehmen weiter verschlechtert. Denn die Zinsschranke belastet besonders Unternehmen, die auf Fremdkapital angewiesen sind, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Der BFH argumentiert nun, dass diesen in der Not nur dann finanziell unter die Arme gegriffen wird, wenn der betroffene Betrieb durch seine Gesellschafter Sicherheiten bei der Bank stellen kann. Insoweit führt die Zinsschranke zu einem steuerlichen Eingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen.

Praxishinweis

Der BFH definiert folgende Aussetzungsregelungen:

  • Gegen eine AdV spricht nicht, dass regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden kann, als vom BVerfG zu erwarten ist. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:
    1. Ist zu erwarten, dass das BVerfG lediglich die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem GG ausspricht und dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für die Zukunft auferlegt, kann keine AdV gewährt werden. 
    2. Ist nicht zu erwarten, dass das BVerfG dem Gesetzgeber lediglich einen Regelungsauftrag für die Zukunft erteilen wird, weil die Wirkung für die Zukunft nur die Ausnahme darstellt, darf bei der Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz die Norm grundsätzlich nicht mehr angewendet werden.
  • Es besteht kein bestimmtes Interesse, das eine AdV in Höhe der gesamten Steuerfestsetzung verlangt. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der BFH Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hat; eine abweichende Beurteilung durch das BVerfG ist nicht zweifelsfrei auszuschließen.
  • Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist im Grundsatz dann geboten, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint.
  • Ein schutzwürdiges AdV-Interesse fehlt, wenn die Aussetzung eines Folgebescheids begehrt wird, obwohl ein Grundlagenbescheid bereits ergangen ist. Die AdV des Grundlagenbescheids begründet eine Verpflichtung der für den Erlass des Folgebescheides zuständigen Behörde, die Vollziehung dieses Bescheids auszusetzen.

BFH, Beschl. v. 13.03.2012 - I B 111/11
BFH, Beschl. v. 01.04.2010 - II B 168/09, BStBl 2010 II 558
BFH, Beschl. v. 19.08.1994 - X B 318, 319/93
BFH, Beschl. v. 27.08.2002 - XI B 94/02, BStBl 2003 II 18
BFH, Beschl. v. 05.04.2011 - II B 153/10, BStBl 2011 II 942
Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl 2007 I 1912
Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) v. 22.12.2009, BGBl 2009 I 3950

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 29.05.12