Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

BFH: Ist der Ausschluss des „Soli“ von der Erstattung des Körperschaftsteuerguthabens verfassungswidrig?

GmbH, AG, Limited, Verein, Genossenschaft und andere Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft können sich jetzt die berechtigte Hoffnung darauf machen, dass ihnen ihr Finanzamt den in der Vergangenheit bezahlten Solidaritätszuschlag („Soli") zurückbezahlt. Der BFH hat nämlich dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob es den allgemeinen Gleichheitssatz und die Grundsätze rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes verletzt, dass die aktuell laufende Rückzahlung des Körperschaftsteuerguthabens in jährlichen Raten weder die Bemessungsgrundlage zum Solidaritätszuschlag mindert noch ein Anspruch auf Auszahlung eines Solidaritätszuschlagguthabens aus anderen Rechtsvorschriften besteht.

Diese Entscheidung und vor allem der spätere Ausgang des Verfahrens in Karlsruhe sind für die Kapitalgesellschaften bedeutsam, die aus der Zeit des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens noch über ein Körperschaftsteuerguthaben verfügen, das noch abgebaut werden muss. Das BVerfG hatte bereits die Umgliederung des Körperschaftsteuerguthabens beim Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren vor zwei Jahren als unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz eingestuft, soweit dies zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotential geführt hatte. Dies wurde mittlerweile dahingehend geändert, dass durch die Feststellung eines höheren Körperschaftsteuerguthabens kein Guthaben mehr verloren geht.

Der BFH begründet seine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Soli-Ausschlusses von der Rückzahlung sehr ausführlich und trägt eine Reihe stichhaltiger Argumente vor. Nachfolgend zehn wichtige Aussagen im Tenor, die Kapitalgesellschaften darin bestärken sollen, ihre Fälle bis zur Entscheidung des BVerfG offenzuhalten:

  1. Ab 2007 wurde die Rückzahlung des Körperschaftsteuerguthabens aus dem Veranlagungsverfahren gelöst und Körperschaften haben von 2008 bis 2017 einen Anspruch auf Auszahlung in zehn gleichen Jahresbeträgen. Auf den Soli wirkt sich das aber im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage nicht mehr aus. Dies ist nach Auffassung des BFH verfassungswidrig. Es benachteiligt Steuerpflichtige, die im Vertrauen auf die ursprüngliche Regelung davon abgesehen hatten, durch Gewinnausschüttungen ihr Körperschaftsteuerguthaben anzufordern. Für diese Benachteiligung sieht der BFH keinen sachlichen Grund.
  2. Der Gesetzgeber führt als Gründe Missbrauchsabwehr, Verwaltungsvereinfachung und Vorhersehbarkeit der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte an. Diese rechtfertigten die nachteilige Änderung für den Soli nicht. Eine Änderung zu Lasten der Kapitalgesellschaften ist nur zulässig, wenn erhebliche Gründe des Gemeinwohls dies gebieten. Solche Motive sind aber nicht ersichtlich. Die verfolgten Ziele des Gesetzgebers erfordern nicht, den Anspruch auf Körperschaftsteuerminderung von der Bemessungsgrundlage zum Solidaritätszuschlag auszunehmen. Die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte sind vorhersehbar und Gestaltungsmöglichkeiten nicht vorhanden.
  3. Der Auszahlungsbetrag gilt als Körperschaftsteuerrückzahlung behandelt und verfahrensrechtlich gilt die Vorschrift für Steuervergütungen (BT-Drs. v. 25.09.2006 - 16/2710, 33). Es handele sich aber um keine Steuervergütung. Diese liegt nur vor, wenn eine gezahlte Steuer an einen anderen als den Steuerschuldner zurückgezahlt wird. Dies ist hinsichtlich der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens gerade nicht gegeben.
  4. Die gefundene Auszahlungsmodalität verletzt Art. 3 GG und die Grundsätze rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. Das gilt auch für ungleiche Belastungen. Jetzt werden aber diejenigen benachteiligt, die damals keine rechtzeitige Gewinnausschüttung ihres Körperschaftsteuerguthabens vorgenommen hatten. Ein sachlicher Grund, der so gewichtig ist, dass er diese Benachteiligung rechtfertigt, ist nicht ersichtlich.
  5. Die Feststellung eines Anspruchs auf Auszahlung des auf das Körperschaftsteuerguthaben entfallenden Solidaritätszuschlags wäre mit einem geringen Verwaltungsmehraufwand möglich.
  6. Es ist nicht einsichtig, weshalb abweichend von der früheren Rechtslage die Rückzahlung des Körperschaftsteuerguthabens keinen Einfluss mehr auf den Solidaritätszuschlag haben soll.
  7. Es ist nicht gerechtfertigt, gerade diejenigen Kapitalgesellschaften zu bevorzugen, die durch ihr Ausschüttungsverhalten die Änderungen der Übergangsvorschriften ausgelöst haben. Diese haben ihr Körperschaftsteuerguthaben sofort in vollem Umfang zuzüglich des hierauf entfallenden Soli erhalten.
  8. Der unerwartete Einbruch des Körperschaftsteueraufkommens mag das Körperschaftsteuer-Moratorium rechtfertigen. Es sind aber keine Gründe ersichtlich, weshalb die Rückzahlung nunmehr keine mindernden Auswirkungen auf den Soli haben soll.
  9. Der Umstand, dass ungewiss ist, ob das Körperschaftsteuerguthaben tatsächlich mit Solidaritätszuschlag belastet ist, rechtfertigt es nicht, von den ursprünglichen Regelungen abzuweichen. Der Gesetzgeber hat selbst mitzuverantworten, dass nicht mehr festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang das beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren vorhandene Eigenkapital mit Soli belastet ist oder nicht.
  10. Der Gesetzgeber hat bei der Änderung einer bereits bestehenden Übergangsregelung einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen, von dem er sich zu Lasten des Steuerpflichtigen nur lösen kann, wenn schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sind. Solche Nachteile sind nicht ersichtlich.

Fazit: Dem Vertrauen der Kapitalgesellschaften in den Fortbestand der bisherigen Regelung, nach der sie ihr Körperschaftsteuerguthaben mit mindernder Wirkung für den Solidaritätszuschlag zurückerhielten, kommt Vorrang vor dem Interesse des Gesetzgebers an der Änderung der bisherigen Übergangsregelungen zu.

Praxishinweis

Die Finanzämter weisen Einsprüche als unzulässig zurück, weil die Festsetzung eines Solidaritätszuschlags-Erstattungsanspruchs nicht Regelungsinhalt des angefochtenen Bescheides sei und mithin keine Beschwer vorliegen soll. Das betrifft folgende Rechtsbehelfe:

  • Einspruch gegen die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens inklusive eines Aufschlags von 5,5 % für den Soli,
  • Anträge auf gesonderte Festsetzung des Auszahlungsanspruchs für den Solidaritätszuschlag,
  • Einspruch gegen die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens, der nicht mit einem Antrag auf Festsetzung des Auszahlungsanspruchs für den Solidaritätszuschlag verbunden ist,
  • Einspruch gegen den Bescheid zum 31.12.2006 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen mit Antrag auf gesonderte Feststellung eines Solidaritätszuschlagguthabens.

Durch die aktuelle Vorlage dieses höchst strittigen Sachverhalts vom BFH an das BVerfG können Einspruchsverfahren jetzt bis zur endgültigen Entscheidung aus Karlsruhe ruhend gestellt werden und damit offenbleiben. Das betrifft sowohl Rechtsbehelfe, die sich gegen den Bescheid über die Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens richten, als auch die hilfsweisen Anträge auf gesonderte Festsetzung eines Auszahlungsanspruchs für den auf das Guthaben entfallenden Solidaritätszuschlag. Hierzu sollte die Festsetzung eines Solidaritätszuschlagguthabens beantragt und anschließend gegen den Ablehnungsbescheid Rechtsbehelf eingelegt werden.

BFH, Beschl. v. 10.08.2011 - I R 39/10
BVerfG, Urt. v. 09.12.2008 - 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08
Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG), BT-Drs. 16/2710 v. 25.09.2006

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 06.12.11