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BFH: Nach Zahlungsverjährung oder bei zu hoch berechneten Steuerzinsen geht das Finanzamt leer aus

Der BFH hat in zwei am 18.01.2012 veröffentlichten Urteilen entschieden, dass das Finanzamt

  • versehentlich zu viel erstattete Steuer nicht mehr zurückfordern kann, wenn der Rückforderungsanspruch verjährt ist,
  • zu hoch ausgesetzte Zinsen nicht einfordern darf, sofern der Rechtsbehelf ein voller Erfolg war.

Nachfolgend die Hintergründe im Detail:

Korrektur einer Anrechnungsverfügung bei eingetretener Zahlungsverjährung

Das Finanzamt kann versehentlich zu viel angerechnete und an den Steuerpflichtigen erstattete Lohnsteuer nicht mehr zurückfordern, wenn der Rückforderungsanspruch verjährt ist. Das ist der Fall, wenn seit dem Erlass des Einkommensteuerbescheids mehr als fünf Jahre verstrichen sind und somit die Zahlungsverjährung eintritt. Auf den Zeitpunkt der Änderung der Anrechnungsverfügung kommt es dabei nicht an. Grundsätzlich verjähren Ansprüche aus dem Steuerverhältnis nach fünf Jahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, frühestens aber mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt.

Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt aufgrund eines eigenen Fehlers den zehnfachen Betrag der tatsächlich abgeführten Lohnsteuer auf die festgesetzte Einkommensteuer angerechnet und daher eine viel zu hohe Steuererstattung ausgezahlt. Der Steuerpflichtige reagierte nicht auf diese üppige Überweisung. Erst mehr als fünf Jahre, nachdem es den Einkommensteuerbescheid zuletzt geändert hatte, erkannte das Finanzamt seinen Fehler, korrigierte die Anrechnungsverfügung und verlangte anschließend den zu viel ausgezahlten Erstattungsbetrag wieder zurück.

Das war aber nicht mehr möglich, da mittlerweile die Zahlungsverjährung eingetreten war. Nach Ablauf der Verjährungsfrist sollen Bürger und Unternehmer Rechtssicherheit darüber haben, was sie aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen zahlen müssen und was ihnen erstattet wird. Das Finanzamt darf deshalb nach Fristablauf keine Zahlungsansprüche mehr geltend machen. Umgekehrt kann der Steuerpflichtige nach Ablauf der Frist auch nicht mehr verlangen, dass ihm auf die festgesetzte Steuer nachträglich etwas angerechnet und erstattet wird.

Zu hoch berechnete Aussetzungszinsen

Für fehlerhaft zu hoch ausgesetzte Beträge entstehen keine Aussetzungszinsen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache vollen Erfolg gehabt hat. Denn nur wenn ein Einspruch endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen.

Im entschiedenen Fall hatte das Finanzamt im Einspruchsverfahren gegen Feststellungsbescheide (sog. Grundlagenbescheide) antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung bewilligt. Bei der Berechnung des Aussetzungsbetrags im Rahmen der Einkommensteuerbescheide (Folgebescheide) setzte es fehlerhaft einen zu hohen Betrag von der Vollziehung aus. Im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungsbescheide siegte der Steuerpflichtige in vollem Umfang, musste aber aufgrund der zuvor erfolgten überhöhten Aussetzung trotzdem Nachzahlungen leisten, auf die das Finanzamt Zinsen festsetzte.

Diese Zinsfestsetzung ist rechtswidrig, weil sie die teilweise Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs voraussetzt. Hat das Rechtsbehelfsverfahren aber in vollem Umfang Erfolg, ist der Tatbestand der Verzinsung nicht erfüllt. Nach Sinn und Zweck von Aussetzungszinsen kommt auch keine erweiternde Auslegung der Vorschrift in Betracht.

Bisherige BFH-Entscheidungen, dass die Zinsfestsetzung von dem tatsächlich ausgesetzten Betrag abhängt, beziehen sich auf Konstellationen, in denen die jeweils eingelegten Rechtsbehelfe wenigstens teilweise erfolglos geblieben waren. Diese Entscheidungen beziehen sich nur auf die darauf folgende Frage, in welchem Umfang der ausgesetzte Betrag verzinst wird, und nicht auf den Erfolg des Rechtsbehelfs.

Hinweis: Aussetzungszinsen sollen einem Steuerpflichtigen den ihm durch die Gewährung der ausgesetzten Beträge erreichten Zinsvorteil ausgleichen. Das kann aber nicht mehr gelten, wenn sein Rechtsbehelf ein voller Erfolg ist. Denn dann hätte ihm die Steuer ohne Einspruch bereits vorher zugestanden und er hätte das Geld selbst verzinslich anlegen können. Insoweit ist das Urteil des BFH nachvollziehbar.

Praxishinweis

Eine Anrechnungsverfügung stellt einen deklaratorischen Verwaltungsakt dar, der keine Ansprüche begründet, die nicht - unabhängig von der Anrechnungsverfügung - bereits bestehen. Die Anrechnungsverfügung zieht nur die rechnerischen Nachwehen aus bereits an anderer Stelle begründeten Rechten und Pflichten. Demzufolge ist für die Zahlungsverjährungsfrist auf die festgesetzten steuerlichen Ansprüche abzustellen, auch wenn diese beim Finanzamt erst entstehen, wenn es die Anrechnungsverfügung ändert.

Die Frage, ob ein Rechtsbehelf Erfolg hatte, bemisst sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkreten Begehren des Steuerpflichtigen - unabhängig von der verfahrenstechnischen Art der Erledigung. „Endgültig keinen Erfolg" hat der Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn

  • er durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen wird,
  • ihn der Rechtsbehelfsführer zurückgenommen hat oder 
  • er eingeschränkt worden ist.

Für die Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit ist dementsprechend ausschließlich auf das Ergebnis des gegen einen Bescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens abzustellen.

BFH, Urt. v. 25.10.2011 - VII R 55/10
BFH, Urt. v. 31.08.2011 - X R 49/09
BFH, Urt. v. 12.12.2007 - XI R 25/07
BFH, Urt. v. 22.05.2007 - X R 26/05
BFH, Urt. v. 09.12.1998 - XI R 24/98, BStBl 1999 II 201

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.01.12