Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

BVerfG: Ausschluss des Splittings für eingetragene Lebenspartnerschaften ist verfassungswidrig

Der Ausschluss eingetragener Lebenspartner von der Zusammenveranlagung und dem Ehegattensplitting verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot. Der Lebenspartnerschaft ist als eigenem Familienstand Splitting zu gewähren, stellt das BVerfG jetzt klar.

Eingetragene Lebenspartnerschaften wurden bei der Einkommensteuer bisher wie Unverheiratete behandelt; dadurch wurden sie also - ob mit oder ohne Kinder - wirtschaftlich schlechter gestellt. Die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen beim Ehegattensplitting ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb verfassungswidrig. Die entsprechenden Vorschriften im Einkommensteuergesetz, die Ehegattensplitting nur für Eheleute ermöglichen, verstoßen dem Richterspruch zufolge gegen den im Grundgesetz verankerten allgemeinen Gleichheitssatz. Denn es fehlt an hinreichend gewichtigen Sachgründen für die Ungleichbehandlung, weil die Vorschriften eingetragenen Lebenspartnern - anders als Ehegatten - nicht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens eröffnen, so die Argumente der Verfassungsrichter.

Allein der besondere Schutz der Ehe und Familie rechtfertigt die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft nicht. Der sachliche Differenzierungsgrund ist in erster Linie dazu geeignet, die Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften, die durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägt sind, besserzustellen. Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer, in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich gestalteter Lebensformen einher, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung indes nicht.

Infolgedessen hat der Gesetzgeber nun die Pflicht, den festgestellten Verfassungsverstoß schleunigst zu beseitigen - und zwar rückwirkend auf den Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft am 01.08.2001. Da er hierfür unterschiedliche Möglichkeiten hat, kommt nach Ansicht des BVerfG im gegenwärtigen Fall nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Übergangsweise sind deshalb die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting (Veranlagungsarten und Kinderfreibeträge) zur Vermeidung einer Unsicherheit in der Rechtslage auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anzuwenden.

Hierbei gilt die Maßgabe, dass auch eingetragene Lebenspartner, deren Veranlagungen noch nicht bestandskräftig durchgeführt sind, mit Wirkung ab dem 01.08.2001 unter den für Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingverfahrens beanspruchen können.

Dabei gilt die Regel, dass Steuerbescheide, die rechtskräftig geworden sind, nicht mehr geändert werden dürfen. Lebenspartner können den Splittingtarif also in offenen Altfällen - ruhender Einspruch oder Bescheid unter Vorbehalt - anwenden. Allerdings spekulieren einige Experten, dass gesetzlich hier eine Ausnahme vorgesehen wird, damit alle Personen in eigetragenen Lebenspartnerschaften, die seit 2001 Steuerbescheide erhalten haben, das Splitting noch rückwirkend nutzen können.

Hintergrund: Zweck des 1958 eingeführten Splittingverfahrens war, Ehen unabhängig von der Verteilung des Einkommens zwischen den Ehegatten bei gleichem Gesamteinkommen gleich zu besteuern. Das Verfahren nimmt hierbei den zivilrechtlichen Grundgedanken der Ehe als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs auf. Aber auch die eingetragene Lebenspartnerschaft ist als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs ausgestaltet. Bereits seit ihrer Einführung im Jahr 2001 ist sie in ihren wesentlichen Grundzügen mit der Ehe vergleichbar: Die wechselseitige Verpflichtungsbefugnis bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs sowie die eingeschränkte Verfügungsberechtigung über eigenes Vermögen sind in beiden Gemeinschaften identisch geregelt. Zudem mussten die Lebenspartner bereits seit 2001 ohne Lebenspartnerschaftsvertrag die sogenannte Ausgleichsgemeinschaft vereinbaren, bei der die Vorschriften für die eheliche Zugewinngemeinschaft entsprechend galten. Zum 01.01.2005 wurde explizit die Zugewinngemeinschaft als Regelgüterstand eingeführt.

Praxishinweis

Durch das Ehegattensplitting wird die Steuerbelastung von Eheleuten gesenkt. Das Gesamteinkommen wird durch zwei geteilt (gesplittet) und darauf wird der reguläre Steuertarif für Alleinstehende angewendet. Danach werden die beiden Steuerbeträge verdoppelt und zu einer Gesamtschuld addiert.

Vor allem, wenn ein Partner deutlich mehr verdient als der andere oder sogar Alleinverdiener ist, ergibt sich ein erheblicher Steuervorteil. Verdienen beide Partner gleich viel, haben sie vom Splitting keine Vorteile. Durch den progressiven Steuertarif entsteht ein Splittingvorteil gegenüber unverheirateten Paaren mit gleichem Haushaltseinkommen.

BVerfG, Beschl. v. 07.05.2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07
Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) v. 16.02.2001, BGBl 2001 I 266

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 11.06.13