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BVerfG soll gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten prüfen

Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 brachte - neben den Änderungen bei der Körperschaftsteuer - eine Reihe von Neuregelungen bei der Gewerbesteuer mit sich.

Die Neuerungen betreffen etwa die

  • Nichtabzugsfähigkeit der Kommunalabgabe bei der Gewinnermittlung,
  • Absenkung der Gewerbesteuermesszahl von 5 % auf 3,5 %,
  • Erhöhung des Anrechnungsfaktors für die Einkommensteuer bei gewerblichen Einkünften von 1,8 auf 3,8 und insbesondere
  • Hinzurechnung aller Dauerschuld- und Kurzfristzinsen und von Finanzierungsanteilen der Mieten, Pachten, Leasingraten für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter sowie von Rechten an immateriellen Wirtschaftsgütern bei der Gewerbesteuer, unter Ansatz eines Freibetrags von 100.000 €.

Das FG Hamburg stufte jüngst die ab dem Jahr 2008 wesentlich geänderte gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz als verfassungswidrig ein und rief daher das BVerfG zur Klärung der Frage an. In Karlsruhe ist die Frage mittlerweile unter dem Aktenzeichen 1 BvL 8/12 anhängig.

Begründung: Erwirtschaftet ein Gewerbebetrieb einen steuerpflichtigen Ertrag und werden hierzu Aufwendungen wie etwa Zinsen oder Pachten nicht berücksichtigt, ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ohne Rechtfertigungsgründe verletzt.

Dagegen hält das FG Münster die Hinzurechnungsregelung nicht für verfassungswidrig und schließt sich der Auffassung des FG Hamburg nicht an. Es sind zwar auch nach seiner Ansicht Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit erkennbar, diese reichen jedoch nach Überzeugung der Richter nicht aus, um die Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit zu verwerfen.

Das Klageverfahren wurde auch nicht bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss des FG Hamburg ausgesetzt. Denn im Urteilsfall ging es - anders als im vorgelegten Verfahren - um den Sonderfall einer Weitervermietung. Vor diesem Hintergrund sah das FG Münster bei der Ausübung seines Ermessens ausreichende Gründe, das Verfahren zu entscheiden und nicht auszusetzen. Es hat aber zumindest die Revision beim BFH zugelassen, und zwar wegen

  • der Frage der Verfassungsmäßigkeit,
  • des Vorlagebeschlusses des FG Hamburg und
  • der Vielzahl der schon anhängigen Revisionen.

Praxishinweis

Da die Entscheidung, ob das BVerfG die Vorlage als zulässig ansieht, noch aussteht, lässt die Finanzverwaltung Einspruchsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen ruhen. Dies betrifft Fälle,

  • in denen sich Einspruchsführer auf den Vorlagebeschluss des FG Hamburg oder auf die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren unter den Aktenzeichen IV R 55/10, IV R 24/11 und IV R 38/11 berufen oder 
  • in denen vom Einspruchsführer entsprechende Hinzurechnungen bei den Finanzierungsanteilen zur Miete oder Pacht vorgenommen worden sind.

Eine Aussetzung der Vollziehung wird allerdings nicht gewährt. Dies gilt auch für Fälle, in denen der Einspruch auf weitere - und insbesondere künftige - beim BFH anhängige Revisionsverfahren gestützt wird, in denen die Anwendung der Neuregelung seit 2008 streitig ist.

Wichtig: Ein Ruhen kommt nur insoweit in Betracht, als sich der Einspruch auf Hinzurechnungen nach der neuen Fassung des GewStG bezieht.

FG Münster, Urt. v. 22.8.2012 - 10 K 4664/10 G
FG Hamburg, Beschl. v. 29.02.2012 - 1 K 138/10
FinMin Schleswig-Holstein, Gewerbesteuer-Kurzinformation Nr. 2012/03 v. 04.05.2012 - VI 3010 - G 1422 - 163
FinMin Baden-Württemberg, Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nummer 1 GewStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 02.07.2012 - 3-G-142.2/42
Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl 2007 I 1912

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.10.12