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Der Kaufpreis einer gebrauchten Lebensversicherung wirkt sich erst bei Fälligkeit aus

Bei Vertragsabschluss ab 2005 sind Kapitallebensversicherungen über das Alterseinkünftegesetz steuerpflichtig geworden. Und Erträge, die seit 2009 aus diesen Versicherungen resultieren, unterliegen der Abgeltungsteuer. Bemessungsgrundlage für die Kapitaleinnahmen ist der erhaltene Gesamtbetrag bei Fälligkeit und vorzeitiger Kündigung oder Verkauf abzüglich der Summe der bis dahin entrichteten Versicherungsbeiträge sowie der Anschaffungskosten, wenn die Lebensversicherung gebraucht erstanden wurde. Der gezahlte Kaufpreis macht sich bei der Auszahlung also mindernd bemerkbar.

Insoweit hat ein BFH-Urteil, das auf den ersten Blick für Versicherte ungünstig erscheint, langfristig gesehen keinen negativen Effekt: Es kommt lediglich zur Verschiebung der steuerlichen Auswirkung. Nach dieser aktuellen Entscheidung stellt der Kaufpreis für den Erwerb einer gebrauchten Lebensversicherung nämlich Anschaffungskosten dar. Daher sind die bis zum Kaufzeitpunkt aufgelaufenen (außer-)rechnungsmäßigen Zinsen

  • keine negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen - vergleichbar den Stückzinsen. Zwar stellen Stückzinsen beim Erwerb von Anleihen im Kaufjahr vorab entstandene negative Einnahmen dar. Dies kann jedoch nicht auf Kapitallebensversicherungen übertragen werden. Die in der Versicherungspolice aufgelaufenen (außer-)rechnungsmäßigen Zinsen stellen keine von vornherein fest kalkulierbare Größe dar. Zu diesem Zeitpunkt ist nämlich noch ungewiss, ob und in welcher Höhe sie sich bei einer späteren Auszahlung auswirken werden.
  • keine vorweggenommenen Werbungskosten in Hinblick auf die bei Fälligkeit ausbezahlten steuerpflichtigen Erträge. Dies gilt sowohl für die durch die Veräußerung als auch für die durch den Erwerb einer Kapitalanlage entstandenen Aufwendungen und nicht nur für den Kauf von Wertpapieren, sondern auch für die Erwerbsnebenkosten - z.B. Verwaltungsgebühren - im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kapitallebensversicherungen. Der Erwerber zahlt den Betrag, um die Rechte und Pflichten aus dem Lebensversicherungsvertrag zu erhalten, den der Verkäufer geschlossen hat. Zwar wäre rein rechnerisch eine Aufteilung des Kaufpreises in bis dahin aufgelaufene Zinsen und den aktuellen Rückkaufswert vom Versicherungsstammrecht möglich. Bei dem Kaufvertrag, über den der Besitzerwechsel der Ansprüche erfolgt, handelt es sich aber um einen einheitlichen Kaufvertrag.

Soweit die Versicherungsleistung nach 2008 ausbezahlt wird, treten beim entgeltlichen Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungsleistung die Anschaffungskosten an die Stelle der vor dem Erwerb entrichteten Beiträge. Deshalb ist nur der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und den Anschaffungskosten zu versteuern.

Handelt es sich hingegen um einen Versicherungsvertrag, der bis Ende 2004 abgeschlossen wurde, wirken sich die im Kaufpreis enthaltenen Zinsen wegen der Steuerfreiheit dieser Altpolicen nicht aus. Denn die Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz ist erstmals auf die Veräußerung von Ansprüchen nach 2008 anzuwenden, bei denen der Versicherungsvertrag ab 2005 abgeschlossen wurde. Damit löst die entgeltliche Veräußerung oder Abtretung von Ansprüchen aus noch begünstigten Kapitallebensversicherungsverträgen für den Veräußerer keine Steuerpflicht aus.

Wenn der Erwerber bei der Berechnung des Entgelts, das an den Veräußerer des Lebensversicherungsvertrags zu entrichten ist, die steuerlichen Konsequenzen nicht ausreichend berücksichtigt hat, kann dies keinen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit begründen, betont der BFH resümierend.

Praxishinweis

Bei Stückzinsen handelt sich um den rechnerischen Ertragsanteil von festverzinslichen Wertpapieren mit Zinsscheinen, der zeitanteilig auf den Zeitraum zwischen zwei Zinsterminen entfällt. Stückzinsen fallen bei Anleihen vor ihrer Endfälligkeit an, werden dem Veräußerer bis einen Tag vor dem Verkaufstag zugerechnet und stehen dem Käufer erst ab dem Kauftag zu. Stückzinsen werden mit dem Zinssatz, mit dem das Wertpapier zu verzinsen ist, besonders verrechnet und vergütet. Dabei wird jeder Monat banküblich mit 30 Tagen berechnet.

Für den Erwerber handelt es sich um vorweggenommene negative Einnahmen aus Kapitalvermögen, die bei der Depotbank in den Verlustverrechnungstopf eingestellt und mit anderen positiven Kapitalerträgen verrechnet werden.

Für den Verkäufer wurden die gesondert in Rechnung gestellten und erhaltenen Stückzinsen bis Ende 2008 als herkömmliche Zinseinnahmen bewertet. Seit 2009 gehören sie als zusätzliches Element zu den Veräußerungsgewinnen. Dies gilt auch bei Wertpapieren, die vor 2009 angeschafft wurden und noch unter den Bestandsschutz vor der Abgeltungsteuer fallen. Dies ist über das Jahressteuergesetz 2010 klargestellt worden.

BFH, Urt. v. 24.05.2011 - VIII R 46/09
BFH, Beschl. v. 06.11.2009 - VIII B 186/09, BFH/NV 2010, 235
BFH, Beschl. v. 28.10.2010 - VIII B 90/10, BFH/NV 2011, 254
BMF-Schreiben v. 22.12.2005 - IV C 1 - S-2252 - 337/05, BStBl 2006 I 92
BMF-Schreiben v. 22.08.2002 - IV C 4 - S-2221 - 211/02, BStBl 2002 I 827

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 12.10.11