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Der Soli bleibt - wenn auch nicht für immer

Der BFH hat in zwei Urteilen - nicht unerwartet - entschieden, dass die Festsetzung des Solidaritätszuschlags in Höhe von zunächst 7,5 % und seit 1998 von 5,5 % auf die Einkommen-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer sowie auf die Abgeltungsteuer zu diesen Steuerarten bis 2007 verfassungsmäßig war. Auch nach einer Laufzeit von bis dahin 13 Jahren diente er noch zur Deckung des besonderen Finanzbedarfs, der dem Bund aus den Kosten der Wiedervereinigung erwachsen ist.

Ein anderer Tenor hätte auch gegen die im Wesentlichen gleichlautende Einordnung verstoßen, die das BVerfG erst im vergangenen Jahr verkündet hat. Allerdings wies der BFH jetzt darauf hin, dass der Solidaritätszuschlag nicht zu einem dauerhaften Instrument der Steuerumverteilung werden darf.

In den zugrunde liegenden Urteilsfällen hatten eine Freiberuflerin einerseits und eine GmbH andererseits gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2005 bzw. 2007 geklagt. Ihrer Ansicht nach war der Soli von Anfang an verfassungswidrig gewesen, mindestens aber durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden. Der BFH folgte ihren Argumenten nicht und berief sich auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG. Bei der Verkündung der Urteile am 21.07.2011 führten die Richter aus:

  • Der Bund darf den Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommen-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer erheben. Das Aufkommen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer, das dem Bund und den Ländern gemeinsam zusteht, höhlt er damit nicht aus; das Volumen von ca. 12,3 Mrd. € in 2007 ist angemessen.
  • Der Solidaritätszuschlag musste nicht zeitlich begrenzt werden. Es war weder erforderlich, die zu finanzierenden Aufgaben genau zu bezeichnen, noch war es nötig, die Einnahmen an einen konkreten Zweck zu binden.
  • Allein durch Zeitablauf ist das Solidaritätszuschlaggesetz (SolZG) jedenfalls bis 2007 nicht verfassungswidrig geworden. Allerdings darf eine Ergänzungsabgabe nur zur Finanzierung eines aufgabenbezogenen Mehrbedarfs des Bundes erhoben werden. Sie wird dann verfassungswidrig, wenn der mit ihrer Einführung verfolgte Zweck erreicht ist und sie nur noch zur Deckung einer dauerhaften Finanzierungslücke dient.
  • An der Finanzierung der einigungsbedingten Lasten beteiligt sich der Bund bis zum Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 mit weiter sinkenden Beträgen. Von der Deckung einer dauernden Finanzierungslücke ist bis 2007 also nicht auszugehen.
  • Freiberufler werden nicht dadurch benachteiligt, dass sich der Solidaritätszuschlag bei Gewerbetreibenden nach der Einkommensteuer bemisst, die zuvor um die pauschal anzurechnende Gewerbesteuer gemindert wird.

Zum Hintergrund: 2009 hatte das FG Niedersachsen dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Erhebung des Soli noch verfassungsmäßig ist, weil er die Kosten der deutschen Einheit finanzieren sollte. Hierfür besteht nach Auffassung des FG jedoch kein vorübergehender, sondern ein langfristiger Bedarf, der nicht durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gedeckt werden darf. Das BVerfG hat die Vorlage als unzulässig beurteilt, weil sich das FG nicht hinreichend mit seiner Rechtsprechung zum Wesen der Ergänzungsabgabe auseinandergesetzt hatte. Bereits 1972 hatte das BVerfG klargestellt, dass eine zeitliche Befristung nicht zum Wesen der Ergänzungsabgabe gehört.

Praxishinweis

Die beim BFH unterlegenen Kläger haben Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe angekündigt. Ob das BVerfG diese aber annimmt oder dass es anders als der BFH entscheidet, darf bezweifelt werden. Denn aus seinem Beschluss aus 2010 geht hervor, dass die Deckung des Mehrbedarfs durch eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer Steuerpflichtige nicht unnötig belastet und dass mit dem Beitritt der einstigen DDR im Jahr 1990 ein großer, auf viele Jahre nicht absehbarer Finanzbedarf für den Bundeshaushalt eingetreten ist.

Die Finanzämter setzen Bescheide bereits seit Mitte Dezember 2009 für Jahre ab 2005 in Bezug auf den Soli nur vorläufig fest. Auch Anlegern gewähren sie Rechtsschutz, deren Kapitalerträge abgeltend besteuert werden und bei denen der Zuschlag automatisch von den Kreditinstituten einbehalten wird. Der Vorläufigkeitsvermerk wird nun zumindest so lange bestehen bleiben, bis das BVerfG die zu erwartenden Verfassungsbeschwerden zurückweist oder eine neue Entscheidung trifft.

BFH, Urt. v. 21.07.2011 - II R 50/09 und II R 52/10
FG Niedersachsen, Beschl. v. 25.11.2009 - 7 K 143/08
BVerfG, Beschl. v. 08.09.2010 - 2 BvL 3/10, BFH/NV, 1290 und v. 09.02.1972 - 1 BvL 16/69, BStBl II, 408
BMF-Schreiben v. 16.05.2011 - IV A 3 - S 0338/07/10010, BStBl I, 464

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 27.07.11