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Ergänztes Steuervereinfachungsgesetz 2011 ist beschlossene Sache

Der Bundestag hat das Steuervereinfachungsgesetz 2011 in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung verabschiedet, welche im Vergleich zum bisherigen Regierungsentwurf weitere Änderungen beinhaltet. Nachfolgend finden Sie die praxisrelevanten Punkte im Überblick.

Sonderausgaben

Ein Erstattungsüberhang aus Versicherungsbeiträgen wird mit den bezahlten Prämien verrechnet, wenn er ansonsten mit Blick auf die tatsächliche wirtschaftliche Belastung zu einem unzutreffenden Ansatz der Sonderausgaben führen würde. Dies kann auch bei steuerfreien Zuschüssen der Fall sein, die ebenfalls berücksichtigt und wie Beitragsrückerstattungen behandelt werden. Nur der verbleibende Differenzbetrag wird als Sonderausgabe berücksichtigt.
Ein Erstattungsüberhang bei den voll absetzbaren Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, der nach der Verrechnung verbleibt, wird dem Gesamtbetrag der Einkünfte des laufenden Veranlagungszeitraums hinzugerechnet. Dies war im Regierungsentwurf nur für die Kirchensteuer vorgesehen.

Kapitalerträge

Die im Regierungsentwurf enthaltene Regelung, nach der abgeltend besteuerte Kapitalerträge weder bei der Berechnung der zumutbaren Belastung noch des Höchstbetrags beim Spendenabzug berücksichtigt werden, bleibt bestehen. Insoweit entfällt ab 2012 die Notwendigkeit, abgeltend besteuerte Kapitalerträge nur für diese Zwecke in der Einkommensteuererklärung anzugeben.

Allerdings werden Kapitalerträge nun doch - wie bisher - für Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen einbezogen, wenn sie der Regelbesteuerung unterliegen. Denn die Angaben zu diesen Erträgen liegen im Rahmen der Einkommensteuererklärung vor. Das betrifft beispielsweise die Günstigerprüfung oder den Fall, dass ein Gesellschafter beantragt, die GmbH-Ausschüttungen dem individuellen Tarif zu unterwerfen. Dann wirken sich Kapitalerträge weiterhin auf die zumutbare Eigenbelastung (ungünstig) und den Spendenabzug (günstig) aus.

Ehegattenwahlrecht

Auf die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Tarifminderungsregelung in der Ehegattenbesteuerung wird verzichtet, weil die Umsetzung technisch schwierig geworden wäre. Dafür können Ehegatten zwischen der neuen Einzelveranlagung und der bereits bestehenden Zusammenveranlagung wählen. Dies soll eine Schlechterstellung im Vergleich zu zwei unverheirateten Personen ausschließen. Ehegatten können - beispielsweise wenn sich die Höhe der Einkünfte ändert - die Wahl der Veranlagungsart korrigieren, wenn

  • der Einkommensteuerbescheid der zusammenveranlagten Eheleute oder
  • ein Einkommensteuerbescheid bzw.
  • beide Bescheide der einzelveranlagten Ehegatten

geändert oder berichtigt werden. Dabei ist unerheblich, nach welcher Korrekturnorm die Änderung oder Berichtigung erfolgt. Die Änderung der Wahl der Veranlagungsart hängt vom Antrag beider Ehegatten ab. Ein Partner reicht aus, wenn er beispielsweise lediglich über Einkünfte verfügt.

Ehegatteneinzelveranlagung

Wählt das Paar die Ehegatteneinzelveranlagung, werden Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und bestimmte Steuerermäßigungen bei demjenigen Gatten mindernd berücksichtigt, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Nach dem Regierungsentwurf sollten diese Positionen den Ehegatten zunächst je zur Hälfte und erst auf übereinstimmenden Antrag demjenigen zugerechnet werden, der sie wirtschaftlich getragen hat. Die hälftige Zurechnung bleibt auf übereinstimmenden Antrag möglich.

Kinder

Das Gesetz eröffnet ab 2012 die Möglichkeit, den Kinderfreibetrag, der den Eltern grundsätzlich jeweils hälftig zusteht, von einem Elternteil auf den anderen zu übertragen, selbst wenn ein Elternteil mangels Leistungsfähigkeit dem Kind gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist. Dies hat auch entsprechende Folgewirkungen auf die Übertragung des Behindertenpauschbetrags für das Kind.

Anders sieht es bei der Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes aus. Bisher konnten sich Eltern den halben Freibetrag vom anderen Elternteil übertragen lassen, wenn das Kind nur bei ihnen gemeldet war. Zukünftig kann der andere Elternteil der Übertragung widersprechen, wenn er trotz fehlender Meldung das Kind zeitweise betreut oder Aufwendungen für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung trägt.

Eine Übertragung der Freibeträge für Kinder auf einen Stief- oder Großelternteil ist ab 2012 auch dann möglich, wenn die Großeltern - beispielsweise mangels Leistungsfähigkeit der Eltern - eine konkrete Unterhaltspflicht gegenüber ihren Enkelkindern trifft.

Kapitalertragsteuer

Da rechtlich unselbständigen Stiftungen die bisherige Regelung Liquiditätsnachteile bringt, indem die Kapitalertragsteuer oftmals trotz vorliegender Nichtveranlagungsbescheinigung einbehalten wird, werden sie den rechtlich selbständigen Stiftungen beim Kapitalertragsteuerabzug gleichgestellt. Dies erspart den Umweg, die einbehaltene Kapitalertragsteuer erst auf Antrag beim Finanzamt nach Ablauf des Kalenderjahres erstattet zu bekommen.

Land- und Forstwirtschaft

Hier kommt es zur Anhebung der Prozentsätze für die pauschalen Betriebsausgaben aufgrund der verringerten Holznutzung seit 2009 um jeweils zehn Prozentpunkte. Die Regierung wird ermächtigt, durch Verordnung eigene Anwendungsregelungen für die Nutzung bestimmter Pauschsätze in der Land- und Forstwirtschaft zu schaffen. Dabei wird künftig nicht mehr auf den Veranlagungszeitraum, sondern auf das abweichende Wirtschaftsjahr abgestellt.

Erbschaft

Die Bagatellgrenze für die Meldepflicht der Kreditinstitute im Todesfall wird nicht auf 10.000 € angehoben. Die Mitteilungsverpflichtungen bleiben unverändert. Dadurch sollen Steuerausfälle vermieden werden.

Steuerdaten-Übermittlungsverordnung

Ab dem 01.01.2013 ist bei der vollelektronischen Übermittlung von Steuerdaten generell eine obligatorische Authentifizierung des Datenübermittlers vorgesehen. Die bisherige Möglichkeit, in bestimmten Fällen auf eine Authentifizierung zu verzichten, entfällt mit Ablauf des Jahres 2012.

Praxishinweis

Ein wesentlicher Änderungspunkt ist der Nachweis von Aufwendungen im Krankheitsfall für den steuerlichen Abzug als außergewöhnliche Belastung. Hier ersetzt erstmals eine gesetzliche Definition die bisherige Verwaltungsregelung und gibt dem Steuerpflichtigen von Anfang an Rechtssicherheit in der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen. Das erfolgt als Reaktion auf die jüngst geänderte BFH-Rechtsprechung, nach der zum Nachweis der Zwangsläufigkeit bestimmter Krankheitskosten, die nicht stets und eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, nicht unbedingt ein amtsärztliches Attest vorgelegt werden muss. Nunmehr sind drei verschiedene Bedingungen vorgesehen:

  1. Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel.
  2. Amtsärztliches Gutachten oder ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung für Bade-, Heil-, Vorsorge- und Klimakur, eine psychotherapeutische Behandlung, die medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an einer Behinderung leidenden Kindes, die Betreuung durch eine Begleitperson, als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehende medizinische Hilfsmittel sowie wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden.
  3. Bestätigung des behandelnden Krankenhausarztes, dass Besuchsfahrten zu einem länger im Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Kind zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beitragen können.

Die zuständigen Gesundheitsbehörden müssen auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen ausstellen.

Die gesetzliche Neuregelung ist in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.

Trotz Abgeltungsteuer mussten viele Steuerpflichtige bisher ihre Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben. Wer Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend machen will, muss ab 2012 seine Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht mehr bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung heranziehen. Die zumutbare Belastung sinkt deshalb für Sparer mit abgeltend besteuerten Kapitalerträgen, was zu einem höheren Abzugsvolumen führt.

Steuervereinfachungsgesetz 2011, Beschl. des Bundestags v. 09.06.2011, BT-Drs. 17/6105
BFH, Urt. v. 11.11.2010 - VI R 16/09 und VI R 17/09
§ 33 Abs. 3 EStG
§ 64 EStDV
R 33.4 EStR

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 15.06.11