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EuGH prüft Freibetrag beim Erbanfall im Ausland

Das FG Düsseldorf hat jetzt ein Verfahren ausgesetzt und den EuGH um eine Vorabentscheidung zur Frage ersucht, ob das EU-Recht einer nationalen Regelung über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegensteht, die beim Erbanfall von einer gebietsfremden Person nur einen Freibetrag von 2.000 € vorsieht, während ein Freibetrag von bis zu 500.000 € gewährt würde, wenn Erblasser oder Erwerber ihren Wohnsitz in einem EU-Mitgliedstaat hätten.

Zum Hintergrund

Wohnen Verstorbener und Erbe oder Schenker und Beschenkter im Ausland, kann deutsche Erbschaftsteuer anfallen, beispielsweise wenn inländischer Grundbesitz oder inländisches betriebliches Vermögen den Besitzer wechselt. In diesen Fällen greift die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht und es gibt unabhängig von verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander lediglich nur den einheitlichen Freibetrag von 2.000 €. Wenn die Personen hingegen in Deutschland ihren Wohnsitz haben, gibt es je nach Verwandtschaftsgrad einen persönlichen Freibetrag zwischen 20.000 € und 500.000 € für Ehegatten und Lebenspartner.

Der EuGH hatte dazu entschieden, dass diese Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und damit gegen EU-Recht darstellt. Er lehnte eine unterschiedliche Behandlung von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen ab, weil der Wohnort keinen objektiven Unterschied darstellt, der eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigt. Die Gleichbehandlung bezüglich der Steuerpflicht verlangt daher auch identische Freibeträge, auch wenn Deutschland bei beschränkter Steuerpflicht nur das Inlandsvermögen besteuern und daher Besitztümer jenseits der Grenze nicht erfassen kann.

Zur Anpassung des ErbStG an diese Entscheidung wurde dem Erwerber eines an sich nur beschränkt steuerpflichtigen Vermögensanfalls durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz ein Antragsrecht eingeräumt, wenn einer der Zuwendungsbeteiligten im EU- oder EWR-Raum ansässig ist. Mit dem Antrag unterwirft er seinen Erwerb den Regeln der unbeschränkten Steuerpflicht und kann einen höheren Freibetrag je nach seinem persönlichen Verhältnis (Steuerklasse) zum Erblasser oder Schenker in Anspruch nehmen. Im Gegenzug muss er dafür sein gesamtes Weltvermögen und nicht nur den inländischen Erwerb besteuern, so dass der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht nicht generell günstiger ist.

Die Ausführungen des FG

Der EuGH hat bereits entschieden, dass Erbschaften unter den Begriff des Kapitalverkehrs fallen und das EU-Recht der Bestimmung entgegensteht, dass der Freibetrag im Fall der Erbschaft oder Schenkung dann, wenn Beteiligte zur Zeit der Ausführung ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag beim Wohnsitz in Deutschland. Der nunmehr zu entscheidende Fall unterscheidet sich in zwei Punkten von dem Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag:

  1. Erblasser und Erwerber haben ihren Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, sondern in einem Drittland. Der EuGH hat jedoch bereits entschieden, dass auch Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern untersagt sind.
  2. Gegenstand des Erwerbs ist nicht nur ein Grundstück, welches das Finanzamt einer Besteuerung unterworfen hat. Es geht darüber hinaus auch um Ansprüche aus den Guthaben bei deutschen und Schweizer Banken.

Das FG hat Zweifel, ob ein Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung von gebietsansässigen und -fremden Personen herangezogen werden kann. Laut EuGH ist eine unterschiedliche Behandlung nur dann gerechtfertigt, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zum Erreichen des mit der Regelung verfolgten Ziels erforderlich ist. Nach Auffassung des Senats geht die Beschränkung des Freibetrags auf nur 2.000 € über das Erforderliche hinaus.

Praxishinweis

Dem EuGH liegt bereits ein Vorabentscheidungsersuchen zu den Begünstigungen für Betriebsvermögen unter dem Aktenzeichen C 31/11 vor. Hier wurde vom BFH die Frage gestellt, ob die gewerblichen Privilegien, die nur für Unternehmer und Gesellschaften mit Sitz im Inland oder im EU- und EWR-Ausland gelten, nicht auch für Selbständige aus der Schweiz, Amerika, Australien, Asien oder Afrika gelten müssten. Die steuerlichen Vergünstigungen sind hier verschlossen.

Die steuerliche Behandlung von Erbschaften und Schenkungen fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unabhängig von der Art und Zusammensetzung des übergehenden Vermögens unter die Vertragsbestimmungen über den Kapitalverkehr. Danach liegt ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor, wenn Steuervergünstigungen auf Erbschaften nicht für Vermögen aus Nicht-EU-Staaten gewährt werden. Im Hinblick darauf sprechen nach Ansicht des BFH gute Gründe dafür, dass ein Erwerb auch in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt, wenn sich darin Teile aus Drittländern befinden.

FG Düsseldorf, Beschl. v. 02.04.2012 - 4 K 689/12 Erb
BFH, Beschl. v. 15.12.2010 - II R 63/09, BStBl 2011 II 221, beim EuGH unter Az. C 31/11
EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - C-510/08
EuGH, Urt. v. 18.12.2007 - C-101/05
Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG) v. 07.12.2011, BGBl 2011 I 2592

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 08.05.12