Beraterpraxis, Steuerberatung, Steuerfachangestellte -

EuGH urteilt zu nationalen Umsatz- und Erbschaftsteuerregeln

Der EuGH hat sich in zwei praxisrelevanten Urteilen vom 19.07.2012 mit nationalen umsatz- und erbschaftsteuerlichen Regelungen beschäftigt. In beiden Fällen deckt sich die Entscheidung der Luxemburger Richter mit der Auffassung der hiesigen Finanzverwaltung und des Gesetzgebers.

Dabei ging es bei der

  • Erbschaftsteuer um den Ausschluss der Steuervergünstigungen beim Betriebsvermögen für eine Beteiligung an Kapitalgesellschaften aus Drittländern (= Nicht-EU-Staaten),
  • Umsatzsteuer um die Befreiung der Vermögensverwaltung als normales Geldgeschäft, wenn die Bank selbst über den Wertpapierkauf und -verkauf entscheiden darf.

Die Vorlage erfolgte jeweils vom BFH. Dieser bezweifelte, dass die derzeitigen Regelungen mit EU-Recht zu vereinbaren sind, da entweder ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit oder gegen die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorliegen könnte. Beides verneinte nun der EuGH.

Anteile an Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten

Der Ausschluss der erbschaftsteuerlichen Begünstigung beim Betriebsvermögen (Einzelunternehmen, Freiberufler, Personen- und Kapitalgesellschaften) verstößt im Falle einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat nicht gegen EU-Recht. Eine solche Regelung, die eine Anwendung bestimmter Steuervergünstigungen auf einen Nachlass in Form der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat ausschließt, während dieses Privileg beim Erwerb einer gleichartigen Beteiligung von Todes wegen gewährt wird, wenn sich der Sitz der Gesellschaft in einem Mitgliedstaat befindet, berührt vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 49 ff. AEUV. Das gilt zumindest dann, wenn die Vorschrift es dem Inhaber einer solchen Beteiligung ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen.

Die Niederlassungsfreiheit ist nicht auf einen Sachverhalt anwendbar, der die Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat betrifft. Der deutsche Gesetzgeber hat für die Gewährung der Steuervergünstigungen jedenfalls eine Mindestbeteiligung von 25 % vorgesehen. Diese Quote ermöglicht es dem Anteilsinhaber, genügend Einfluss auf die Verwaltung und Kontrolle der Kapitalgesellschaft zu nehmen. Der Gesetzgeber hat damit Voraussetzungen geschaffen, die sicherstellen sollen, dass der Anteilsinhaber nicht in der bloßen Absicht einer Geldanlage tätig wird.
Wäre die Regelung unter die Kapitalverkehrsfreiheit gefallen, müssten die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen weltweit wirksam werden. Das hat der EuGH bereits mehrfach klargestellt.

Hinweis: Haben Erblasser und Erbe ihren Wohnsitz in Deutschland, wird die im Ausland erhobene Erbschaftsteuer auf Kapitalvermögen, das nach der Definition des ErbStG und BewG nicht zum Auslandsvermögen gehört, nicht auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet. Ob dies gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, das Diskriminierungsverbot und die Eigentumsgarantie nach europäischem Recht verstößt, hat der BFH in der anhängigen Revision unter II R 10/12 zu klären.

Vermögensverwaltung

Eine Portfolioverwaltung, bei der ein Unternehmer wie z.B. eine Bank oder ein klassischer Vermögensverwalter aufgrund eigenen Ermessens über deren Kauf und Verkauf entscheidet und diese Entscheidung durch den An- und Verkauf der Titel dann vollzieht, stellt eine einheitliche, umsatzsteuerpflichtige Leistung dar.

Die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren, bei der Banken und andere Vermögensverwalter aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheiden und diese Entscheidung vollziehen, besteht aus zwei Elementen. Diese sind aber so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden. Insoweit ist die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie so auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung nicht von der Umsatzsteuer ausgenommen ist. Auf die erbrachten Leistungen können daher insgesamt nicht die nationalen Befreiungsvorschriften angewendet werden.

Hinweis: Der Urteilstenor entspricht der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, wonach die einheitliche Vermögensverwaltung steuerpflichtig ist und der Portfolioverwalter seine Leistungen gegenüber dem Anleger als Kunden mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu versteuern hat. Das ergibt sich beispielsweise aus dem UStAE und aus BMF-Schreiben.

Praxishinweis

Die im EG-Vertrag geregelte Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs betrifft als einzige der wirtschaftlichen Grundfreiheiten das Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zu Drittländern und erweitert räumlich den Anwendungsbereich. Im Rahmen der Bestimmungen sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit sind Maßnahmen unzulässig, die geeignet sind, Gebietsfremde von einer Investition in einem Mitgliedsstaat oder Gebietsansässige von einer Investition in anderen Staaten abzuhalten.

Die Kapitalverkehrsfreiheit wurde durch den Vertrag von Maastricht mit Wirkung zum 01.01.1994 eingeführt. Hintergrund war die enge Verknüpfung der Gewährleistung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs mit der Wirtschafts- und Währungsunion und dem damit verbundenen Bedürfnis, das Vertrauen in die europäischen Währungen zu stärken. Grundsätzlich war die EU bestrebt, im Prozess der weltweiten Globalisierung zu einer Öffnung der Kapitalmärkte beizutragen. Lediglich damals schon gültige Gesetze sind hiervon aufgrund einer sog. „Stand-Still-Klausel" nur eingeschränkt betroffen. Die „Stand-Still-Klausel" erlaubt Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit, die Ende 1993 mit Drittländern bereits bestanden haben.

Die garantierte Kapitalverkehrsfreiheit stellt sicher, dass Kapital dort eingesetzt wird, wo es am produktivsten verwendet werden kann. Anleger sollen nicht aufgrund nationaler Beschränkungen davon abgehalten werden, in Länder oder dort ansässige Unternehmen zu investieren.

Aus der Rechtsprechung des EuGH geht hervor, dass die steuerliche Behandlung von Erbschaften grundsätzlich den freien Kapitalverkehr betrifft. Denn bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, handelt es sich um Kapitalverkehr im Sinne des EG-Vertrags.

EuGH, Urt. v. 19.07.2012 - C 31/11
EuGH, Urt. v. 19.07.2012 - C 44/11
BMF-Schreiben v. 09.12.2008 - IV B 9 - S-7117-f/07/10003, BStBl 2008 I 1086
FG Baden-Württemberg, Urt. v. 21.12.2011 - 7 K 1935/10, Rev. BFH II R 10/12
EuGH, Urt. v. 10.05.2012 - C 338-347/11
EuGH, Urt. v. 11.09.2008 - C 11/07
EuGH, Urt. v. 20.05.2008 - C 194/06
EuGH, Urt. v. 15.10.2009 - C 35/08
EuGH, Urt. v. 10.02.2011 - C 25/10
EuGH, Urt. v. 10.02.2011 - C 436/08
EuGH, Urt. v. 10.02.2011 - C 437/08
EuGH, Urt. v. 05.05.2011 - C 384/09

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.07.12