Andreas Klein © fotolia.de

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Finanzamt kann in Härtefällen auf die elektronische Datenübermittlung verzichten

Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungen sowie Feststellungserklärungen hinsichtlich betrieblicher Steuern müssen ab dem Veranlagungszeitraum 2011 erstmals verpflichtend auf elektronischem Weg durch Datenfernübertragung (DFÜ) abgegeben werden. Dies gilt für die Erzielung von Gewinneinkünften durch Unternehmer, Freiberufler, Land- und Forstwirte, Personen- und Kapitalgesellschaften, gewerbliche Grundstückshändler sowie GmbH-Gesellschafter beim Verkauf ihrer Beteiligung. Hinzu kommen die Umsatz- und die Gewerbesteuererklärung. Für die Umsatz- und Lohnsteueranmeldung gilt die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung bereits seit dem Januar 2005.

Das Finanzamt kann jedoch in Härtefällen auf die elektronische Datenübermittlung verzichten, wenn sie für den Betroffenen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall,

  • wenn ein Selbständiger nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt und es für ihn nur mit nicht unerheblichem finanziellem Aufwand möglich wäre, die für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz mittels Datenfernübertragung erforderlichen technischen Möglichkeiten zu schaffen. Damit stellt der Anspruch auf Befreiung nicht auf das Vorhandensein der technischen Ausstattung ab, sondern darauf, ob die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine DFÜ nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre. Allerdings ist für einen Zugang zum Internet in der heutigen Zeit zumeist nur ein eher unerheblicher finanzieller Aufwand erforderlich. Als Folge hieraus begründet bei wirtschaftlicher Zumutbarkeit der Anschaffung allein das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Technik keinen Anspruch auf Befreiung von der Abgabe in elektronischer Form;
  • wenn ein Selbständiger nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten einer Datenfernübertragung zu nutzen. In der Praxis dürften diese Voraussetzungen insbesondere bei Kleinstbetrieben gegeben sein.

Der BFH hat sich aktuell mit der Frage beschäftigt, inwieweit Selbständige auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf die EDV verzichten und wie bisher eine Papiererklärung einreichen dürfen. Hierzu hat er vier Grundsätze in Bezug auf die Umsatzsteuer-Voranmeldungen aufgestellt; sie gelten aber gleichermaßen für die anderen Steuerarten und Erklärungen:

  • Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß. Die Behörde kann die online erhaltenen Daten unmittelbar und automatisch weiterverarbeiten. Dies

 

 

  • dient der Gleichmäßigkeit und Sicherstellung der Besteuerung und des Steuervollzugs,
  • erleichtert notwendige Kontrollen,
  • beschleunigt die Auswertung,
  • stellt gewichtige öffentliche Belange dar und 
  • führt zu einer effektiven und wirtschaftlichen Verwaltung durch eine administrative Kostenersparnis. Die Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig, weil die Härtefallregelung die Belange der Steuerpflichtigen in ausreichendem Maße berücksichtigt.

 

 

  • Beantragt der Unternehmer, zur Vermeidung von unbilligen Härten die Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in Papierform abgeben zu dürfen, muss das Finanzamt diesem Antrag entsprechen, wenn dem Unternehmer die elektronische Datenübermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldungen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.
  • Liegt eine solche wirtschaftliche oder persönliche Unzumutbarkeit nicht vor, verbleibt es bei dem Anspruch des Unternehmers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts über diesen Antrag.
  • Das Finanzamt darf den Unternehmer hinsichtlich der zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Weg erforderlichen Hard- und Software grundsätzlich nicht auf den Internetzugang anderer Konzerngesellschaften verweisen.

Eine persönliche Unzumutbarkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der DFÜ zu nutzen. Nach Ansicht des BFH ist diese Voraussetzung zwar gegeben, wenn der Steuerpflichtige über keinerlei Medienkompetenz verfügt und z.B. aufgrund seines Alters auch keinen Zugang zur Computertechnik mehr finden kann. Wird ein Unternehmen aber durch mehrere Geschäftsführer vertreten, sind das Alter und die mangelnde Computererfahrung lediglich einzelner von mehreren Geschäftsführern grundsätzlich nicht geeignet, einen Anspruch auf Befreiung zu begründen. Geschäftsführer tragen die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft, und zu diesen gehört es auch, Steuererklärungen abzugeben.

Praxishinweis

Hinsichtlich der Umsatzsteuer kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 € beträgt. Wird diese Befreiung erteilt, entfällt auch die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung. Darüber hinaus kann die Behörde den Unternehmer auch noch von der Abgabe von Voranmeldungen befreien, wenn und soweit in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine Umsatzsteuer entsteht.

Allgemeine Bedenken gegen die Sicherheit der vorgeschriebenen elektronischen Übermittlung von Voranmeldungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch eine Datenfernübertragung führen nach Ansicht des BFH nicht zu einer Unzumutbarkeit. Die Übermittlung der Daten auf Basis des von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellten ELSTER-Verfahrens ist nicht manipulationsanfälliger als die papiergebundene Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Ein trotz Anwendung der zur Verfügung stehenden technischen Sicherungsmöglichkeiten verbleibendes Risiko eines möglichen Hacker-Angriffs auf die gespeicherten oder übermittelten Daten ist im überwiegenden Interesse des Gemeinwohls hinzunehmen.

Das Finanzamt hat die für das Vorliegen eines Härtefalls vorgetragenen Gründe in die pflichtgemäße Ermessensausübung und Einzelfallabwägung umfassend einzubeziehen. Andererseits sind diesen Erwägungen die Interessen des Fiskus an einer elektronischen Übermittlung der Daten gegenüberzustellen. Dabei setzt eine fehlerfreie Ermessensausübung voraus, dass die Behörde ihre Entscheidung anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts trifft und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigt, die nach Sinn und Zweck der Norm maßgeblich sind.

BFH, Urt. v. 14.03.2012 - XI R 33/09
BFH, Beschl. v. 25.08.2010 - X B 149/09

 

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 17.04.12