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Firmenbeteiligungen: Fiktive Veräußerungsverluste sind im Rahmen von § 17 EStG nicht relevant

Im Jahr 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die rückwirkende Anwendung der früheren Absenkung der sog. Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG für verfassungswidrig erklärt. Dabei geht es um die steuerlich relevante Beteiligungsgrenze bei Veräußerungen von Kapitalgesellschaften. Mittlerweile liegt die Grenze bei 1 % einer Firmenbeteiligung. Nun hat das FG Münster klargestellt: Im Rahmen des § 17 EStG spielen fiktive Veräußerungsverluste zum Stichtag der gesetzgeberischen Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze keine Rolle, denn hier greifen nach seiner Ansicht die verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht.

Der Verkauf von privat gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH war bereits vor Einführung der Abgeltungsteuer 2009 nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist steuerpflichtig, wenn der Aktionär oder GmbH-Gesellschafter ab 1 % aufwärts am Unternehmen beteiligt war. Gewinne aus der Veräußerung von privaten Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft sind demnach steuerpflichtig, wenn der Verkäufer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war.

Jüngst hat der BFH entschieden, dass die heute geltende Beteiligungsgrenze von 1 % in § 17 EStG verfassungsgemäß ist. Denn die Frage, ob Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen besteuert werden, ist eine politische Entscheidung des Gesetzgebers. Die Wahl der Untergrenze von 1 % ist von dessen legitimer Gestaltungsfreiheit und Typisierungsbefugnis umfasst.

Verfassungswidrig war jedoch die frühere Absenkung der Beteiligungsgrenze soweit sie sich auf vor der Gesetzesänderung vom 31.03.1999 realisierte Wertzuwächse bezog. Dabei ging es um den Verkauf von privaten Anteilen an Kapitalgesellschaften wie AG oder GmbH. Denn nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahre 2010 verstießen solche steuerlichen Regelungen gegen das Grundgesetz, weil sie den Vertrauensschutz der Steuerzahler unterliefen.

Bei der Veräußerung muss daher nun eine zeitliche Zuordnung in steuerfreie Wertzuwächse bis Ende März 1999 und nachfolgende, steuerpflichtige Gewinne erfolgen.

Das Finanzgericht (FG) Münster hat sich jetzt zu der Berechnung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG unter Berücksichtigung der teilweise für verfassungswidrig erklärten Absenkung der sog. Wesentlichkeitsgrenze geäußert.
Die Richter stellten klar, dass die damalige verfassungswidrige Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze und das hierauf bezogene Rückwirkungsverbot nicht zur Anerkennung eines fiktiven Veräußerungsverlusts führen.

Nach § 17 EStG ist ein Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Die Anschaffungskosten umfassen dabei alles, was der Erwerber aufwendet, um die Beteiligung an der AG oder der GmbH zu erlangen.

Die Entscheidung des FG Münster hatte folgenden Hintergrund: Die Klägerin veräußerte im Jahr 2008 ihren GmbH-Anteil in Höhe von 1,33 %, den sie für rund 50.000 € erworben hatte. Der Verkaufspreis betrug 150.000 €.

Vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wollte sie eine Berücksichtigung eines (fiktiven) Veräußerungsverlustes. Begründung: Weil Ihre Anteile zum Aufteilungsstichtag einen Wert von 290.000 € hatten, müsse das nachfolgende rechnerische Minus berücksichtigt werden.

Nach Ansicht des FG Münster ist jedoch kein Veräußerungsverlust als Folgewirkung der Veräußerung entstanden. Denn der erzielte Erlös hat die Anschaffungskosten tatsächlich überstiegen und nicht unterschritten. Ein zu berücksichtigender Verlust resultiert auch nicht daraus, dass statt der Anschaffungskosten bei Ermittlungen des Veräußerungsgewinns der Verkehrswert der veräußerten Beteiligung zum Aufteilungsstichtag (31.03.1999) als Anschaffungskosten zu berücksichtigen wäre. Eine Berücksichtigung derartiger fiktiver Kaufpreise ergibt sich weder aus dem Gesetz noch auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2010.

Denn das Bundesverfassungsgericht hat die Gesetzesänderung lediglich wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot für verfassungswidrig erklärt. Das betraf Wertzuwächse, die vor Verkündung des Gesetzes steuerfrei hätten realisiert werden können. Aus der Entscheidung lässt sich nach dem FG Münster aber gerade nicht entnehmen, dass auch ein fiktiver Veräußerungsverlust bei der Besteuerung zu berücksichtigen ist. Ausgangspunkt der Berechnung ist stets der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn.

Folge: Die Anschaffungskosten der Beteiligung haben im Urteilsfall 50.000 € betragen, und die Beteiligung wurde 2008 für 150.000 € veräußert. Der sich tatsächlich ergebene Veräußerungsgewinn wird auf Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht der Besteuerung unterworfen, soweit der Gewinn auf einer Wertsteigerung beruht, die bis zum Aufteilungsstichtag Ende März 1999 eingetreten war. Dass die Beteiligung zu diesem Termin einen Wert von 290.000 € aufwies, der sich bis zur Veräußerung im Jahre 2008 wieder auf 150.000 € reduzierte, spielt dabei keine Rolle. Gegen das Urteil wurde allerdings bereits Revision eingelegt.

Praxishinweis

Seit Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte im Veranlagungszeitraum 2009 unterliegen die Gewinne aus der Veräußerung von Aktien auch bei einer Beteiligung von weniger als 1 % der Besteuerung (bei Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG).

FG Münster, Urt. v. 22.08.2013 - 3 K 3371/11 E
BVerfG, Beschl. v. 07.07.2010 - 2 BvR 748/05
BFH, Urt. v. 24.10.2012 - IX R 36/11

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 19.11.13