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Für die Erbschaftsteuer gilt nicht nur der schriftlich geäußerte letzte Wille

 

Wird eine Verfügung von Todes wegen ausgeführt, obwohl sieunwirksam ist, und beruht die Ausführung auf der Beachtung des erblasserischenWillens, den der Begünstigte und der Belastete anerkennen, ist gemäß § 41 Abs.1 AO das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs erbschaftsteuerrechtlich zubeachten. Dies hatte der BFH zuvor bereits für ein formunwirksam angeordnetesVerschaffungsvermächtnis entschieden (BFH, Urt. v. 28.03.2007 - II R 25/05,BStBl 2007 II S. 461). Es ist dabei nicht erforderlich, dass die unwirksameVerfügung von Todes wegen in vollem Umfang befolgt wird. Auch eine lediglicheingeschränkte Befolgung weist die Verbindung zur Willenserklärung desErblassers auf, die für die erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigungerforderlich ist.

Erbschaftsteuerrechtlich beachtlich ist in einem solchenFall die unwirksame Verfügung von Todes wegen, soweit sie tatsächlichausgeführt wurde. Überträgt hingegen ein Miterbe seinen Anteil am Nachlass aufeinen Dritten, ohne dass dies auf einer (un)wirksamen Willensäußerung des Erblassersberuht, wirkt sich dies auf die festzusetzende Erbschaftsteuer nicht aus. Ineinem solchen Fall kann der Miterbe die Bereicherung, die der Besteuerungunterliegt, nicht mehr im Nachhinein durch eine solche Übertragung mitsteuerlicher Wirkung beseitigen.

Anders sieht es hingegen aus, wenn die mündliche Verfügungtatsächlich vollzogen wurde. In diesem Fall ist sie erbschaftsteuerrechtlichbeachtlich. Im Urteilsfall war die Stieftochter über eine mündliche Verfügungder Erblasserin als Erbin bedacht worden. Zur Ausführung eines rechtsgültigenTestaments war es infolge des Todeseintritts nicht mehr gekommen. Ein Miterbeverzichtete anschließend auf seinen Anteil und erfüllte den Wunsch derVerstorbenen. Die bürgerlich-rechtlich gültige Verpflichtung zum Erbverzicht inVerbindung mit der von den Beteiligten klar zum Ausdruck gebrachten Bestätigungder Erfüllung des mündlichen Willens schließt eine Besteuerung beim verzichtendenErben aus.

Praxishinweis: Durch diese Sichtweise kommt es theoretisch sogar dann nochzum Ansatz von Nachlassverbindlichkeiten, wenn der Erblasser mündlich auf demSterbebett ein Vermächtnis angeordnet oder eine Schenkung verspricht und dieserWunsch nicht mehr in schriftlicher oder notarieller Form festgehalten wird.Dabei sind lediglich zwei Voraussetzungen zu erfüllen:

 

  1. Dem Finanzamt muss beispielsweise durch Zeugen glaubhaft gemacht werden, dass der Wunsch tatsächlich geäußert worden ist.
  2. Der Erbe muss die Verpflichtung anschließend tatsächlich erfüllen, also etwa einen Geldbetrag überweisen oder eine Immobilie übertragen.

Steuerlich wird dieser Vorgang nicht bereits mit dem Tod desErblassers erfasst, sondern erst später mit der Erfüllung des geäußertenWunsches. Denn erst dann ist der Erwerbstatbestand verwirklicht. Auf der einenSeite tritt dann für den Verpflichteten ein rückwirkendes Ereignis ein, und dieBemessungsgrundlage des ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheides wird dannrückwirkend nach unten berichtigt. Für den Begünstigten erfolgt dann erstmalsdie Festsetzung von Erbschaftsteuer. Somit gibt es für die Besteuerung und denAbzug der Verpflichtung nur einen einheitlichen Zeitpunkt, der nach dem Todliegt.

Dies kann in derPraxis nicht nur dazu verwendet werden, zusätzliche Freibeträge für nichtbedachte Personen zu nutzen. Darüber hinaus kann gleich eine ganze Generation ohnezusätzliche Steuerbelastung übersprungen werden. Wird beispielsweise dieTochter des Verstorbenen Alleinerbin, zahlt sie nach Abzug eines Freibetragsvon 400.000 € Steuern auf den gesamten Nachlass. Macht sie nun geltend, dassihre beiden Kinder, also die Enkel des Verstorbenen, ein Vermächtnis vonjeweils 150.000 € erhalten sollen, wird der Nachlass auf mehrere Schulternverteilt. Beim Nachwuchs bleibt die Zuwendung unter den Freibeträgen, und beider Tochter fehlen steuerlich gesehen 300.000 €. Weiterer Vorteil: Im Falle desspäteren Todes der Mutter ist dieser Teil des Vermögens bereits auf die nächsteGeneration übergegangen und unterliegt nicht erneut der Steuerpflicht.

BFH, Urteil vom 22.9.2010, II R 46/09

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 03.01.11