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Gastspieldirektionen müssen vollen Steuersatz berechnen

Ab dem 01.01.2012 greift der ermäßigte Steuersatz für Gastspieldirektionen dann nicht mehr, wenn ein Unternehmer im eigenen Namen Künstler einkauft und das eingekaufte Programm an einen Veranstalter mit einem gesonderten Vertrag verkauft.

Die Umsatzsteuer ermäßigt sich auf 7 % bei

  • der Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie
  • den Theatervorführungen, Konzerten und vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.

Nach dem Gesetzeswortlaut fallen Gastspielleistungen nicht hierunter. Daher hatten die Branchenverbände der Finanzverwaltung die Frage gestellt, ob der ermäßigte Steuersatz auch bei diesen in Anspruch genommen werden kann, obwohl es sich bei Künstlervermittlungen dem Grunde nach weder um den Verkauf von Eintrittskarten noch um begünstigte Darbietungen handelt.

Vor diesem Hintergrund kann auch eine Gastspieldirektion den ermäßigten Steuersatz nicht nutzen - selbst wenn sie darbietende Künstler vermittelt. Darauf weist jetzt das BMF anlässlich einer Anfrage vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft und dem Wirtschaftsverband der deutschen Tournee- und Konzertveranstalter hin.

Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben das Thema der Gastspieldirektionen erörtert. Dabei ging es um die Tätigkeit von Gastspieldirektionen, die nicht vermittelnd als Makler zwischen Künstler und Veranstalter auftreten, sondern im eigenen Namen Künstler „einkaufen“ und dann das eingekaufte Programm an einen Veranstalter mit einem gesonderten Vertrag „verkaufen”.

Führen sie derartige Leistungen bis zum 31.12.2011 aus, beanstandet es die Finanzverwaltung nicht, wenn Gastspieldirektionen den ermäßigten Umsatzsteuersatz anwenden. Ab 01.01.2012 müssen sie den Weiterverkauf an einen Veranstalter aber zwingend dem Regelsteuersatz unterwerfen. Dabei spielt keine Rolle, ob bei der Konzert- oder Theateraufführung für die Leistungen der ausübenden Künstler der ermäßigte Steuersatz anwendbar wäre.

Diese Verwaltungseinordnung betrifft Agenturen und Tourneeveranstalter, die aufgrund eines Gastspielvertrags beispielsweise Musikdarbietungen, Tanzvorführungen oder ähnliche Vorstellungen vermitteln, bei denen der Bühnenbetreiber gegenüber dem Publikum als Veranstalter auftritt. Negative Auswirkungen ergeben sich insbesondere, wenn die Veranstaltungsbranche ihre Leistungen Abnehmern anbietet, die - wie beispielsweise kommunale Verwaltungen oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten - nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Entweder verteuert sich für sie der Einkauf einer Produktion vom Vermittler um die Steuerdifferenz zwischen 19 % und 7 % - oder die Agentur reduziert ihren Bruttopreis zu Lasten ihres Gewinns. Insoweit ist die Auffassung der obersten Finanzbehörden von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung für beide Vertragspartner.

Praxishinweis
Die entsprechende Umsatzsteuervorschrift wurde mit Wirkung vom 16.12.2004 neu gefasst. Dies basierte auf der EuGH-Rechtsprechung, wonach der Begriff des ausübenden Künstlers in der Mehrwertsteuer-Richtlinie sowohl die Leistungen einzelner als auch die zu einer Gruppe zusammengeschlossener Künstler umfasst. Die Anzahl der auf der Bühne anwesenden Personen spielt dafür keine Rolle.

Grundsätzlich kann der ermäßigte Steuersatz hierdurch für die Leistungen folgender Künstler genutzt werden:

  • Orchester sowie Musiker- und Gesangsgruppen
  • Solokünstler
  • Dirigenten
  • Theaterschauspieler
  • Zauberer und Artisten, wenn sie mit Theatervorführungen oder Konzerten vergleichbare  Darbietungen ausüben
  • Tanz-, Klein- oder Varietékünstler, Puppenspieler und Eisrevuen
  • Pop- und Rockmusiker, auch wenn die Besucher zu der beim Konzert dargebotenen Musik tanzen können
  • Personen, deren Darbietungen Mischformen zwischen Theatervorführung und Konzert sind

Folgende Personen führen dagegen keine künstlerische Tätigkeit aus, so dass ihre Leistungen dem allgemeinen Steuersatz unterliegen:

  • Intendanten
  • Regisseure, Bühnenbildner, Tontechniker, Beleuchter, Maskenbildner, Souffleusen, Cutter oder Kameraleute
  • Sänger oder Musikanten, die bei Tanzbelustigungen, sportlichen Veranstaltungen oder zur Unterhaltung der Besucher in Gaststätten auftreten
  • Personen, die bloß einen Tonträger abspielen
  • Schauspieler bei Dinnershows, bei denen neben dem Showprogramm auch Speisen und Getränke serviert werden; diese Verwaltungsauffassung hat der BFH allerdings in Zweifel gezogen

OFD Niedersachsen, Verf. v. 17.03.2011 - S-7238 - 28 - St 183
BMF, Auskunft v. 09.02.2011 - IV D 2 - S 7238/0 : 002
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.09.2007 - 2 K 69/05
EuGH, Urt. v. 23.10.2003 - Rs. C-109/02, BStBl II 2004, 337
FinMin Schleswig-Holstein, Erlass Umsatzsteuer-Kurzinformation 2009/02 - S - 7238 - 011
BFH, Beschl. v. 26.04.2010 - V B 3/10, BFH/NV 2010, 1664
 

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 29.03.11