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Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften: BMF passt den AEAO an

Die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe führt auch zu Änderungen beim AEAO. Mit einem aktuellen Schreiben reagiert das BMF auf die Änderungen im EStG seit Mitte dieses Jahres. Der Gesetzgeber hatte im Zuge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.05.2013 zum sog. Ehegattensplitting im Einkommensteuerrecht die weitgehende Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe vollzogen. Dies hat jetzt auch verfahrensrechtliche Konsequenzen.

Um die verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern beim Ehegattensplitting zu beseitigen, ist Mitte Juli 2013 eine Regelung im EStG in Kraft getreten, wonach sämtliche Regelungen, die für Ehepartner gelten, auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften anwendbar sind.

Als Folge dieser Gesetzesänderung passt das BMF jetzt an vielen Stellen den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) an. Betroffen sind z.B. die Steuererstattung, die Aufteilung von Vorauszahlungen zwischen den Partnern oder Fragen im Fall der Insolvenz eines Partners.

Die wichtigsten Punkte des umfangreichen Schreibens im Überblick:

  • Die Frage des Wohnsitzes ist bei Lebenspartnern und sonstigen Familienangehörigen für jede Person gesondert zu prüfen. Ein nicht dauernd getrennt lebender Partner hat seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebt.
  • Scheinarbeitsverhältnisse zwischen Lebenspartnern sowie Scheinwohnsitze sind für die Besteuerung ohne Bedeutung.
  • Abtretungsanzeigen, nach denen Erstattungsansprüche aus der Zusammenveranlagung abgetreten worden sind, haben auch bei fehlender Unterschrift eines Lebenspartners ihre Gültigkeit, wenn der Anspruch auf den Lebenspartner entfällt, der die Anzeige unterschrieben hat. Für die Anzeige der Abtretung oder Verpfändung eines Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs gibt es einen Vordruck.
  • Bei einer Zusammenveranlagung muss sich jeder Lebenspartner das grobe Verschulden des anderen Lebenspartners zurechnen lassen (wichtig bei Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden zugunsten des Steuerpflichtigen wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel).
  • Wählt ein Lebenspartner vor Bestandskraft des eigenen Bescheids die getrennte Veranlagung, sind die Lebenspartner auch dann getrennt zu veranlagen, wenn der gegenüber dem anderen Partner ergangene Zusammenveranlagungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist.
  • Der Antrag auf getrennte Veranlagung stellt hinsichtlich des Zusammenveranlagungsbescheids des anderen Lebenspartners ein rückwirkendes Ereignis dar. Folge: Dieser kann nach der AO geändert werden.
  • Verjährung: Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt wird.
  • Widerruf: Nimmt ein Lebenspartner im Zuge der Veranlagung seinen Antrag auf getrennte Veranlagung zurück, ist die bestandskräftige Veranlagung des anderen Ehegatten/Lebenspartners nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 aufzuheben und die Steuerverzinsung anzuwenden.
  • Feststellungbescheid: Fälle von geringer Bedeutung, in denen eine gesonderte Feststellung entfällt, sind beispielsweise bei Mieteinkünften von zusammenveranlagten Lebenspartnern und bei dem gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirts-Lebenspartnern gegeben, wenn die Einkünfte verhältnismäßig einfach zu ermitteln sind und die Aufteilung feststeht. Ein Fall von geringer Bedeutung ist dabei insbesondere anzunehmen, wenn dasselbe Finanzamt für die Einkommensteuer-Veranlagung zuständig geworden ist (z.B. bei Verlegung des Wohnsitzes nach Ablauf des Feststellungszeitraums in den Bezirk des Betriebsfinanzamts).
  • Steuerzinsen: Ab 2013 gelten die Regelungen für Lebenspartner entsprechend. Derjenige ist Zinsschuldner, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Sind Lebenspartner Gesamtschuldner, ist jeder auch dann Zinsschuldner, wenn bei zusammenveranlagten Lebenspartnern der Tatbestand der Steuerhinterziehung nur in einer Person erfüllt ist. In diesem Fall sind beide Lebenspartner Schuldner der Hinterziehungszinsen.
  • Verfahren gegen Dritte: Sofern diese sich nicht in Insolvenz befinden, bleiben die Verfahren grundsätzlich von den Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Dies gilt z.B. für das Besteuerungsverfahren des nicht-insolventen Lebenspartners des Schuldners, für das Besteuerungsverfahren der nicht-insolventen Gesellschafter einer Personengesellschaft und für Haftungsverfahren gegen GmbH-Geschäftsführer.
  • Insolvenzverwalter: Dieser hat die steuerlichen Pflichten des Schuldners nur im Rahmen seiner Verfügungsbefugnis zu erfüllen. Wenn Besteuerungsgrundlagen den insolvenzfreien Bereich betreffen, ist daher nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Schuldner zur Erklärung verpflichtet.
  • Gesamtschuldner: Im Fall der Zusammenveranlagung von Lebenspartnern zur Einkommensteuer wirken sich aufgrund der Gesamtschuldnerschaft die Einkünfte des nicht-insolventen Lebenspartners auch auf die gegenüber den jeweiligen insolvenzrechtlichen Vermögensbereichen festzusetzenden Steuern bzw. zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen aus. Folge: Eine Verteilung der Einkünfte des nicht-insolventen Lebenspartners erstreckt sich auf die unterschiedlichen insolvenzrechtlichen Vermögensbereiche. Die Verteilung der Einkünfte des nicht-insolventen Lebenspartners auf den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung erfolgt zeitanteilig, wenn diese Verteilung nicht offensichtlich unzutreffend ist. Die Verteilung der Einkünfte des nicht insolventen Lebenspartners, die nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind, auf die Insolvenzmasse sowie das insolvenzfreie Vermögen erfolgt im Verhältnis der Einkünfte des insolventen Lebenspartners in diesen insolvenzrechtlichen Vermögensbereichen.
  • Insolvenzeröffnung: Einkommensteuererstattungen, die während des Insolvenzverfahrens begründet werden und aus einer Lohnsteuerüberzahlung resultieren, gehören in vollem Umfang zur Insolvenzmasse.
  • Hinzuziehung: Bei Zusammenveranlagung von Lebenspartnern bei der Einkommensteuer machen Finanzbeamte regelmäßig von der Möglichkeit der einfachen Hinzuziehung Gebrauch. Das gilt auch dann, wenn der hinzuzuziehende Lebenspartner nicht über eigene Einkünfte verfügt.

Praxishinweis

Nachfolgend ein Beispiel zu Einkommensteuererstattungen, die sich bei einer nach Insolvenzeröffnung vorgenommenen Veranlagung ergeben:
Im Rahmen einer Zusammenveranlagung von Ehegatten/Lebenspartnern, bei denen nur eine Person insolvent ist, ergibt sich eine Jahressteuer von 18.000 €, die mit 14.500 € auf den vorinsolvenzrechtlichen Vermögensteil und mit 3.500 € auf die Insolvenzmasse entfallen. Folgende geleistete Vorauszahlungen werden angerechnet:

  • Schuldner: 10.000 €,
  • Insolvenzverwalter: 600 €,
  • nicht-insolventer Ehegatte/Lebenspartner: bis zur Insolvenzeröffnung: 300 € / nach Insolvenzeröffnung: 8.100 €.

Bei der Ermittlung der anteiligen Erstattungsbeträge sind sämtliche Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge einzubeziehen (unabhängig davon, aus welchem Vermögensbereich sie stammen).

Insolventer Ehegatte/Lebenspartner:
-1.000 x [(10.000 x ½ + 600 + 8.400 x ½)/19.000] = -515,79 €.
Nicht-insolventer Ehegatte/Lebenspartner:
-1.000 x [(10.000 x ½ + 8.400 x ½)/19.000] = -484, 21 €.

BMF, Schreiben v. 01.10.2013 - IV A 3 - S-0062/08/10007-17
BMF, Schreiben v. 23.07.2013 - IV A 3 - S-0062/08/10007-16, BStBl 2013 I 933
BFH, Urt. v. 22.03.2011 - VII R 42/10, BStBl 2011 II 607