Judywie © Photocase

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Grunderwerbsteuer: Bemessungsgrundlage auf dem Prüfstand

Berechnet sich die Grunderwerbsteuer wie bei Immobilienübergängen durch Firmenumwandlungen oder Käufen auf gesellschaftlicher Basis nach pauschalen Grundbesitzwerten, gilt weiterhin die Bemessungsgrundlage, die das BVerfG für die Erbschaft- und Schenkungsteuer 2009 bereits abgeschafft hat. Der BFH hat deshalb dem BVerfG jetzt die naheliegende Frage vorgelegt, ob diese Berechnungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer ebenfalls verfassungswidrig ist. Denn auch bei dieser Abgabenart kommt es zu willkürlichen und zufälligen Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz im Grundgesetz unvereinbar sind.

Betroffene müssen aufgrund dieser aktuellen Vorlage aber nicht zwingend aktiv werden. Denn die Finanzämter setzen die Grunderwerbsteuer bereits seit April 2010 nur noch vorläufig fest, sofern die Bemessungsgrundlage auf den Grundbesitzwerten basiert.

Im normalen Immobiliengeschäft hat dieser Streitpunkt dagegen nahezu keine Auswirkungen. In der Regel berechnet sich die Grunderwerbsteuer nach dem Kaufpreis, den die Parteien vereinbart haben. Dieser entspricht dem aktuellen Marktwert einer Immobilie und ist daher nicht zu beanstanden.

Relevant sind die Zweifel des BFH vor allem bei den praktisch bedeutsamen Grundstücksübergängen aufgrund von Umwandlungen sowie Anteilsvereinigungen und -übertragungen. In diesen gesetzlich definierten Ausnahmefällen bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach gesondert ermittelten Grundbesitzwerten, die das BVerfG für die Erbschaft- und Schenkungsteuer als verfassungswidrig beanstandet hat, weil sie zu zufälligen und willkürlichen Bewertungsergebnissen führen. Diesen verfassungswidrigen Zustand hat der Gesetzgeber mittlerweile für das ErbStG beseitigt und durch neue Bewertungsregeln ersetzt, hierauf aber für das GrEStG verzichtet.

Der BFH weist insbesondere darauf hin, dass der einheitliche Steuersatz - in der Höhe je nach Bundesland unterschiedlich - für sämtliche Bemessungsgrundlagen gilt. Daher ist ein für alle zu besteuernden Rechtsvorgänge gleichheitsgerechtes und folgerichtiges Bewertungssystem notwendig. Diesen Anforderungen genügen die Vorschriften im BewG nicht, sie erzeugen vielmehr verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse. Hierdurch bestimmt sich die Höhe der Grunderwerbsteuer aus Zufallswerten und erzeugt mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare ungleiche Belastungswirkungen. Hierfür gibt es keine Rechtfertigung.

Die Bewertung von bebauten Grundstücken im vereinfachten Ertragswertverfahren ist zur Erfüllung der Anforderungen an das Gleichheitsgebot strukturell ungeeignet. Denn dieses Verfahren führt zu Einzelergebnissen, die in erheblicher Anzahl zwischen weniger als 20 und über 100 % des Verkehrswerts differieren. Eine relationsgerechte Abbildung findet somit nicht statt, dem Ertragswertverfahren haftet vielmehr Zufälliges und Willkürliches an.

Soweit der BFH bislang noch von der Anwendbarkeit der Pauschalbewertung für vor dem 01.01.2009 verwirklichte Erwerbsvorgänge ausgegangen ist, hält er daran nicht mehr fest. Dieser Rechtsprechung lag die Annahme zugrunde, dass der Gesetzgeber die vom BVerfG festgestellten Verfassungsverstöße bei der Grundbesitzbewertung nicht nur für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern auch für die Grunderwerbsteuer für nach dem 31. 12. 2008 verwirklichte Erwerbsvorgänge beseitigen würde. Da eine solche gesetzliche Neuregelung jedoch nicht erfolgt ist, ist auch hier von einem Verfassungsverstoß auszugehen.

Praxishinweis

Der BFH gewährt trotz seiner erheblichen Zweifel an der Verfassungswidrigkeit der geschätzten Grundbesitzwerte keine Aussetzung der Grunderwerbsteuer von der Vollziehung. Die Richter gehen nicht davon aus, dass das BVerfG die beanstandeten Vorschriften rückwirkend für nichtig erklären wird. Nach der ständigen Spruchpraxis kommt vielmehr die befristete Fortgeltung der als verfassungswidrig erkannten Bestimmung aus Gesichtspunkten einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung in Betracht. Dies war bereits beim beanstandeten ErbStG so, das bis Ende 2008 weiter angewendet werden durfte.

Das bedeutet: Sollte die gerügte Pauschalbewertung für die Grunderwerbsteuer als verfassungswidrig eingestuft werden, hat der Gesetzgeber Gelegenheit, dies für zukünftige Immobilienübergänge zu korrigieren. Deshalb ist es nicht nötig, die Steuer für bereits abgewickelte Vorgänge auszusetzen.

BFH, Beschlussvorlagen v. 02.03.2011 - II R 23/10 und - II R 64/08
BFH, Beschl. v. 05.04.2011 - II B 153/10
Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 01.04.2010 - 51 - S 0338 - 020/09, BStBl I 2010, S. 266
 

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 27.04.11