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Grundsteuer - Noch kein Verfahren anhängig

Der BFH hatte Mitte vergangenen Jahres massive Bedenken gegen die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer geäußert, weil diese noch auf den Einheitswerten aus dem Jahre 1964 und in Ostdeutschland sogar auf den Wertverhältnissen von 1935 basiert. Obwohl dies nach Ansicht des BFH für Feststellungen nach dem 01.01.2007 nicht mehr mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, weisen die Finanzämter derzeit alle Einsprüche und Anträge gegen die Feststellungen von Einheitswerten als unbegründet zurück. Begründung der Finanzverwaltung: BFH-Urteile haben insoweit keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen, da nur das BVerfG die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen feststellen kann und dieses gerade in jüngerer Zeit wiederholt Beschwerden, in denen die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung geltend gemacht wurde, aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Auslöser für diese Verwaltungsanweisung sind die sich aktuell häufenden Einsprüche und Anträge auf Änderung oder Aufhebung der Einheitswertfeststellungen - insbesondere bei Nachfeststellungen und Wertfortschreibungen. Diese verweisen auf die beiden BFH-Entscheidungen vom Juni 2010, in denen der BFH eine allgemeine Neubewertung von Immobilien für Zwecke der Grundsteuer für erforderlich hält. Die Beanstandungen resultieren daraus, dass aktuell immer noch an den Wertverhältnissen festgehalten wird, die vor mehr als vier Jahrzehnten relevant waren. Dies verfehlt insbesondere die Anforderung an eine realitätsgerechte Bewertung, und das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Grundstücksneubewertung führt zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten, weil nicht sichergestellt ist, dass dem Finanzamt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bekannt werden.

Zwar sind für die Bemessung der Grundsteuer nicht nur die festgestellten Einheitswerte, sondern auch die von den Gemeinden festgesetzten Hebesätze maßgebend. Dennoch kann es auch innerhalb des jeweiligen Gemeindegebiets zu einer deutlich unterschiedlichen Entwicklung der Wertverhältnisse kommen, die nicht im Einheitswert berücksichtigt werden. Für neue Gebäude ist beispielsweise ein Vergleich mit den Herstellungskosten von vor mehr als 40 Jahren bestehenden entsprechenden Gebäude nicht möglich. Eine Schätzung, wie viel die Errichtung neuartiger Gebäude damals gekostet hätte, wenn es damals bereits solche Gebäude gegeben hätte, kann nur zu mehr oder minder richtigen Näherungswerten führen.

Die BFH-Urteile haben zurzeit dennoch keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen, weil Einheitswertfeststellungen weiterhin unverändert auf alle Stichtage durchgeführt werden. Die Verwaltung geht wie folgt vor:

  • Einsprüche und Änderungsanträge gegen den Einheitswertbescheid werden als unbegründet zurückgewiesen.
  • Mit dem Einspruch verbundene Anträge auf Aussetzung der Vollziehung werden abgelehnt, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen.
  • Ein Ruhen des Verfahrens kommt gegenwärtig nicht in Betracht, da zur möglichen Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens kein Verfahren beim EuGH, BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist.

Die Finanzverwaltung hat nach den BFH-Entscheidungen weder Anlass noch Möglichkeit, den Anträgen stattzugeben. Ein geeignetes anderweitiges Musterverfahren ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht anhängig. Ein Verfahren vor dem FG Düsseldorf betrifft ein Streitjahr, für das der BFH die Zugrundelegung des Einheitswerts noch für verfassungsrechtlich tragbar hält (Einheitsbewertung des Grundvermögens für Stichtage bis zum 01.01.2007).

Praxishinweis

Immobilienbesitzer müssen ihre Fälle derzeit also selber durchfechten, indem sie gegen die Ablehnung der Einsprüche beim FG klagen. Es ist aber absehbar, dass in naher Zukunft eine Revision für Stichtage nach dem 01.01.2007 anhängig wird. Der BFH hatte bei Veröffentlichung seines Urteils am 11.08.2010 bereits gegenüber der Presse angekündigt, dass er einen entsprechenden Fall dann dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen wird.
Die BFH-Entscheidungen beschäftigen derzeit bereits die eingesetzte Gemeindefinanzkommission, die sich um die Neuregelung der Grundsteuer kümmert. Anfang 2011 wurden hierzu Zwischenergebnisse und drei Lösungsvorschläge veröffentlicht. Da die Bundesländer die Vorschläge bis Ende 2011 prüfen wollen, ist mit einer Neuordnung der Grundsteuer in 2012 wohl noch nicht zu rechnen.

FinMin Baden-Württemberg, Erlass vom 10.02.2011 - 3-G 1000/3
BFH, Urt. v. 30.06.2010 - II R 60/08, BStBl II 2010, 897
BFH, Urt. v. 30.06.2010 - II R 12/09, BStBl II 2011, 48
BVerfG, Beschl. v. 18.02.2009 - 1 BvR 1334/07
BVerfG, Beschl. v. 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08
Verfahren beim FG Düsseldorf unter Az. 11 K 1484/10 Gr, BG

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 22.02.11