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Insolvenzverwaltertätigkeit ist auch bei Einsatz fachlich vorgebildeter Mitarbeiter sonstige freiberufliche Tätigkeit

Setzen Insolvenz- oder Zwangsverwalter fachlich vorgebildete Mitarbeiter für ihre Tätigkeit ein, hält der BFH nicht mehr daran fest, dass dies für die Ausübung der freien Berufe schädlich ist. Bisher führte der Einsatz fachlich vorgebildeter Mitarbeiter zur Qualifizierung als gewerbliche Tätigkeit und damit zur Gewerbesteuerpflicht. Entscheidend ist jetzt vielmehr, ob beispielsweise der Rechtsanwalt die zentralen Aufgaben des Verfahrens weiterhin im Wesentlichen selbst wahrnimmt. Damit hat der BFH seine in der Vergangenheit entwickelte sogenannte Vervielfältigungstheorie aufgegeben.

Dies hat zur Folge, dass eine freiberufliche Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn ein Selbständiger fachlich vorgebildete Arbeitskräfte einsetzt, sofern er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt und Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit erzielt. Der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter widerspricht nach Ansicht des BFH nicht dem „Wesen des freien Berufs". Die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter bei den verschiedenen Arten von selbständiger Arbeit wird nicht mehr unterschiedlich beurteilt. Die OFD Koblenz weist darauf hin, die neue BFH-Rechtsprechung auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Der vom BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung angewandten Vervielfältigungstheorie lag zugrunde, dass eine solche Tätigkeit ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden muss und dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Mitarbeitern für Tätigkeiten außerhalb der sog. Katalogberufe in einer nach Art der Tätigkeit unterschiedlichen Weise beurteilt sehen wollte.

Die neue Rechtsprechung stellt Rechtsanwaltskanzleien jedoch keinen Freibrief aus. Denn auch wenn der Einsatz fachlich Vorgebildeter zulässig ist, setzt die Tätigkeit eines Insolvenz- oder Zwangsverwalters nach wie vor voraus, dass der Berufsträger seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich ausübt. Eine solche Berufsausübung nach der sog. Stempeltheorie ist nur dann erfüllt, wenn

  • diese über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist,
  • der Insolvenz- oder Zwangsverwalter die Entscheidungen über das „Ob" bestimmter Einzelakte im Rahmen des Insolvenzverfahrens persönlich trifft,
  • die höchstpersönliche Arbeitsleistung vom Berufsträger ausgeübt wird, was aber auch dann noch erfüllt ist, wenn er ausnahmsweise in einzelnen Routinefällen nicht mitgearbeitet hat,
  • der Anwalt über die Entlassung von Arbeitnehmern und die Verwertung der Masse persönlich zu entscheiden hat,
  • der Anwalt zentrale Aufgaben des Insolvenzverfahrens im Wesentlichen selbst wahrnimmt - etwa die Erstellung der gesetzlich vorgeschriebenen Berichte, des Insolvenzplans und der Schlussrechnung - und
  • der Insolvenz- oder Zwangsverwalter beispielsweise nur die kaufmännisch-technische Umsetzung seiner Entscheidungen auf Angestellte oder fremdbetrieblich tätige Dritte übertragen hat.

Hintergrund: In dem vom BFH im Dezember 2010 entschiedenen Urteilsfall waren zwei zu einer Personengesellschaft zusammengeschlossene Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter tätig. Sie hatten dafür qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt. Sie rechneten ihre Tätigkeit zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts und damit zur freiberuflichen Tätigkeit. Das Finanzamt ordnete die Einkünfte jedoch als betrieblich ein. Daher hatte die Gemeinde auf den festgestellten Gewinn Gewerbesteuer erhoben, obwohl die Tätigkeit als Insolvenzverwalter grundsätzlich zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit führt. Entscheidend war nach Ansicht des Finanzamts, dass qualifizierte Mitarbeiter zum Einsatz kamen, die Gewerbesteuerpflicht auslösten.

Der BFH gab der klagenden Rechtsanwaltsgesellschaft im Ergebnis darin recht, dass die Regelung für freie Berufe, nach der der Einsatz qualifizierten Personals grundsätzlich zulässig ist, auch für die sonstige selbständige Arbeit gilt. Nach Ansicht des BFH gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter für die verschiedenen Arten von selbständiger Arbeit differenziert sieht. Zudem ist für eine solche Ungleichbehandlung auch kein sachlich begründetes Unterscheidungsmerkmal ersichtlich, was dem Maßstab von Art. 3 GG entsprechen würde.

Praxishinweis

Die neue BFH-Rechtsprechung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Sie entspricht nunmehr inhaltlich der entsprechenden Abgrenzung zu den Katalogberufen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit.
Trotz der Aufgabe der Vervielfältigungstheorie hielt der BFH an der bisherigen Beurteilung fest, dass die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters eine vermögensverwaltende und keine klassische freiberufliche Tätigkeit darstellt. Daher entfallen jedoch die

  • Einstiegsprüfung, ob ein Steuerpflichtiger eine sonstige selbständige Tätigkeit ausübt, und
  • der zweite Prüfungsschritt, in dem das Vorliegen einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit betrachtet wird.

Die OFD Koblenz weist darauf hin, dass der zweite Prüfungsschritt nur noch in seltenen Ausnahmefällen verneint werden kann.

OFD Koblenz, Kurzinfo ESt v. 23.09.2011 - S-2246 A - St 314
BFH, Urt. v. 15.12.2010 - VIII R 50/09, BStBl 2011 II 506
BFH, Urt. v. 15.12.2010 - VIII R 37/09, BFH/NV 2011 1303
BFH, Urt. v. 13.05.1966 - VI 63/64, BStBl 1966 III 489
FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.06.2007 - 4 K 2063/05, EFG 2007, 1523

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 29.11.11