Franz Pfluegl © fotolia.de

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Ist die Doppelbelastung aus Grunderwerb- und Umsatzsteuer für den Hausbau zulässig?

Die Steuer auf den Hauserwerb ist aus vielen Gründen gestiegen. Dies liegt zum einen daran, dass die Bundesländer gleich reihenweise aus dem Einheitstarif von 3,5 % aussteigen und anziehende Sätze verlangen. Der BFH sorgt für eine verbreiterte Bemessungsgrundlage, indem Bauherren nicht nur Abgaben auf das unbebaute Grundstück zahlen müssen. Hinzu kommen die Kontrollen der Finanzverwaltung - kein Geschäft ist für den Fiskus transparenter als der Erwerb einer Immobilie.

Das niedersächsische FG hat sich jetzt mit der unzulässigen Doppelbelastung aus Grunderwerb- und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauerrichtungsleistungen auseinandergesetzt. Es hat die Rechtsfrage des einheitlichen Leistungsgegenstands dem BFH mit der Anregung vorgelegt, wegen der divergierenden Rechtsprechung innerhalb des BFH den Großen Senat des BFH anzurufen. Falls der II. Senat des BFH an seiner Vertragsbündel-Rechtsprechung festhält und die Rechtsfrage nach dem einheitlichen Leistungsgegenstand dem Großen Senat nicht zur Entscheidung vorlegt (folglich die Klagen letztlich abweisen sollte), könnten die Kläger beim BVerfG Verfassungsbeschwerden erheben.

Tenor der Entscheidung des FG Niedersachsen: Ein Bauerrichtungs- bzw. Werkvertrag, der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks abgeschlossen wird und für den Bauherrn mangels Vorsteuerabzug eine Umsatzsteuerbelastung auslöst, unterliegt regelmäßig nicht der Grunderwerbsteuer.

Das FG Niedersachsen folgt insofern der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate des BFH, nach der noch auszuführende Bauleistungen in der Regel nicht mit Lieferungen von unbebauten Grundstücken zu einheitlichen Leistungsgegenständen zusammengefasst werden. Dagegen lehnt das FG die anderslautende, enorm steuerverschärfende Rechtsprechung des für die Grunderwerbsteuer zuständigen Senats des BFH ab. Diese verstoße gegen

  • das GrEStG,
  • die Einheit der Steuerrechtsordnung,
  • das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und 
  • das europäische Gemeinschaftsrecht.

Im zugrundeliegenden Fall ging es um ein junges Bauherren-Ehepaar, das ein unbebautes Grundstück erworben und zwei Wochen nach dem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag mit einem Bauunternehmen einen Bauvertrag über eine Doppelhaushälfte abgeschlossen hatte. Der Bauträger wies Umsatzsteuer aus, die das Paar als Endverbraucher jedoch nicht als Vorsteuer in Abzug bringen konnte. Das Finanzamt legte als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer neben dem Kaufpreis für das unbebaute Grundstück auch die Bausumme für das herzustellende Gebäude zugrunde. Das FG gab der Klage hiergegen statt. Aufwendungen aus einem Bauerrichtungsvertrag, der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöst, unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer. Insofern sind die Voraussetzungen nach dem GrEStG nicht erfüllt, denn die Vorschrift verlangt ein Rechtsgeschäft mit Anspruch auf Übereignung. Diese Maßgabe erfüllt ein Bauerrichtungsvertrag nicht, und die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer besteht lediglich aus dem Kaufpreis für das unbebaute Grundstück.

Nach den für Umsatzsteuer zuständigen BFH-Senaten kann die Verschaffung eines Grundstücks in einem Zustand, den dieses erst künftig durch Bebauung erhalten soll, nicht wie der Erwerb eines bebauten Grundstücks durch einen einheitlichen Erwerbsvertrag beurteilt werden.

Im Gegensatz dazu fasst der für Grunderwerbsteuer zuständige BFH-Senat regelmäßig die noch auszuführenden Bauleistungen mit Lieferungen von unbebauten Grundstücken zu einheitlichen Leistungsgegenständen zusammen. Auf diese Rechtsprechung stützen sich die Finanzämter und unterwerfen zunehmend den Wert von Grund und Boden plus den Wert des nachfolgend errichteten Gebäudes der Grunderwerbsteuer. Damit hat sich die Bemessungsgrundlage für die Steuerberechnung deutlich verbreitert. Dies ist einer der Gründe dafür, warum das Grunderwerbsteueraufkommen zuletzt deutlich gestiegen ist und gut 50 % mehr einbringt als die Erbschaft- und Schenkungsteuer zusammen.

So gibt es jetzt grundsätzlich einen sachlichen Zusammenhang zwischen Grundstückskauf und Hausbau, auch wenn getrennte Verträge abgeschlossen wurden oder die Hausplanung inhaltlich maßgebend vom Erwerber beeinflusst ist. Selbst wenn verschiedene Unternehmer auf der Verkäuferseite aktiv werden, etwa der künftige Hausbesitzer selbst einen Architekten einschaltet, Leistungen in Eigenarbeit erbringt oder an Dritte vergibt, fällt die Grunderwerbsteuer auf das Gesamtwerk an. Das sind dann neben dem Grundstücks- und Gebäudepreis auch anfallende Nebenkosten wie etwa für den Makler, für Sonderwünsche, der kapitalisierte Zins aus vorzeitigen Kaufpreiszahlungen sowie Erschließungskosten.

Durch diese strenge Rechtsprechung kommt es nun zunehmend zur Besteuerung des schlüsselfertigen Werks. Eine getrennte Behandlung und damit Steuer nur auf den Grund und Boden kommt nur noch in Betracht, wenn Neubesitzer selbst nach einer passenden Baufirma Ausschau halten und hierbei keine Verbindung zum Verkäufer des Grundstücks besteht. Früher konnten Bauherren noch argumentieren, sie hätten ein „nacktes" Grundstück erworben und anschließend hierauf in Eigenregie ein Gebäude errichtet. Dann berechnete sich die Steuer nur auf den Grund und Boden und nicht vom Gesamtpreis für das fertige Objekt. Diese lukrative Trennung gelingt jetzt nur noch selten, seit der BFH in einer Reihe von Urteilen von einem einheitlichen Erwerbsvorgang ausgeht.

Praxishinweis

Kündigt ein Bundesland einen höheren Tarif an, sollte der Notarvertrag zügig unterschrieben werden, um Geld zu sparen. Allein ausschlaggebend für die Höhe des Tarifs ist das Datum des notariell beurkundeten Kaufvertrags, so dass der geringere Tarif beim Unterschreiben einen Tag vor Inkrafttreten selbst dann noch gilt, wenn Besitzerwechsel, Grundbucheintragung und Kaufpreiszahlung erst später erfolgen sollten. Denn diese drei Tatbestände haben keinen Einfluss mehr auf die Entstehung der Steuer. Für die Grunderwerbsteuer haben zeitliche Rückbeziehungen, die zivilrechtlich oder steuerrechtlich möglich sind, keinen Einfluss.

Doch auch derjenige, der sich den günstigen Satz nicht mehr rechtzeitig sichern kann, kann seine Steuerlast gering halten. Beliebt ist etwa, den Anteil des Inventars am Gesamtkaufpreis zu erhöhen, indem alles, was kein wesentlicher Gebäudebestandteil ist oder eine Betriebsvorrichtung darstellt, im Kaufvertrag genau festgelegt wird. Hierauf entfällt keine Grunderwerbsteuer. Dazu gehören beispielsweise Möbel, Einbauküchen oder Markisen und bei Gewerbeimmobilien Lastenaufzüge, Laderampen oder bewegliche Innenwände. Insoweit besteht Spielraum, den Grundstückspreis niedriger anzusetzen. Dabei sollten für das Inventar aber keine Fantasiewerte angesetzt werden, damit das Finanzamt nicht jede Position kritisch prüft.

FG Niedersachsen, Urt. v. 26.08.2011 - 7 K 192/09
FG Niedersachsen, Urt. v. 26.08.2011 - 7 K 193/09
FG Niedersachsen, Beschl. v. 02.04.2008 - 7 K 333/06
BFH, Urt. v. 25.07.1979 - II R 105/77, BStBl 1980 II 11
BFH, Urt. v. 18.10.1989 - II R 143/87, BStBl 1990 II 183
BFH, Urt. v. 27.10.1999 - II R 17/99, BStBl 2000 II 34
BFH, Urt. v. 27.10.2004 - II R 12/03, BStBl 2005 II 220
BFH, Urt. v. 21.09.2005 - II R 49/04, BStBl 2006 II 269
BFH, Urt. v. 02.03.2006 - II R 47/04
BFH, Urt. v. 23.08.2006 - II R 42/04
BFH, Urt. v. 29.07.2009 - II R 58/07
EuGH, Beschl. v. 27.11.2008 - C-156/08, UR 2009, 136

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 21.02.12