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Jahressteuergesetz 2010: Erster Durchgang im Bundesrat

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 09.07.2010 im ersten Durchgang zu dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 Stellung genommen (BR-Drucks. 318/10 - Beschluss). Der Gesetzesentwurf enthält eine Vielzahl thematisch nicht oder nur partiell miteinander verbundener Einzelmaßnahmen, die überwiegend technischen Charakter haben.

Neben einigen Verbesserungswünschen an die bereits geplanten Maßnahmen hat der Bundesrat eine Reihe von Ergänzungen gefordert, die noch in das endgültige JStG einfließen sollen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Bundesregierung diesen Forderungen folgen wird. Das Gesetzgebungsverfahren soll im Herbst 2010 abgeschlossen werden.

Die wichtigsten Änderungsbegehren des Bundesrats stellen wir Ihnen nachfolgend vor:

1. Einkommensteuer

Vereinfachung des Bescheinigungsverfahrens für unbeschränkte Steuerpflicht

Personen ohne inländischen Wohnsitz, die den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte in Deutschland erzielen, können auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die sog. unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag ist es, dass die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werden.

Mit einer Gesetzesänderung soll nunmehr das Bescheinigungsverfahren dahin gehend modifiziert werden, dass neben der Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde auch andere geeignete Nachweise zu den nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften zugelassen werden (z.B. der ausländische Steuerbescheid).

Steuerbefreiung für ehrenamtliche Betreuer

Der Bundesrat fordert ab 2010 die Einführung einer neuen Steuerbefreiungsvorschrift für ehrenamtlich tätige rechtliche Betreuer, Vormünder und Pfleger.

Übernimmt ein Familienangehöriger eine oder zwei Betreuungen, bleibt die Aufwandspauschale nach Abzug des Steuerfreibetrags von bisher 500 € und der Freigrenze in Höhe von 256 € steuerfrei. Übernimmt dagegen ein engagierter Bürger mehrere ehrenamtliche Betreuungen, muss er bisher einen Teil der Aufwandspauschale versteuern oder alle Einzelausgaben zum Nachweis seiner Werbungskosten festhalten.

Es erscheint deshalb geboten, die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Betreuer entsprechend der sog. Übungsleiterpauschale in Höhe von 2.100 € von der Einkommensteuerpflicht zu befreien.

Diese Überlegungen gelten ebenso für ehrenamtliche Vormünder und Pfleger (vgl. §§ 1835, 1835a, 1908i, 1915 BGB).

Vereinfachung der Dienst-/Firmenwagenbesteuerung

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob auf eine zusätzliche Erfassung eines Vorteils aus der Nutzung eines Dienst-/Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte/Betriebsstätte bei der pauschalen Nutzungswertermittlung (0,03-%-Regelung) unter gleichzeitigem Ausschluss des Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzugs in Höhe der Entfernungspauschale (0,30 € je Entfernungskilometer) verzichtet werden kann.

Bindung an einmal ausgeübte Wahlrechte

Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BilMoG wirkte sich die handelsrechtliche Verpflichtung, Vermögensgegenstände bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, wegen der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung auch auf die steuerliche Bewertung der Wirtschaftsgüter aus. Mit der Änderung des § 5 Abs. 1 EStG wurde der Grundsatz der Maßgeblichkeit insoweit durchbrochen, wie steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bestehen. Wahlrechte, die nur steuerrechtlich bestehen, können nunmehr unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz ausgeübt werden.

Hat der Steuerpflichtige in einem Wirtschaftsjahr eine Teilwertabschreibung vorgenommen und verzichtet er in einem darauffolgenden Jahr auf den Nachweis der dauernden Wertminderung, ist das Wirtschaftsgut nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG mit den (fortgeführten) Anschaffungskosten zu bewerten. Der Steuerpflichtige hat somit grundsätzlich die Möglichkeit, ein einmal ausgeübtes Wahlrecht in den folgenden Jahren durch Nichterbringung des Nachweises neu auszuüben und dadurch Gewinne in andere Wirtschaftsjahre zu verschieben.

Deshalb soll gesetzlich geregelt werden, dass Steuerpflichtige an ein einmal ausgeübtes Wahlrecht auch in folgenden Wirtschaftsjahren gebunden sind, wenn die Gründe für die Wertminderung nicht entfallen sind.

§-6b-Fonds

Die Veräußerung oder Entnahme betrieblicher Wirtschaftsgüter löst im Regelfall die Versteuerung der in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aus. Bei der Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden besteht jedoch die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG.

Diese Möglichkeit wird steuergestalterisch durch Einlagen in sog. §-6b-Fonds genutzt, um die Zwangsauflösung und Nachversteuerung der §-6b-Rücklagen abzuwenden. §-6b-Fonds sind Kapitalanlageprodukte in Form von geschlossenen Fonds, die als gewerblich geprägte Personengesellschaften konzipiert sind. Im Grunde handelt es sich um einen geschlossenen Immobilienfonds, der allerdings gewerbliche Einkünfte generiert. Mit den Einlagen der Kommanditisten erwirbt oder errichtet der Fonds Grundstücke und/oder Gebäude und vermietet diese möglichst langfristig.

Bei der Beteiligung an einem solchen "Vermietungsfonds" handelt es sich aus wirtschaftlicher Sicht um eine bloße Kapitalanlage. Zur Schließung dieses Steuerschlupflochs soll die Übertragung stiller Reserven ab dem Zeitpunkt der Gesetzesverkündung nur möglich sein, wenn die erworbenen oder hergestellten Grundstücke oder Gebäude nicht zu Vermietungszwecken oder Verpachtungszwecken genutzt werden.

Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos

Beiträge zur privaten Vorsorge für den Fall der Erwerbsminderung sind bisher im Rahmen der Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen abziehbar; dabei werden die Höchstbeträge häufig schon durch andere Beiträge aufgezehrt.

Durch die Integration der privaten Absicherung einer Erwerbsminderung in die Basisvorsorge soll nicht nur der weitgehend entfallene Sonderausgabenabzug für derartige Beiträge im Rahmen sonstiger Vorsorgeaufwendungen kompensiert werden, sondern auch der Vorsorge für den Fall der Erwerbsminderung ein angemessener Stellenwert eingeräumt werden.

Persönliches und zeitliches Für-Prinzip für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung stellt klar, dass Aufwendungen, die zugunsten des Versicherungsvertrags eines Dritten geleistet werden, nicht abziehbar sind. Dies entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung und wirkt Gestaltungen, mit denen Versicherungsbeiträge für mehrere Personen bei einem Steuerpflichtigen gebündelt werden, entgegen.

Als zusätzliche Einschränkung soll über das Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) hinaus gelten, dass die Beiträge auf den Veranlagungszeitraum (VZ) entfallen müssen. Gestaltungen, mit denen z.B. durch Vorauszahlung von Beiträgen für künftige VZ das Abzugsvolumen für andere künftige Vorsorgeaufwendungen erhalten bleiben soll, würden damit vermieden.

Darlehen an nahestehende Personen

Eine Ausnahme vom Abgeltungsteuersatz gilt bisher für alle Kapitalerträge, bei denen Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen sind.

Mit der vorgeschlagenen Änderung soll diese Ausnahmeregelung auf Fälle beschränkt werden, in denen eine Steuersatzspreizung (Abzug als Werbungskosten/Betriebsausgaben mit Wirkung des individuellen Steuersatzes, Besteuerung der Zinseinnahmen mit dem Abgeltungsteuersatz) gestaltet werden könnte; nur insoweit besteht ein Regelungsbedürfnis. Dies entspricht inhaltlich der Regelung im BMF-Schreiben vom 22.12.2009 - IV C 1 - S 2252/08/1004, Rdnr. 134.

Abgeltungsteuer - Günstigerprüfung

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob für die in § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG enthaltene Günstigerprüfung im Rahmen der Abgeltungsteuer klarstellend geregelt werden sollte, dass dabei nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auf die gesamte Steuerbelastung einschließlich Zuschlagsteuern (z.B. Solidaritätszuschlag) abzustellen ist.

Die Anwendung des reinen Gesetzeswortlauts könnte dazu führen, dass die Günstigerprüfung zwar eine geringere Einkommensteuer ausweist, jedoch z.B. aufgrund des Überschreitens der Freigrenze nach § 3 Abs. 3 Solidaritätszuschlagsgesetz die Belastung mit Solidaritätszuschlag steigt und insgesamt eine höhere Steuerbelastung entsteht. Ähnliche Effekte könnten sich auch bei anderen Zuschlagsteuern ergeben.

2. Körperschaftsteuer

Verfassungsgemäße Umgliederungsvorschriften

In dem Beschluss 1 BvR 2192/05 vom 17.11.2009 hat das BVerfG entschieden, dass die Übergangsregelungen vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren des § 36 Abs. 3 und 4 KStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, soweit sie zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotential führen.

Beim Systemwechsel vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren wurde im Rahmen der entsprechenden Übergangsregelungen das noch vorhandene Körperschaftsteuerminderungspotential ermittelt und als Körperschaftsteuerguthaben festgestellt. Das BVerfG beanstandet, dass die Umgliederung des zum Zeitpunkt des Systemwechsels (i.d.R. 31.12.2000) mit 45 % belasteten Eigenkapitals (EK 45) in mit 40 % belastetes Eigenkapital (EK 40) und unbelastetes Eigenkapital (EK 02) für diejenigen Unternehmen zu einem Wegfall von Körperschaftsteuerminderungspotential führen kann, die nur über einen geringen oder keinen Bestand an EK 02 verfügen.

Durch die Streichung des § 36 Abs. 3 KStG wird rückwirkend auf die beanstandete Umgliederung generell verzichtet. In dem neuen Absatz 6a wird stattdessen eine einfache Regelung gefunden, die die Forderung des BVerfG vollständig umsetzt und gleichzeitig komplizierte Folgeänderungen (insbesondere Veränderungen des EK 02) vermeidet.

3. Umsatzsteuer

Verjährungsregelung für Bescheinigungen bei Bildungseinrichtungen

Die mit dem Entwurf des JStG 2010 vorgesehene Angleichung des Bescheinigungsverfahrens nach § 4 Nr. 20 UStG an das Verfahren für die gesonderte Feststellung soll auf das Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 21 UStG übertragen werden.

Nach § 4 Nr. 21 UStG benötigen private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen als Voraussetzung für die Steuerfreiheit der von ihnen erbrachten Bildungsleistungen u.a. eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde über die ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung. Gerade auch diese Bescheinigung stellt nach der Entscheidung des BFH vom 20.08.2009 - V R 25/08 einen Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung dar. Dem ist ggf. durch rückwirkende Korrektur des steuerlichen Folgebescheids Rechnung zu tragen (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Verlängerung der Abgabefrist für die Zusammenfassende Meldung

Mit dem Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGBl I 2010, 386) hat der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit, dass Unternehmer die ihnen gewährte Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung auch für die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung in Anspruch nehmen können, aufgehoben und u.a. eine Abgabefrist von 25 Tagen eingeführt. Gegenüber der bis dahin geltenden Regelung bedeutet dies eine Verkürzung der Frist um regelmäßig etwa 15 Tage.

Der Rat der EU hat in Art. 263 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG in der durch die Richtlinie 2008/117/EG geänderten Fassung eine Abgabefrist von höchstens einem Monat vorgesehen. Insbesondere mit Blick auf die starke Exportorientierung der deutschen Wirtschaft haben die Rechtsänderungen gerade für Steuerberater in Deutschland weitreichende Folgen. Vor diesem Hintergrund soll die EU-Vorgabe im nationalen Recht voll ausgeschöpft und die Abgabefrist bis zum Ende des Folgemonats verlängert werden.

4. Abgabenordnung

Verschärfung für die strafbefreiende Selbstanzeige

An dem Rechtsinstitut der strafbefreienden Selbstanzeige soll festgehalten werden. Der Bundesrat will die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit jedoch nur dann honorieren, wenn die Selbstanzeige freiwillig, vollständig und richtig erstattet wird. Es soll verhindert werden, dass Selbstanzeigen Bestandteil einer Hinterziehungsstrategie sind, so z.B., wenn nur solche verschwiegenen Einkünfte nacherklärt werden, die unmittelbar vor der Aufdeckung stehen. Zudem soll die Vorschrift verschlankt werden und die neuere Rechtsprechung des BGH zur Selbstanzeige (Beschl. v. 20.05.2010 - 1 StR 577/09) klarstellend aufnehmen.

In § 371 Abs. 1 AO wurde bisher das Wort "insoweit" in ständiger Rechtsprechung in der Weise ausgelegt, dass auch eine Teilselbstanzeige in der nacherklärten Höhe strafbefreiende Wirkung entfaltet. Diese Rechtsprechung hat der BGH nunmehr aufgegeben. Das Wort "insoweit" bezieht sich nur auf die Bestrafung der Tat als Steuerhinterziehung.

§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO bisheriger Fassung knüpft den Ausschluss der Straffreiheit an das "Erscheinen" des Prüfers. Künftig soll für den Ausschluss der Straffreiheit bereits die "Absendung der Prüfungsanordnung" genügen.

Nach dem neuen § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO soll die Selbstanzeige auch dann ausgeschlossen sein, wenn bereits eine Prüfung der betreffenden Steuerarten und Besteuerungszeiträume abgeschlossen ist.

Durch die neue Nummer 2 des § 371 Abs. 2 AO wird die strafbefreiende Wirkung ausgeschlossen, wenn der Täter die Selbstanzeige im Wege der Teilselbstanzeige stückelt.

Bislang hängt die Wirksamkeit der Selbstanzeige nach § 371 Abs. 3 AO zudem davon ab, dass die hinterzogenen Steuern fristgerecht nachentrichtet werden. Künftig muss zur Erlangung der Straffreiheit zugleich ein Zuschlag in Höhe von 5 % auf den Hinterziehungsbetrag i.S.d. § 370 Abs. 4 AO geleistet werden.

Hinweis: Zu weiteren Einzelheiten und Änderungen aus dem JStG 2010 vergleiche auch den Beitrag zur Gesetzgebung in STX 23/10, 356 sowie das Thema der Woche zum Referentenentwurf in STX 15/10, 226.

Entwurf zum Jahressteuergesetz 2010

Quelle: Redaktion Steuern - vom 28.07.10