Joachim Wendler © fotolia.de

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Kapitalerträge: Pauschale Abgeltungsteuer oder doch individuelle Progressivbesteuerung?


Seit 2009 wird jeder Kapitalertrag, der über den geltenden Freibeträgen liegt, pauschal mit 25 % Abgeltungsteuer belegt. Für Miet- und Unternehmenseinkünfte findet aber weiterhin der progressive individuelle Einkommensteuersatz Anwendung. Unternehmer und Vermieter können sich diese Diskrepanz in der Besteuerung zunutze machen. Der Gesetzgeber hat allerdings durch § 32d Abs. 2 EStG manchem Steuersparmodell einen Riegel vorgeschoben. Schulden sich etwa einander nahestehende Personen Kapitalerträge, ist der regelmäßig höhere progressive Steuertarif anzuwenden. In einem zuletzt vom FG Baden-Württemberg entschiedenen Fall waren Gläubiger und Schuldner von Kapitalerträgen Geschwister.

Anfang 2009 wurde mit der Einführung der neuen Abgeltungsteuer eine Einkunftsart komplett vom steuerlich bekannten Regelwerk abgekoppelt: Ab diesem Zeitpunkt wurden Zinsen, Dividenden, Termingeschäfte und realisierte Kursgewinne pauschal mit 25 % besteuert.

Demgegenüber unterliegen Miet- oder Firmeneinkünfte unverändert der individuellen Steuerprogression von bis zu 45 %. Diese deutliche Tarifspreizung brachte Vermieter und Unternehmer bei ihren Finanzierungen zum Umdenken.

Während nämlich ihre Schuldzinsen weiterhin mit bis zu 45 % steuermindernd wirken, geht von den Depoterträgen nur noch ein Viertel an den Fiskus. Diese Differenz in den Steuertarifen von bis zu 20 % brachte den Steuerpflichtigen neue Gestaltungsspielräume bei der Wahl zwischen Eigen- und Fremdmitteln.

So wandelte sich die bis dato bewährte Einstellung, Immobilienerwerb oder hohe Handwerkerrechnungen so weit wie möglich über Eigenmittel zu finanzieren: Wenn z.B. die Renovierung der vermieteten Immobilie von der Bank mitfinanziert wird, können die hieraus resultierenden Kreditzinsen vollständig als Werbungskosten abgesetzt werden. Sie können bei einem hohen Steuersatz die Abgaben des Eigentümers ans Finanzamt (zusammen mit Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) um rund die Hälfte senken. Die eigentlich hierfür vorgesehenen Depotwerte bringen weiterhin Kapitalerträge, von denen nur ein Viertel an den Fiskus geht.

Diesen erstaunlichen Einspareffekt, der auf Dauer zu Lasten des Fiskus geht, hat der Gesetzgeber bereits frühzeitig erkannt. Deshalb sind gesetzliche Hürden vorgesehen, die ein Ausnutzen dieser Tarifspreizung zugunsten der Nettorendite des Steuerzahlers erschweren.

Gewährt z.B. der Vater seinem Sohn aus rein steuertaktischen Gründen ein Darlehen für Hausbau oder Handwerkerarbeiten, ist das auf den ersten Blick ein lukratives Geschäft: Der Sprössling setzt die Zinsen voll ab und der Vater versteuert diese pauschal. Innerhalb der Familie erhöht sich damit die Liquidität um diesen Steuervorteil.

Verhindert wird dieses Steuermodell dadurch, dass bei Darlehensvereinbarungen zwischen einander nahestehenden Personen die erhaltenen Zinsen weiterhin mit der individuellen Progression versteuert werden müssen. In bestimmten gesetzlich geregelten Sonderfällen unterliegen Kapitalerträge also nicht dem Abgeltungsteuersatz, sondern werden in die normale Einkommensteuerveranlagung einbezogen.

Das hat zwei Nachteile:

 

  1. Bei den bezogenen Zinsen lässt sich der Sparer-Pauschbetrag nicht anwenden. Wenn der Sparer keine weiteren Kapitaleinnahmen aufweist, verpufft der jährliche Freibetrag in Höhe von 801 €.
  2. Die tarifliche und i.d.R. höhere Besteuerung führt dazu, dass auch die Progression des Anlegers für sein übriges Einkommen ansteigt.

Die Sonderregel kommt in folgenden Fällen in Betracht:

  • Darlehenszinsen werden von einer GmbH an einen zu mindestens 10 % beteiligten Anteilseigner gezahlt.
  • Gläubiger und Schuldner sind einander nahestehende Personen oder Angehörige.
  • Unternehmer oder Freiberufler nehmen bei einer Bank ein Darlehen auf, und das kreditgebende Institut verwaltet auch die privaten Kapitalanlagen.

Hintergrund: Es wird dem von der Steuersatzspreizung ausgehenden Anreiz entgegengewirkt, betriebliche Gewinne z.B. in Form von Darlehenszinsen zu verlagern, um deren Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz zu reduzieren.

Zwar würden die betrieblichen Gewinne um die Fremdkapitalzinsen bei gleichzeitiger Besteuerung der Zinsen mit dem Abgeltungsteuersatz auch dann gemindert, wenn die GmbH das benötigte Fremdkapital bei einem Dritten aufnehmen und der Gesellschafter sein Kapital der Bank überlassen würde.

Doch in aller Regel wird die GmbH das Fremdkapital bei Dritten zu ungünstigeren Bedingungen aufnehmen oder der Gesellschafter sein Kapital zu ungünstigeren Bedingungen überlassen können, als dies zwischen GmbH und Gesellschafter möglich ist.

Unter diesem Blickwinkel ist der Ausschluss vom Abgeltungsteuersatz gerechtfertigt, wenn zwischen dem Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge eine Beziehung besteht, durch die der übliche Interessengegensatz zwischen Fremdkapitalgeber und -nehmer eingeschränkt oder aufgehoben werden kann.

Das gilt nicht nur für das Aushandeln einer steuerlich besonders günstigen Vereinbarung, sondern auch für die individuelle Festlegung der Bedingungen im Kreditvertrag (z.B. Höhe des Zinssatzes oder übliche Vertragsbedingungen zu Durchführung, Besicherung oder Tilgung des Darlehens).

Sind Schuldner und Gläubiger von Kapitalerträgen Geschwister, ist auf die erzielten Zinsen nicht der Abgeltungsteuersatz von 25 %, sondern der progressive Steuersatz anzuwenden.

Aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise ist es unerheblich, ob die Geschwister sich tatsächlich nahestehen. Dies hat jetzt das FG Baden-Württemberg klargestellt:

Die Schwester hatte ihre Kommandit-Beteiligung an ihren Bruder verkauft. Der Kaufpreis war in Raten zu zahlen. Diese waren mit dem Zinssatz für Kontokorrentkredite der Hausbank zu verzinsen.

Der Bruder leistete an sie vereinbarungsgemäß die Raten zuzüglich Zinsen. Das Finanzamt unterwarf diese dem höheren tariflichen, progressiven Einkommensteuersatz, weil der Darlehensnehmer eine nahestehende Person ist und die Zinsen beim Bruder als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Der Abgeltungsteuersatz findet demnach keine Anwendung.

Als Geschwister sind beide Angehörige nach der AO. Sie stehen in einer engen familienrechtlichen Beziehung, die typischerweise dazu geeignet ist, den zwischen fremden Dritten bestehenden Interessengegensatz einzuschränken oder aufzuheben. Ob sie sich tatsächlich einander nahestehen, war in Anbetracht der typisierenden Betrachtungsweise des Gesetzes unerheblich.

Praxishinweis

Das FG Baden-Württemberg hat die (mittlerweile eingelegte) Revision zum BFH zugelassen (Aktenzeichen: VIII R 35/13). Denn es ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, wie der Begriff der nahestehenden Person nach der Vorgabe des EStG auszulegen ist und ob die Ausnahmevorschrift verfassungsgemäß ist.

Das FG Baden-Württemberg schließt sich insoweit der Auffassung des Niedersächsischen FG an. Das hatte bereits vor rund einem Jahr in gleichem Sinne entschieden. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte beim BFH Erfolg; auch gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt (Aktenzeichen: VIII R 9/13).

FG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.04.2013 - 8 K 3100/11
FG Niedersachsen, Urt. v. 18.06.2012 - 15 K 417/10

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 24.09.13