Gina Sanders © fotolia.de

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Können alle Prozesskosten außergewöhnliche Belastungen sein?

Bereits 2011 hat der BFH - zugunsten der Steuerzahler und gegen den Fiskus - seine bisherige strikte Rechtsprechung zur steuerlichen Absetzbarkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung bedeutend entspannt.

Der BFH hat bestimmt, dass Zivilprozesskosten - unabhängig vom Gegenstand des Prozesses - aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen können, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung

  • die hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, was unter Auslegung des Für und Wider und des Kostenrisikos mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sein sollte,
  • einen angemessenen Betrag nicht überschreitet,
  • aus der Sicht eines Dritten nicht mutwillig erscheint.

Das BMF wies jedoch postwendend die Finanzbeamten an, diese für Steuerzahler positive Rechtsprechung nicht anzuwenden. Währenddessen haben gleich mehrere FG trotz des bestehenden Nichtanwendungserlasses die Kosten von Zivilprozessen zu verschiedenen Themen als außergewöhnliche Belastung anerkannt; hiergegen wurden zahlreiche Revisionen eingelegt. Somit muss sich der BFH jetzt noch einmal mit der Frage der Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung befassen. Die Frage hat also hohe Praxisrelevanz und erscheint daher insgesamt klärungsbedürftig.

Die neue und günstigere Meinung des BFH basiert auf dem Gedanken, dass sich Ansprüche regelmäßig nur gerichtlich durchsetzen oder abwehren lassen und eine Person daher das Prozesskostenrisiko nicht freiwillig übernimmt. Diese Meinung teilen einige FG (alleine Düsseldorf mehrmals) in mehreren Urteilen, die nachfolgend in einer Kurzübersicht unter Angabe des Revisionsaktenzeichens dargestellt werden:

  • Scheidungsfolgesachen vom FG Düsseldorf: Gerichts- und Anwaltskosten für Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Versorgungs- und Zugewinnausgleich sowie Unterhalt (Rev. VI R 16/13),
  • Schadenersatzprozess vom FG Düsseldorf: Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (Rev. VI R 14/13),
  • Studienplatzklage vom FG Düsseldorf: Prozess- und Anwaltskosten, um einen Studienplatz zu erkämpfen (Rev. VI R 9/13),
  • Prozess- und Wohnungsräumungskosten vom FG München: Kosten für die Rechtsanwälte aus Verfahren vor Gericht (Rev. VI R 66/12),
  • Unterhaltsausspruch vom FG Schleswig-Holstein: Berufungsverfahren wegen anwaltlicher Vertretung als Scheidungskosten für den nachehelichen Unterhalt (Rev. VI R 70/12),
  • Entschädigung vom FG Hamburg: Klage auf Entschädigung nach dem Vermögensgesetz (Rev. X R 34/12),
  • Teilungsversteigerung vom FG Sachsen: Beendigung einer Teileigentumsgemeinschaft im Zusammenhang mit der Ehescheidung (Rev. IX R 41/12).

Unerfreulicherweise sind die Urteile jedoch derzeit nicht nutzbar, denn die Verwaltung hält an der ehemaligen für Steuerzahler ungünstigen Rechtsauffassung weiter fest. Eine Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn Betroffene ohne den Rechtsstreit Gefahr liefen, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und die lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Hinweis: Eine rückwirkende gesetzliche Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten war im Jahressteuergesetz 2013 angedacht, das mittlerweile bekanntlich endgültig gestrichen wurde.

Praxishinweis

Nicht nur in den vorgenannten, sondern darüber hinaus auch bei vergleichbaren Sachverhalten sind die Finanzbeamten (aufgrund der Anweisungen im Nichtanwendungserlass des BMF) angehalten, Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen und zum Steuerabzug zuzulassen.
Vor diesem Hintergrund sollten Betroffene unter Hinweis auf die anhängigen Revisionsverfahren gegen ihre insoweit abweisenden Steuerbescheide Einspruch einlegen. Dies hält den Fall bis zur Entscheidung durch den BFH ohne viel eigene Arbeit offen. Zudem sind die Erfolgsaussichten gut. Der BFH wird nämlich voraussichtlich seine Auffassung nicht ändern und den Anträgen der Steuerzahler entsprechen.

BFH, Urteil vom 12.05.2011 - VI R 42/10, BStBl 2011 II 1015
BMF-Schreiben v. 20.12.2011 - IV C 4 - S-2284/07/0031 :002, BStBl 2011 I 1286
FG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2013 - 10 K 2392/12 E, Rev. unter VI R 16/13
FG Düsseldorf, Urt. v. 20.02.2013 - 15 K 2052/12 E, Rev. unter VI R 14/13
FG Düsseldorf, Urt. v. 14.01.2013 - 11 K 1633/12 E, Rev. unter VI R 9/13
FG München, Urt. v. 05.03.2012 - 5 K 710/12, Rev. unter VI R 66/12
FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21.12.2012 - 1 K 75/11, Rev. unter VI R 70/12
FG Hamburg, Urt. v. 24.09.2012 - 1 K 195/11, Rev. unter X R 34/12
FG Sachsen, Urt. v. 13.09.2012 - 5 K 653/12, Rev. unter IX R 41/12

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 04.06.13