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Mentalitätswechsel soll für eine andere Insolvenzkultur sorgen

Die Bundesregierung hat jetzt das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung notleidender Unternehmen zu verbessern. Das erfolgt nach Aussage des BMJ vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland - im Unterschied zu anderen Ländern - an einer Insolvenzkultur fehlt, weil erfolgreichen Sanierungen hierzulande das Stigma der Insolvenz entgegensteht. Denn Insolvenz steht bislang für persönliches Versagen und wirtschaftliches Scheitern.

Das Gesetz soll jetzt einen Mentalitätswechsel hin zu einer anderen Insolvenzkultur einleiten, indem die Vorschriften stärker auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ausgerichtet werden. Das geschieht zum Beispiel durch

  • einen stärkeren Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters,
  • Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrens,
  • die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung und
  • eine größere Konzentration der Zuständigkeit der Insolvenzgerichte.

Das geltende Recht legt der frühzeitigen Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen zahlreiche Hindernisse in den Weg. In der Vergangenheit haben einige Unternehmen deshalb ihren Sitz nach England verlegt, da der Geschäftsleitung und den maßgeblichen Gläubigern die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach englischem Recht zur Sanierung des Unternehmens vorteilhafter erschien. Als einer der Gründe, aus denen gerade ausländische Investoren die deutsche Rechtsordnung als weniger geeignet für Sanierungen ansehen, wird unter anderem genannt, dass der Ablauf eines deutschen Insolvenzverfahrens für Schuldner und Gläubiger nicht berechenbar sei und dass insbesondere kaum Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters genommen werden könne. Im deutschen Insolvenzverfahren fehle die Möglichkeit einer Umwandlung von Forderungen in Anteilsrechte. Zudem sei die Dauer eines deutschen Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens kaum kalkulierbar, da das Wirksamwerden eines Insolvenzplans durch Rechtsmittel einzelner Gläubiger um Monate oder gar Jahre hinausgezögert werden könne.

Das Recht der Eigenverwaltung eröffnet dem Schuldner die Möglichkeit zur Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach Verfahrenseröffnung. Das hatte bislang eine zu geringe praktische Bedeutung, weil die Gerichte davon nur mit großer Zurückhaltung Gebrauch machten. Auch ein Schuldner, der schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellt und den seine Gläubiger für vertrauenswürdig halten, hat keine Sicherheit, dass ihm das Gericht die Eigenverwaltung gestattet. Diese Schwächen und Unsicherheiten führen dazu, dass ein frühzeitig gestellter Insolvenzantrag mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens nach wie vor die große Ausnahme bildet und der Insolvenzantrag meist erst gestellt wird, wenn das Vermögen des Schuldners aufgezehrt ist und keine Sanierungschancen mehr bestehen.

Ziel des Gesetzes ist es daher, im Interesse einer Verbesserung von Sanierungschancen zu erreichen, dass Schuldner und Gläubiger in die Auswahl der maßgeblichen Akteure einbezogen werden und dass alle Beteiligten eine größere Planungssicherheit hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens erhalten.

Praxishinweis

Das Gesetz mit seinen umfangreichen Einzelmaßnahmen soll zu drei verschiedenen Zeitpunkten in Kraft treten. Für einige Regelungen ist der 1. 1. 2012 vorgesehen, andere wiederum sollen am 1. 1. des Jahres in Kraft treten, dessen Beginn mindestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Verkündung liegt. Die übrigen Regelungen treten am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Zur besseren Übersicht nachfolgend eine punktuelle Aufzählung der für die Praxis wichtigsten zehn Änderungsvorhaben:

  1. Bereits im Eröffnungsverfahren ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss möglich, der bei bestimmten Unternehmen ein wichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung hat.
  2. Die Eigenverwaltung wird dadurch gestärkt, dass das Gericht gezwungen wird, sich ernsthafter als bisher mit deren Aussichten auseinanderzusetzen. Befürwortet der Gläubigerausschuss eine Eigenverwaltung einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein.
  3. Bei Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters wird der vorläufige Gläubigerausschuss eingebunden. Vorgaben des Ausschusses zur Person des Verwalters sollen für den Richter unter bestimmten Umständen bindend sein.
  4. Das Gericht wird bei Insolvenzverfahren über Unternehmen mit bestimmter Größe und wirtschaftlicher Bedeutung, deren Betrieb noch nicht eingestellt ist, verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzuberufen.
  5. Ein Schuldner erhält bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten in einem Schutzschirmverfahren unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten. Dieser kann anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden.
  6. Die Gläubigerautonomie wird insgesamt gestärkt. Es kommt zu einer moderaten Beschränkung der Rechtsmittel für einzelne Gläubiger.
  7. Als neues Sanierungsinstrument können auch Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden.
  8. Schuldner erhalten die Möglichkeit, Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erhalten, wenn die geltend gemachte Forderung die Durchführung eines Insolvenzplans gefährdet.
  9. Die Verjährungsfristen für verspätete Forderungen werden verkürzt.
  10. Die gerichtlichen Zuständigkeiten werden auf maximal ein Insolvenzgericht pro Landgerichtsbezirk konzentriert. Die Insolvenzstatistik wird neu geordnet, damit zukünftig belastbare Angaben über finanzielle Ergebnisse und den Ausgang von Insolvenzverfahren vorliegen.

Gesetzentwurf der Bundesregierung: Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 23.02.2011

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 01.03.11