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Neues Maßnahmenpaket bringt noch mehr Steuervorschriften

Privatbürgern und Unternehmen stehen einmal mehr steuerliche Neuregelungen ins Haus, obwohl mit Steuerentlastungsgesetz 2011, Schwarzgeldbekämpfungsgesetz sowie Umsetzungsgesetz zur Anpassung an die EU-Fondsrichtlinie drei umfangreiche Maßnahmenpakete noch nicht einmal verkündet sind. Nun kommt das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften hinzu, welches auf 95 Seiten sechs steuerrechtliche Neuregelungen und ein neues EU-Beitreibungsgesetz enthält. Die insgesamt sieben wesentlichen Änderungen setzen insbesondere zwei Vorgaben der Europäischen Kommission um und entrümpeln die Vorschriften zu den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen.


1. Aufhebung der Sanierungsklausel

Die Sanierungsklausel, durch die der Verlust bei einem Beteiligtenwechsel nicht untergeht, wird rückwirkend ab ihrer Einführung in 2008 aufgehoben. Damit wird eine Entscheidung der Europäischen Kommission umgesetzt, nach der diese Vorschrift den Wettbewerb im Binnenmarkt in unzulässiger Weise verzerrt und daher nicht mehr anwendbar ist. Deutschland ist ferner verpflichtet, die auf der Grundlage der Sanierungsklausel gewährten Steuervorteile innerhalb von vier Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses zurückzufordern und für die Aufhebung der Vorschrift zu sorgen.
Dies erfolgt nun für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010. Die zeitliche Beschränkung erfolgt im Hinblick darauf, dass die Bundesregierung vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss erheben wird. Sollte das EuG der Klage stattgeben, wäre der Kommissionsbeschluss rückwirkend nichtig und die Sanierungsklausel könnte für 2008 bis 2010 wieder angewandt werden. Bis dahin darf sie aber nicht wirken.

2. Erbschaft mit Auslandsbezug

Die EU-Kommission hat Deutschland Mitte März 2011 aufgefordert, die Regelungen der Erbschaft- und Schenkungsteuer hinsichtlich der beschränkten Steuerpflicht zu ändern. Denn diese verstoßen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und diskriminieren die Bewohner anderer EU-Staaten. Bereits im Sommer 2010 hatte sie bemängelt, dass der geringere Frei-betrag von 2.000 € für beschränkt Steuerpflichtige nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist, weil Deutsche Freibeträge bis zu 500.000 € in Anspruch nehmen können.

Daher wird nun ein Antragsrecht für beschränkt steuerpflichtige Erwerber (Erben, Beschenkte) eingeführt, die in einem EU- oder EWR-Staat leben und die Staatsangehörigkeit eines dieser Länder besitzen. Sie können den Vermögensanfall wie bei unbeschränkter Steuerpflicht behandeln lassen und den höheren Freibetrag - je nach Verwandtschaftsgrad zwischen 20.000 € und 500.000 € - in Anspruch nehmen, der sich nach ihrem Verhältnis zum Erblasser oder Schenker ergibt. Hierzu müssen sie sich jedoch vollständig den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen: also mit dem gesamten zugewendeten Weltvermögen. Sie sollten also im Einzelfall abwägen, wann das Wahlrecht mit hohem Freibetrag, aber breiterer Bemessungsgrundlage günstig ist - und wann nicht.

3. Anpassung an das elektronische Lohnsteuerabzugsverfahren

An die Stelle der althergebrachten Lohnsteuerkarte tritt nunmehr die Erhebung der Lohnsteuer mit Hilfe der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Im Zuge der Umstellung ist eine Vielzahl technischer und gesetzgeberischer Schritte zu vollziehen. Mit dem umfassenden Regelungspaket für den Bereich der elektronischen Lohnsteuerabzugs-merkmale werden die noch erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen vollzogen: nämlich die Anpassung der gesamten lohnsteuerlichen Verfahrensvorschriften an das neue Verfahren, das ab 2012 flächendeckend angewendet werden soll.

Dieses Paket stellt endgültig die Weichen für eine umfassende Modernisierung und Erleichterung des Lohnsteuerabzugsverfahrens - sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber und Finanzverwaltung. Aufwendige Medienbrüche, die durch die Übertragung der bei Verwaltung und Arbeitgebern meist längst elektronisch gespeicherten lohnsteuerlichen Daten auf die Lohnsteuerkarte anfielen, werden künftig vermieden. In Zukunft kann die Finanzverwaltung die Lohnsteuerabzugsmerkmale und eventuelle Änderungen den Arbeitgebern maschinell verwertbar zum Lohnsteuerabzug zur Verfügung stellen.

4. Freiwilligendienste

Der Katalog der Freiwilligendienste wird um den Internationalen Jugendfreiwilligendienst erweitert. Damit können Kinder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs bei den Eltern über Steuerfreibeträge berücksichtigt werden. Die entsprechende Änderung erfolgt auch im Bundeskindergeldgesetz.

5. Ausländische Arbeitnehmer

Damit beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern nicht in ungerechtfertigter Weise Grundfreibetrag und Sonderausgabenabzug gewährt werden, wird ihre Inanspruchnahme über die Höhe der Arbeitnehmereinkünfte hinaus ausgeschlossen.

6. Immobilienbewertung

Sofern der Preis von Grundstücken für die Erbschaft- und Schenkungsteuer im Sachwertverfahren ermittelt wird, kommt es zur Überarbeitung der Bewertungsregelungen. Mit der Präzisierung der Gebäudeklassen werden erste praktische Erfahrungen bei der Anwendung des Erbschaftsteuerreformgesetzes umgesetzt. Die Herstellungskosten werden anhand der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindizes an die aktuelle Entwicklung angepasst.

7. Beitreibung von Schulden

Das neue EU-Beitreibungsgesetz regelt die Einzelheiten der Amtshilfe zwischen Deutschland und den anderen EU-Ländern zur Geltendmachung von Forderungen, die in den Mitgliedstaaten entstanden sind. Es erweitert die Möglichkeit, Amtshilfe bezüglich sämtlicher Steuern und Abgaben zu ersuchen. Für den Informationsaustausch wird eine Rechtsgrundlage geschaffen. Aus Gründen der Effizienz wird es ferner möglich, dass Finanzbeamte aus dem einen Mitgliedstaat behördlichen Ermittlungen in einem anderen beiwohnen oder an diesen teilnehmen.

Praxishinweis
Durch die Erbschaftsteuerreform 2009 wurden drei Bewertungsverfahren für Immobilien eingeführt. Grundsätzlich richtet sich die Berechnung nach der Grundstücksart:

  • Bei unbebauten Grundstücken wird die Fläche mit dem aktuellen Bodenrichtwert multipliziert.
  • Beim Ein- und Zweifamilienhaus wird der Preis vorrangig aus Verkäufen vergleichbarer Immobilien herangezogen. Ansonsten kommen Ertragswerte zum Ansatz, die die erzielbaren Mieten berücksichtigen. Sofern auch diese Methode nicht anwendbar ist, greift ein Sachwertverfahren: Maßgebend sind hierbei die Summe aus den Herstellungskosten aller auf dem Grundstück vorhandenen Anlagen sowie der Bodenwert.
  • Beim Mietobjekt ist der Gebäudeertragswert maßgebend. Dieser ergibt sich aus der Jahresmiete abzüglich der Bewirtschaftungskosten und Bodenverzinsung. Das Ergebnis wird anschließend mit einem Vervielfältiger kapitalisiert: Beim Neubau beträgt dieser 19,6 und sinkt bei älteren Objekten. Davon gibt es einen pauschalen Abschlag von 10 % für zu Wohnzwecken vermietete Gebäude.
  • Bei Geschäftsgrundstücken sind die wirtschaftlich erzielbaren Erträge die Ausgangsbasis für die Bemessungsgrundlage. Einen Abschlag wie beim Mietshaus gibt es nicht.
  • Lässt sich für bebaute Grundstücke weder ein Vergleichswert noch eine übliche Miete ermitteln, ist generell das Sachwertverfahren maßgebend.
  • Mit einem Erbbaurecht belastete Grundstücke werden zweigeteilt bewertet, neben Boden- und Gebäudewert sind die Höhe von Erbbauzins, Restlaufzeit sowie Entschädigung bei Rückfall maßgebend. Gleiches gilt für Gebäude auf fremdem Grund und Boden.

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 10.03.2011
Europäische Kommission, Beschl. v. 26.01.2011 - K(2011)275
Europäische Kommission, Beschl. v. 14.03.2011 - IP/11/294
EuGH, Urt. v. 22.04.2010 - Rs. C-510/08

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 05.04.11