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Rechtsbehelfsbelehrung im Steuerbescheid: Kein Hinweis auf Einspruchsmöglichkeit per E-Mail erforderlich

Nach einem aktuellen BFH-Urteil ist es nicht notwendig, in der Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheids auf die Einspruchsmöglichkeit per E-Mail hinzuweisen. Es reicht vielmehr aus, wenn der Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergegeben wird.

Steuerverwaltungsakte enthalten i.d.R. eine Rechtsbehelfsbelehrung und damit Hinweise auf Beginn und Dauer der Rechtsbehelfsfrist. Zumeist wird insoweit (nur) der Wortlaut des § 357 Abs. 1 AO abgedruckt. Danach ist der Einspruch schriftlich einzulegen oder zur Niederschrift zu erklären.

Bisweilen ist auf dem Verwaltungsakt (z.B. Einkommensteuerbescheid) die allgemeine Homepage der jeweiligen Landesfinanzverwaltung oder die Internetadresse des Finanzamts genannt - nur selten hingegen eine konkrete E-Mail-Adresse.

Für den BFH stellte sich jetzt die Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheids einen Hinweis auf den elektronischen Rechtsverkehr enthalten muss und, wenn ja, welchen.

§ 357 Abs. 1 AO ist eine von zwei Vorschriften, in denen Formerfordernisse des Einspruchs geregelt sind. Nach § 87a Abs. 3 AO kann die Schriftform auch durch die elektronische Form ersetzt werden. Ein Spezialitäts- oder Vorrangverhältnis ist weder der Stellung im Gesetz noch der historischen Entstehung zu entnehmen. Beide Normen gelten also gleichberechtigt nebeneinander.

Das FG Niedersachsen hatte als Vorinstanz mit Urteil vom 24.11.2011 zu den Anforderungen einer korrekten Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheids unter Berücksichtigung der elektronischen Kommunikation Stellung genommen.

Nach Auffassung des FG wäre im Streitfall neben den Möglichkeiten gem. § 357 Abs. 1 Satz 1 AO („schriftlich bzw. zur Niederschrift") zusätzlich noch über die Variante „E-Mail" (§ 87a Abs. 1 Satz 1 AO) zu belehren gewesen; denn die Finanzbehörde habe schon durch den Abdruck seiner E-Mail-Adresse diese Möglichkeit im entschiedenen Fall eröffnet.

Das FG hielt daher einen Hinweis im Verwaltungsakt für erforderlich, dass der Einspruch auch mittels E-Mail (ohne qualifizierte elektronische Signatur) eingelegt werden kann. Andernfalls sei von einer „unrichtigen" Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids i.S.d. § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auszugehen. Gegen die Entscheidung des FG hatte das unterlegene Finanzamt Revision eingelegt.

Der BFH urteilte nun, dass die Rechtsbehelfsbelehrung in einem Steuerbescheid keinen Hinweis darauf enthalten muss, dass der Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann.

So reicht es nach BFH-Ansicht vielmehr aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt.

„Unrichtig" ist eine Rechtsbehelfsbelehrung erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend bzw. derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.

Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch belehrt worden ist und wenn die Finanzbehörde, bei der der Einspruch einzulegen ist, mit ihrem Sitz und der einzuhaltenden Frist angegeben wird. Die Folge einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ist die Verlängerung der Einspruchsfrist gem. § 356 Abs. 2 AO von einem Monat auf ein Jahr.

Über die Form des Einspruchs ist aber nach Ansicht des BFH nicht zwingend zu belehren. Auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form braucht das Finanzamt demnach auch dann nicht hinzuweisen, wenn in der Erwähnung der Internetseite in der Fußzeile des Bescheids die konkludente Eröffnung eines „Zugangs" i.S.v. § 87a Abs. 1 Satz 1 AO gesehen werden kann. Das Finanzamt muss also keinen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der üblichen Schriftform) geben.

Praxishinweis

Ist die einmonatige Einspruchsfrist abgelaufen und erscheint ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO chancenlos, ist es trotz dieser BFH-Entscheidung empfehlenswert, innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen.

Vor dem BFH sind zur Zeit noch mehrere Verfahren zu der Rechtsfrage anhängig, ob die Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheids einer Finanzbehörde, die durch Angabe ihrer E-Mail-Adresse in der Fußzeile des Verwaltungsakts und im sonstigen Schriftverkehr die Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Dokumente erklärt hat, unvollständig ist, wenn nicht auch ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail hingewiesen wird. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass der BFH die vorliegende Entscheidung bestätigen und die Frage verneinen wird. Trotzdem sollten Verfahren weiterhin offengehalten werden. Zur Begründung kann auf die noch anhängigen Verfahren (Aktenzeichen: I R 54/12, X R 42/12 und VIII R 33/12) verwiesen werden.

BFH, Urt. v. 20.11.2013 - X R 2/12
FG Niedersachsen, Urt. v. 24.11.2011 - 10 K 275/11
BFH, Beschl. v. 12.12.2012 - I B 127/12, BStBl 2013 II 272
FG Köln, Urt. v. 30.05.2012 - 10 K 3264/11
FG Düsseldorf, Urt. v. 20.11.2012 - 10 K 766/12 E
FG Düsseldorf, Urt. v. 22.05.2012 - 13 K 2265/11 E

Quelle: Deubner Verlag - vom 14.01.14