Thomas Jansa © Fotolia.de

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Reverse-Charge-Verfahren: BMF-Schreiben sorgt für Klarheit

Der seit Ende 2010 an die Stelle der ehemaligen Richtlinien getretene Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) berücksichtigte bislang zum Teil noch nicht die seit dem November 2010 ergangene Rechtsprechung, soweit diese nachfolgend im Bundessteuerblatt II veröffentlicht wurde. Außerdem enthielt der UStAE einige redaktionelle Unebenheiten. Das BMF hat daher jetzt - unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder - den UStAE in einem 45 Seiten umfassenden Schreiben geändert, um die Rechtsprechung aktualisiert und die Unebenheiten beseitigt. Zudem bedurfte es aufgrund des unübersichtlich gewordenen bisherigen Abschnitts zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Reverse-Charge-Verfahren) einer Aufgliederung, um eine bessere Lesbarkeit für die Anwender zu erreichen. Weiterhin wurden die Regelungen an die ab dem 01.01.2012 abgesenkte Bagatellregelung für die Abgabe monatlicher zusammenfassender Meldungen angepasst.

Hinweis: Die neu in den UStAE aufgenommenen BFH-Urteile waren vorher schon im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden. Daher waren sie bereits allgemein anwendbar. Insoweit ergeben sich keine Rechtsänderungen oder neue Verwaltungsansichten.

Die neue Aufgliederung zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft, die nachfolgend beschrieben wird, erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber dieses sogenannte Reverse-Charge-Verfahren auf immer mehr Bereiche ausgedehnt hat, zuletzt auf Mobilfunkgeräte ab dem 01.07.2011. Nunmehr gilt die Regelung, dass ein Unternehmer als Leistender seinem Kunden als Leistungsempfänger eine Rechnung über die erbrachte Leistung inklusive Umsatzsteuer erstellt, bereits in vielen Geschäftsvorgängen nicht mehr allgemein.

Die Abschnitte zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Reverse-Charge-Verfahren) beinhalten insbesondere neue Absätze für die später zu den Bauleistungen hinzugekommenen neuen Tatbestände. Das sind:

  • Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen,
  • Lieferungen von Industrieschrott, Altmetall, Abfallstoffen,
  • Lieferungen von Gold,
  • Lieferungen von Mobilfunkgeräten sowie von integrierten Schaltkreisen,
  • Handel mit CO2-Emissionszertifikaten,
  • Kälte- und Wärmelieferung eines im Ausland ansässigen Unternehmers.

Hierzu gibt es jetzt jeweils einzelne Absätze, beginnend mit den Bauleistungen. Hier hatte bereits das Haushaltsbegleitgesetz 2004 die Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) mit Wirkung ab 01.01.2004 erweitert. Unter diese Bauleistungen fallen etwa

  • der Einbau von Fenstern und Türen, Bodenbelägen, Aufzügen und Rolltreppen sowie Heizungsanlagen,
  • Einrichtungsgegenstände, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind, wie beispielsweise Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und Gaststätteneinrichtungen,
  • die Installation einer Lichtwerbeanlage,
  • die Dachbegrünung eines Bauwerks,
  • der Hausanschluss durch Versorgungsunternehmen (inkl. Mauerdurchbruch, Installation des Hausanschlusskastens und die Verlegung des Hausanschlusskabels vom Netz des Elektrizitätsversorgungsunternehmens bis zum Hausanschlusskasten),
  • Werklieferungen von Gegenständen, die aufwändig in oder an einem Bauwerk installiert werden müssen,
  • Erdarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Bauwerks,
  • EDV- oder Telefonanlagen, die fest mit dem Bauwerk verbunden sind, in das sie eingebaut werden, sowie 
  • Wartungsleistungen mit einem Nettowert von mehr als 500 €, wenn Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden.

Seit 2011 findet auch bei der Reinigung von Gebäuden das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung. Hierunter fallen insbesondere

  • die Reinigung von Gebäuden, von Räumen und von Inventar,
  • die pflegende und schützende Behandlung von Gebäuden (innen und außen),
  • die Reinigung von Hausfassaden inkl. Graffitientfernung,
  • die Fensterreinigung,
  • die Reinigung von Dachrinnen und Fallrohren, 
  • die Reinigung von haustechnischen Anlagen.

Ebenfalls zum 01.01.2011 kam die Lieferung von Industrieschrott, Altmetallen, sonstigen Abfallstoffen sowie Gold hinzu. Zum 01.07. erweiterte sich das Reverse-Charge-Verfahren auf Lieferungen von

  • Mobilfunkgeräten, die zum Gebrauch mittels eines zugelassenen Netzes und auf bestimmten Frequenzen hergestellt oder hergerichtet wurden, unabhängig von möglichen weiteren Nutzungsmöglichkeiten, etwa Handys, Satellitentelefone und kombinierte Produkte (sog. Produktbundle), wenn die Lieferung des Mobilfunkgeräts die Hauptleistung darstellt,
  • integrierten Schaltkreisen wie Mikroprozessoren und Zentraleinheiten für die Datenverarbeitung vor dem Einbau in ein Endprodukt, insbesondere Mikroprozessoren und CPUs, wenn diese Gegenstände (noch) nicht in ein zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeignetes Endprodukt eingebaut wurden.

Praxishinweis

Da zu erwarten ist, dass das Reverse-Charge-Verfahren zur Bekämpfung von Umsatzsteuerausfällen auf weitere „risikobehaftete" und besonders betrugsanfällige Branchen ausgeweitet wird, stellt sich für Unternehmer bei Ankündigung einer neuen Umsatzart die Frage, wie er mit Umsätzen umzugehen hat, die in Bezug auf Leistung, Zahlung und Rechnung Termine vor und nach dem Umstellungstermin tangieren. Hierzu gibt es folgende Konstellationen und Übergangsregelungen:

  • Grundsatz: Die Neuregelung ist auf Umsätze und Teilleistungen anzuwenden, die nach dem Stichtag ausgeführt werden, sowie insbesondere in den Fällen, in denen das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vor der Neuregelung vereinnahmt wird und die Leistung erst nach der Vereinnahmung des Entgelts oder des Teilentgelts ausgeführt wird.
  • Schlussrechnung nach, erbrachte Abschlagszahlungen vor der Neuregelung: Bei nachfolgend ausgeführten Umsätzen ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner und die Rechnung erfolgt ohne Ausweis der Umsatzsteuer. Zuvor erteilte Rechnungen mit Umsatzsteuer sind im Voranmeldungszeitraum der tatsächlichen Ausführung der Leistung zu berichtigen.
  • Berichtigung einer erstellten Rechnung über Anzahlungen vor, Zahlung erst nach der Neuregelung: Entscheidend ist nicht, wann die Rechnung erstellt worden ist, sondern der Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts. Erfolgt dies nach der Neuregelung, ist hierfür der Leistungsempfänger Steuerschuldner und eine zuvor erstellte Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ist entsprechend zu berichtigen.
  • Abrechnungen nach der Neuregelung über Leistungen vor der Neuregelung: Der leistende Unternehmer bleibt noch Steuerschuldner und die Neuregelung ist nicht anzuwenden.
  • Berichtigung einer vor der Neuregelung erstellten und nachher bezahlten Rechnung: Die ursprüngliche Rechnung ist zu berichtigen, sofern der überzahlte Betrag zurückgezahlt wurde und insoweit die Grundlage für die Versteuerung der Anzahlung entfallen ist. Hinsichtlich einer berichtigten Anzahlung wird der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner, wenn ein weiteres Teilentgelt ab der Neuregelung vom leistenden Unternehmer vereinnahmt wird.

BMF-Schreiben v. 12.12.2011 - IV D 3 - S-7015/11/10003

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Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 03.01.12