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Rückwirkende Besteuerung von Stückzinsen wird gerichtlich geklärt

Privatanleger können sich jetzt gegen die rückwirkende Besteuerung von Stückzinsen wehren, indem sie gegen ihre Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen. Da mittlerweile eine Klage zu der Frage anhängig ist, ob und inwieweit die durch das Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) eingeführte Neuregelung eine unzulässige echte Rückwirkung darstellt, lässt die Finanzverwaltung Rechtsbehelfe mit Verweis auf das beim FG Münster unter Az. 2 K 3644/10 E anhängige Verfahren ruhen, gewährt aber keine Aussetzung der Vollziehung. Betroffene Sparer sollten diese Option nutzen, um ihre Fälle insoweit kostenlos offenzuhalten.

Hierbei geht es um den rechnerischen Ertragsanteil von festverzinslichen Wertpapieren, der anteilig auf den Zeitraum seit dem letzten Zinstermin entfällt und einen Ausgleich für die bereits aufgelaufenen Erträge schaffen soll. Diese Stückzinsen fallen bei der Veräußerung von Schuldverschreibungen an und werden als Entgelt für die auf den Zeitraum bis zum Verkauf entfallenden Zinsen des laufenden Zahlungszeitraums gesondert in Rechnung gestellt. Für den Verkäufer sind diese gesondert in Rechnung gestellten und erhaltenen Stückzinsen steuerpflichtige Kapitaleinnahmen. Bei Zufluss

  • bis Ende 2008 handelte es sich um laufende Kapitaleinnahmen, die dem Zinsabschlag unterlagen.
  • ab Neujahr 2009 sind die vereinnahmten Stückzinsen als zusätzliches Entgelt dem Veräußerungserlös zugeordnet und unterliegen der Abgeltungsteuer. Dies galt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für Wertpapiere, die vor dem 1. 1. 2009 angeschafft und nach 2008 verkauft wurden. Hier besteht die Besonderheit, dass der mit diesen Rententiteln realisierte Gewinn aufgrund des Bestandsschutzes grundsätzlich nicht der Abgeltungsteuer unterliegt, weil es sich höchstens um ein privates Spekulationsgeschäft handeln kann.

Unkritisch war die Besteuerung durch die Kreditinstitute bei nach 2008 erworbenen Titeln, weil hier Gewinne und Stückzinsen in der Regel zutreffend der Abgeltungsteuer unterworfen wurden. Probleme ergaben sich in der Vergangenheit hingegen beim Verkauf der so genannten Altanleihen mit Bestandsschutz. Zwar hatte das BMF im Anwendungserlass vom Dezember 2009 bereits die Auffassung vertreten, dass auch diese Stückzinsen der Abgeltungsteuer unterliegen. Dies war jedoch umstritten, weil es sich aus der Übergangsregel nicht eindeutig ableiten ließ. Diese Lücke wurde dann über das JStG 2010 geschlossen, das aber erst am 14. 12. 2010 in Kraft getreten ist. Aus diesem Grund haben Kreditinstitute beim Verkauf von Altanleihen oftmals keinen Steuereinbehalt auf die Stückzinsen vorgenommen.

Das müssen betroffene Anleger daher im Wege der Veranlagung nachholen, indem das Finanzamt diese Stückzinsen über den Bescheid im Nachhinein mit Abgeltungsteuer belegt. Hiergegen sollte dann Einspruch eingelegt und das Verfahren offengehalten werden.

Praxishinweis

Betroffene Sparer können für die Nachmeldung ihrer Stückzinsen eine gesonderte Steuerbescheinigung verwenden, die ihnen die Banken bis spätestens Ende April 2011 und damit in der Regel rechtzeitig für die Steuererklärung 2010 zusenden müssen. Dies erfolgt auf Anweisung des BMF, wonach die Kreditinstitute ihren Kunden ein amtlich vorgeschriebenes Muster unaufgefordert getrennt für die beiden Jahre auszustellen haben. Das kann nur unterbleiben, wenn der Bank eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorliegt. In diesem Fall sind die Stückzinsen mangels einer Verpflichtung zur Erklärungsabgabe auch nicht im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung anzusetzen.

Privatanleger tragen diese Stückzinsen in die Zeilen 15 und 16 der Anlage KAP (Kapitalerträge ohne inländischen Steuerabzug, davon Veräußerungsgewinne) für das entsprechende Kalenderjahr ein. Sofern sie die Formulare bereits bei ihrem Finanzamt eingereicht haben, brauchen sie keine berichtigte Einkommensteuererklärung abzugeben. Ausreichend ist, wenn Sparer die Steuerbescheinigung einreichen und gleichzeitig einen formlosen Antrag stellen, dass die bescheinigten Stückzinsen bei ihrer Einkommensteuerfestsetzung zu berücksichtigen sind.

Sparer sollten darauf achten, dass erhaltene Stückzinsen bei den Kapitaleinkünften wie realisierte Gewinne behandelt werden. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass sie Verrechnungspotential für Verlustvorträge schaffen, die noch aus ehemaligen Spekulationsgeschäften stammen.

OFD Münster v. 02.02.2011 - Kurzinfo ESt 3/2011

Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 15.02.11